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Köln
Leben in der Plus-WG

Ein bisschen Gesellschaft und gelegentlich eine helfende Hand. So stellte sich die 75-jährige Lea Bieler aus Köln ihre Wohngemeinschaft mit jüngeren Menschen vor. Im Gegenzug sollten ihre neuen Mitbewohner umsonst bei ihr leben dürfen. Wohnen gegen Arbeit.

Von Jonas Schiffauer | 23.10.2014
    Doch das Projekt ging von vornherein schief. Während die Rentnerin noch im Krankenhaus lag, sollte die Studentin einziehen. Als Lea Bieler wenige Tage später entlassen wurde, war sie alles andere als erfreut, erzählt sie:
    "Sie hatte sich schon sehr breit im Haus gemacht, und zwar in meinem obersten Zimmer. Das war eigentlich immer mein Zimmer."
    Wichtig ist die Kommunikation
    Dadurch fühlte sich die Seniorin gleich zu Beginn des Zusammenlebens ihrer Privatsphäre beraubt. Doch es blieb nicht bei diesem einen Vorfall. Nach kurzer Zeit wohnte auch der Freund der jungen Frau bei ihr im Haus. An sich kein Problem, sagt sie, aber die fehlende Rücksicht und Behutsamkeit des Pärchens machten der Rentnerin zu schaffen. So begannen die Studenten ohne ihr Einverständnis, das Zimmer umzubauen und immer mehr unbekannte Gäste kamen zu Besuch. Auch bei der Gartenarbeit richtete das Pärchen eher Schaden an. Ebenfalls ein Zeichen mangelhafter Kommunikation, wie Lea Bieler beschreibt:
    "Ich hatte ihm auch gesagt, was da rauszuziehen ist oder was drin bleiben muss. Aber das hat er wohl ein bisschen verwechselt und hat mir einen Strauch, der mir sehr wichtig war raus gezogen. Das hat mich sehr geärgert muss ich sagen."
    Das war dann schließlich zu viel des Guten. Nach wenigen Monaten teilte sie ihren Mitbewohnern mit, dass sie so schnell es geht ausziehen müssen.
    Wenn noch mal jemand bei ihr einziehen sollte, dann muss es jemand sein, den sie schon länger kennt. Sonst klappt es nicht, ist sie überzeugt.
    Wenige Kilometer entfernt von Lea Bielers Haus in Köln-Westhoven. In der Senioren WG von Elisabeth Erens, 80 Jahre alt, und den Brüdern Dieter und Jürgen Elste, 79, ist gerade die Frisörin zu Besuch. Alle drei bekommen heute die Haare geschnitten.
    "Ja, das ist das Schöne hier, bloß der Arzt kommt nicht in Haus", sagt Elisabeth Erens. Sie lebt seit eineinhalb Jahren mit den Zwillingen zusammen, die damals die WG gründeten. Sie haben sich über eine Zeitungsanzeige gefunden. Besonders Jürgen Elste war es wichtig, in Gemeinschaft zu leben. Aus gutem Grund:
    "Ja, erst mal, weil das für mich preiswerter ist, als wenn alleine wohne, das wäre sonst zu teuer. Und zum anderen, dass man gegenseitig auf sich aufpasst und sich ein bisschen hilft. Parkinson hab ich und hier rechts hab ich einen Schlaganfall gehabt, sicher, das ist auch ein Grund dafür."
    In der WG hat jeder sein eigenes Zimmer und ein eigenes Fach im Kühlschrank. Fehlt dem einen mal was, hilft der andere ihm aus. Das ist selbstverständlich für die drei. Ein echtes Team.
    Ganz ohne Konflikte ging es nicht
    Aber wie in jeder WG gibt es früher oder später Streit über die Frage, wer macht was im Haushalt. Auch unter Senioren wird dann der Begriff "TEAM" mal gerne als Abkürzung für "toll ein anderer macht's" interpretiert. Elisabeth Erens fühlte sich deshalb manchmal wie eine Hausfrau, die sich um alles alleine kümmert. Aber das, so sagt sie, habe sich gebessert:
    "Die erste Zeit war nicht so gut. Man muss sich an die Leute gewöhnen, aber heute, - wir verstehen uns. Ich mache die Küche und die beiden machen keinen großen Dreck. Er stellt sein Geschirr in die Spülmaschine, er inzwischen auch. Ab und zu kehre ich mal durch und halte sauber, mit dem Lappen."
    Zurzeit haben die drei noch ein Zimmer frei, für das sie vor Kurzem eine Zeitungsanzeige geschaltet haben. Ginge es nach der 80-jährigen Rentnerin würde dort eine Person einziehen, die sich gerne mal unterhält oder Dinge gemeinsam unternimmt. Denn den beiden Männern ist das nicht so wichtig, sie wollen vor allem ihre Ruhe.