Dienstag, 19. März 2024

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Koalitionsausschuss
Einige Kompromisse und noch viele Streitthemen

Der Koalitionsausschuss hat sich in der Nacht auf höhere Strafen für Einbrecher und Härte gegen Sozialbetrug von Asylbewerbern geeinigt. Die Bundesregierung habe sich als handlungsfähig erwiesen, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier im DLF. Was nicht kommt: die Ehe für alle, eine Deckelung der Managergehälter und mehr.

Peter Altmaier im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 30.03.2017
    Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) kommt am 29.03.2017 zur wöchentlichen Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt in Berlin.
    Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wird weiter über die Öffnung der Ehe für alle in Partei und Fraktion sprechen. (dpa/picture alliance/ Michael Kappeler)
    Ann-Kathrin Büüsker: Er war extra verschoben worden, damit Martin Schulz auch mitmachen kann: der Koalitionsgipfel von SPD und Union. Gestern Abend um 20 Uhr saß man dann zusammen und hatte vor sich eine sehr lange Themenliste: Managergehälter, Ehe für alle, Recht auf Rückkehr aus Teilzeitarbeit, härtere Strafen bei Einbruchdiebstahl.
    Und die meisten Themen davon sind innerhalb der Koalition hochgradig umstritten. Die Chance, sie innerhalb dieser Legislaturperiode noch umzusetzen, sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Parteien die Projekte nutzen, um vor der Wahl ihr Profil zu schärfen, sehr groß. Wie klein die Gemeinsamkeiten dabei tatsächlich waren, darüber möchte ich jetzt mit Peter Altmaier sprechen, Kanzleramtsminister. Guten Morgen, Herr Altmaier.
    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Büüsker.
    Was die Bürger bewegt
    Büüsker: Herr Altmaier, Frank Capellan hat von Misstrauen bei der Union gegenüber der SPD gesprochen. Würden Sie das so unterstreichen?
    Altmaier: Nein. Ich unterstreiche, dass wir sehr hart gerungen haben um Lösungen in einzelnen Fragen. Aber die Bundesregierung hat sich als handlungsfähig erwiesen. Wir haben es geschafft, Beschlüsse zu fassen in sehr wichtigen Bereichen, beispielsweise dadurch, dass wir wirksamer gegen Wohnungseinbruch vorgehen, indem wir nicht nur die Strafen erhöhen, sondern auch die Aufklärungsmöglichkeiten verbessern.
    Wir haben uns für eine Bekämpfung der Kinderehen entschieden und wir haben vor allen Dingen wirksame Beschlüsse gefasst zur Verhinderung von Sozialmissbrauch im Asylverfahren. Das zeigt, dass die Koalition die Themen, die vielen Menschen in Deutschland wichtig sind, anpackt und dass wir auch imstande sind, Ergebnisse zu erzielen.
    Keine Bereitschaft zur Annäherung
    Büüsker: Man konnte gerade im Vorfeld aber den Eindruck gewinnen, dass gerade die SPD die Agenda des Koalitionsgipfels doch sehr geprägt hat mit sehr vielen SPD-Themen. Wo bleiben da die Unions-Themen?
    Altmaier: Die Themen, die wir beschlossen haben, waren natürlich in allererster Linie Themen, die uns von der CDU/CSU besonders wichtig waren, die wir auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich habe sie ja genannt, die Themen aus dem Bereich der inneren Sicherheit, die Themen aus dem Bereich der Bekämpfung von Sozial- und Asylmissbrauch. In all diesen Punkten haben wir uns geeinigt. Wir haben auch noch einmal bekräftigt, dass wir die Einigung zu Bund-Länder-Finanzen durch den Bundestag und Bundesrat plangemäß bringen werden. Das waren unsere Themen.
    Es gab darüber hinaus Themen, die von der SPD auf den Koalitionsausschuss gesetzt worden sind, wo die SPD aber von vornherein wissen musste, dass es nur mit Kompromissen möglich sein wird, diese Themen erfolgreich abzuschließen, etwa im Bereich der Managergehälter, etwa im Bereich des Teilzeitrechts. Dort haben wir der SPD konkrete Vorschläge gemacht, wie weit wir bereit sind, als Union zu gehen. Die SPD hat sich aber gestern jedenfalls noch nicht imstande gesehen, sich diesen Vorschlägen zu nähern.
    Wenn durch Bürokratie Arbeitsplätze gefährdet sind
    Büüsker: Jetzt haben Sie die Managergehälter angesprochen, die Begrenzung dieser Gehälter. Das Thema Ehe für alle ist auch ein Thema, wo die SPD gerade drängt, dass sich etwas ändert. Das sind grundsätzlich Themen, die durchaus populär sind. Setzt die SPD die Union mit diesen Themen unter Druck?
    Altmaier: Ich glaube nicht, denn die Menschen wissen sehr wohl, dass auch bei populären Themen es richtig ist, dass man die Entscheidungen so trifft, dass sie für alle Beteiligten akzeptabel und verträglich sind. Und wir haben gerade im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik unsere Vorhaben immer auch an dem zu messen, was für die Menschen wichtig ist, ob dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, ob vorhandene Arbeitsplätze gesichert werden, oder ob möglicherweise durch mehr Bürokratie Arbeitsplätze gefährdet werden. Das war für uns ein ganz, ganz wichtiger Punkt.
