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Krawalle in Heidenau
Vorhersehbare Katastrophe

Straßenblockaden von Rechtsextremen, Brandsätze, Tränengas, mehrere Verletzte: Das ist die Bilanz der Ausschreitungen, die sich gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Heidenau bei Dresden. Die Stimmung in Sachsen wird immer aggressiver.

Von Nadine Lindner |
    Demonstranten und Polizisten in Schutzkleidung.stehen in der Nacht auf einer Straße. Im Hintergrund sind Leuchtfeuer und Rauch zu sehen.
    Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Ausschreitungen unter Kontrolle zu bringen. (dpa / Arno Burgi)
    Die Polizei musste Tränengas einsetzen, um wieder Kontrolle über die Lage zu bekommen. Vorher waren sie von Seiten der Rechtsextremen mit Brandsätzen, Flaschen und Böllern beworfen worden. Mehrere Beamte und Rechtsextreme sind verletzt worden, Angaben über Festnahmen gibt es bislang nicht. Am frühen Abend hatten zunächst mehrere hundert Menschen friedlich gegen die Aufnahme von Asylbewerbern in Heidenau demonstriert. Zu dem Marsch hatte die rechtsextreme NPD über die Facebookgruppe "Heidenau hört zu" aufgerufen.
    Die rechten Demonstranten versammelten sich auch vor dem Privathaus des Bürgermeisters Jürgen Opitz, CDU, und skandierten dort "Volksverräter". Das berichtet die "Sächsische Zeitung". Am späten Abend blockierten dann Dutzende Demonstranten die Bundesstraße vor dem früheren Baumarktgebäude.
    Auf den beiden Etagen des ehemaligen Baumarkt-Gebäudes sollen künftig bis zu 600 Menschen unterkommen. Beobachter wie die Betreiber des Twitter-Accounts Streetcoverage beschrieben die Stimmung vor Ort im sozialen Netzwerk als sehr aggressiv.
    Demonstranten und Polizisten in Schutzkleidung.stehen in der Nacht auf einer Straße. Im Hintergrund sind Leuchtfeuer und Rauch zu sehen.
    Nach den nächtlichen Ausschreitungen vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau ist die Lage wieder ruhig. (dpa / Arno Burgi)
    Viel zu wenige Polizisten vor Ort
    Am Abend schilderte eine MDR-Reporterin ihre Eindrücke von vor Ort:
    "Immer wieder die letzten zehn Minuten sind drei Böller geflogen. Jedes Mal wenn so ein Böller geflogen kommt, merkt man, dass die Polizisten sehr angespannt sind. Die Demonstranten johlen. Es gibt Rufe wie 'Wir sind das Volk'. Die Einsatzkräfte, ich hab mir sagen lassen, dass viel zu wenig Polizisten hier sind. Auch das Deutsche Rote Kreuz, die nachher die Flüchtlinge in Empfang nehmen sollen, die sagen mir, dass sie viel zu wenige sind."
    Der Landesvorsitzende der Grünen, Jürgen Kasek, sagte gestern Abend im MDR zum Vorgehen der Polizei:
    "Im Prinzip handelt es sich auch an der Stelle um eine Katastrophe mit Ansage. Denn am Montag ist bekannt geworden, auch dem Bürgermeister vor Ort, dass dort eine Erstunterkunft eingerichtet wird. Wir haben ein ähnliches Erlebnis wie in Dresden oder in Freital, dass mit relativ wenig Vorwarnung die Situation eintritt, dass viel zu wenige Beamten vor Ort sind."
    Der Grünen-Vorsitzende kritisierte, dass Hinweise aus den sozialen Netzwerken auf die rechten Blockaden im Vorfeld nicht ernst genommen worden seien. Kasek befürchtet, dass es auch in Zukunft ähnliche Vorfälle geben wird.
    Sachsen erwartet 40.000 Asylbewerber
    Kurz vor ein Uhr in der Nacht erreichte unter Polizeischutz ein erster Bus mit Asylsuchenden das Gebäude, in dem noch in der Nacht etwa 250 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Nach Angaben eines Sprechers der Polizei ist die Lage heute Vormittag ruhig.
    Sachsen sucht wie andere Bundesländer mit Hochdruck nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber. Der Freistaat hatte erst in dieser Woche angekündigt, seine Kapazitäten bei den Erstaufnahmeeinrichtungen deutlich zu erhöhen. Geplant sind über 13.000 Plätze. Bis das zur Verfügung stehe, müsse man auf Notlösungen zurückgreifen.
    Sachsen erwartet in diesem Jahr über 40.000 Asylbewerber. Nach den monatelangen Demonstrationen der Pegida, die sich unter anderem gegen zu viele Flüchtlinge richteten, gab es auch in Freital und Meißen bei Dresden immer wieder Demonstrationen von Asylgegnern. Gewalttätigkeiten wie gestern in Heidenau hatte der Freistaat dort jedoch noch nicht erlebt.