    Und bei dem Thema Managergehälter geht es darum, dass man sich auf die Regelungen verständigt, die tatsächlich zu mehr Transparenz und auch zu mehr Verhältnismäßigkeit beitragen können. Da haben wir im Koalitionsvertrag einige Vereinbarungen, die wir auch bereit waren umzusetzen. Allerdings wollte die SPD an der Stelle nach meiner Einschätzung zeigen, dass sie bereit ist, darüber weit hinauszugehen. Das konnten wir gestern so nicht vereinbaren, weil es uns auch ganz wichtig ist, dass wir die richtigen Signale geben.
    "Letzter großer Schritt": die Ehe formal für alle öffnen
    Büüsker: Herr Altmaier, wenn Sie sagen, die Themen an dem messen, was für die Menschen wichtig ist, warum ist denn dann die Ehe für alle so ein großes Problem für die Union?
    Altmaier: Es war eigentlich seit vielen Monaten klar, dass das Thema Ehe für alle in dieser kurzen Zeit vor der Bundestagswahl nicht abschließend geklärt werden konnte. Es war auch klar, dass wir von der CDU/CSU, nachdem dieses Thema von der SPD nicht in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben worden war, nachdem es die letzten zwei, drei Jahre nicht zu Gesprächen der zuständigen Minister über dieses Thema gekommen ist, dass wir vermeiden wollen, dass dieses Thema in den Wahlkampf gezerrt wird und dass dann auf dem Rücken der Betroffenen damit Wahlkampf gemacht wird.
    Büüsker: Sie beschreiben jetzt den Sachstand. Ich habe aber nach dem Warum gefragt. Wenn wir auf eine aktuelle Studie der Anti-Diskriminierungs-Stelle des Bundes gucken. Daraus geht hervor, dass 83 Prozent der Befragten für die Ehe für alle sind. Warum geht das nicht mit der Union?
    Altmaier: Wir haben in den letzten Jahren in dem Bereich gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sehr viele Veränderungen vorgenommen, auch in der Amtszeit der Großen Koalition. Wir haben Diskriminierungen im Steuerrecht beseitigt. Wir haben dazu beigetragen, dass es für die Betroffenen möglich wird, ihr Leben zu leben, und damit ist auch die gesellschaftliche Akzeptanz gestiegen. Jetzt geht es um den letzten großen Schritt, nämlich dass man dann auch die Ehe offiziell und formal für alle öffnet.
    Davon waren und sind noch nicht alle in meiner eigenen Partei und Fraktion überzeugt. Das ist ein ganz normaler Prozess und deshalb werden wir weiter über dieses Thema reden. Aber es wird ein so wichtiges Gesetzgebungsvorhaben, das möglicherweise sogar eine Grundgesetzänderung erfordern würde, in dieser kurzen Zeit bis zur Bundestagswahl nicht mehr seriös und realistisch betrieben werden können.
    Koalitionszwang vertraglich ausgeschlossen
    Büüsker: Jetzt haben wir festgestellt, das Thema hat eine große gesellschaftliche Akzeptanz. Auch in der Union gibt es Leute, die dafür stimmen würden, wenn es eine Abstimmung gäbe.
    Altmaier: Ja, eindeutig.
    Büüsker: Wäre es dann nicht eine Idee, bei so einer Abstimmung den Fraktionszwang mal aufzuheben und alle nach ihrer eigenen Überzeugung entscheiden zu lassen?
    Altmaier: Wir haben ja als die Verantwortlichen in der Koalition auch sicher mit der Frage zu tun, ob der Koalitionszwang aufgehoben wird. Da haben auch unsere sozialdemokratischen Freunde bei den Themen, bei denen sie fürchteten, überstimmt zu werden, immer darauf hingewiesen, dass dies nach dem Koalitionsvertrag gerade ausgeschlossen ist.
    Deshalb war dieses Prinzip, dass man sich zunächst in der Koalition und in der Bundesregierung einigen muss, dieses Prinzip war für alle Beteiligten ein wichtiges Prinzip, auch wenn es dann unterschiedliche Auffassungen gab, worin diese Entscheidung bestehen soll. Im Übrigen ist es so: Die Bürgerinnen und Bürger haben uns gewählt. Die Bürgerinnen und Bürger müssen über unsere Arbeit nach vier Jahren entscheiden. Und das wäre sehr viel schwieriger, wenn es bei allen wichtigen Themen wechselnde Mehrheiten geben würde. Deshalb schließt der Koalitionsvertrag genau dies aus.
    "Auch innerhalb der Union noch Diskussionsbedarf"
    Büüsker: Und die Bürgerinnen und Bürger sollen Sie ja auch wiederwählen im September. Am 24. September ist Bundestagswahl. Kann vor diesem Hintergrund die CDU sich bei diesem Thema auch gar nicht öffnen, aus Angst, die konservativen Wähler zu verlieren?
    Altmaier: Ich glaube, dass wir unsere entscheidenden Debatten über die Schwerpunkte unseres Wahlprogrammes in den nächsten Wochen mit den Bürgerinnen und Bürgern übrigens im Austausch führen werden. Es sieht im Augenblick so aus, dass wir in diesem Bereich, den Sie ansprechen, auch innerhalb der Union noch Diskussionsbedarf haben. Wir haben diese Frage bislang noch nicht auf einem Parteitag so gründlich diskutiert, dass wir daraus ein Mandat ableiten könnten, von unseren bisherigen Positionen Abstand zu nehmen.
    Büüsker: … sagt Peter Altmaier, Kanzleramtsminister. Wir haben gesprochen über den Koalitionsgipfel am vergangenen Abend. Herr Altmaier, danke für das Gespräch heute Morgen im Deutschlandfunk.
    Altmaier: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.