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Krim-Krise
Russische Mittelständler kehren Heimat den Rücken

Die Krise auf der Krim ist in allen Teilen der russischen Gesellschaft spürbar. Viele Geschäftsleute fangen an, ihre Werte in Sicherheit zu bringen. Im Januar und Februar gab es einen Kapitalabfluss von 35 Milliarden US-Dollar. Valerij ein mittelständischer Unternehmer hat auch schon seine Koffer gepackt.

Von Thomas Franke | 18.03.2014
    Mehrere vermummte Soldaten in grünen Uniformen mit Helmen und Maschinengewehren stehen vor einem Panzer
    Soldaten in der Nähe von Sewastopol auf der Krim-Halbinsel (picture alliance / dpa / Andrey Stenin)
    Valerij stattet Schönheitssalons mit Solarien aus. Und er verkauft und vermietet Apparate für Vakuumtherapien, die bei der Wundheilung helfen. Das war in Russland in den letzten Jahren ein lohnendes Geschäft. Russland hat einen regelrechten Schönheitsboom hinter sich, Schönheitssalons gibt es an fast jeder Ecke. Es gibt kaum Russen, die nicht dorthin gehen. Die Geschäfte gingen in letzter Zeit schlechter, das könne allerdings saisonbedingt sein, sagt Valerij.
    "Es dauert ein wenig, bis die wirtschaftlichen Verschlechterungen bei den Menschen ankommen. Zuerst trifft es die Unternehmen. Die Arbeitnehmer kurz danach, wenn Arbeitsplätze gestrichen und Löhne gekürzt werden."
    Auswanderung als letztes Mittel
    Anders als in der Sowjetunion, können Russen heute das Land verlassen. Seinen Nachnamen möchte er trotzdem nicht sagen, er befürchtet Probleme mit den Behörden. Die Behörden sind eines der größten Hindernisse für Unternehmer, gerade die Steuerbehörden. Sie lassen sich oft instrumentalisieren, um Geschäftsleute zum Verkauf ihres Unternehmens zu bewegen. Möchte derjenige nicht verkaufen, wird der Betrieb so lange lahmgelegt, bis er pleite ist.
    "Ich habe für mich entschieden, auszuwandern. In zwei Wochen. Ich denke schon lange darüber nach, aber ich hatte immer noch die Hoffnung, dass man die Situation hier verändern kann. Die Ereignisse der letzten Tage haben das Fass aber zum Überlaufen gebracht. Ich habe mich endgültig entschieden."
    Sein Ziel ist Italien.
    "Wir klären gerade die letzten Fragen. Einen Teil meines Business schließe ich, einen Teil kann man aus der Ferne steuern. Das wird nicht so gut laufen wie bisher, aber einiges werde ich halten können."
    Valerij wird Einbußen haben, gerade durch den stetig fallenden Rubelkurs.
    "Natürlich wird sich das auswirken und ich werde in Euro wesentlich weniger verdienen. Außerdem habe ich alle Reserven bereits in Euro umgetauscht."
    Jahrelang hatte die russische Wirtschaft Wachstumsraten um sieben Prozent. Das ist seit ein paar Jahren vorbei. Und das gefährdet den sich erst langsam verfestigenden Mittelstand. Denn in Russland wird so gut wie nichts produziert. Sämtliche wirtschaftliche Stabilität beruht auf dem Export von Rohstoffen.
    Marat Gelman war ein Weggefährte von Präsident Vladimir Putin. Er war mit verantwortlich für seinen ersten Wahlsieg 2000. 2002 kehrte Gelman Putin den Rücken, heute ist er Galerist. Er warnt davor, dass die Eliten einfach gehen.
    "Das ist denen offensichtlich ziemlich egal. Dieses Argument zieht bei denen nicht. Denn den Energiesektor kann man auch mit weniger als 140 Millionen Menschen betrieben. Da reicht es, ein paar Leute in Sibirien anzusiedeln, die dann dort im Schichtdienst die Versorgung mit Öl und Gas sicher stellen."
    Mittelständler, junge Leute und ausländische Firmen
    Es ist aber nicht nur so, dass Mittelständler und gebildete junge Leute das Land verlassen, ausländische Firmen schrecken derzeit vor Investitionen zurück. Dazu kommt die Unberechenbarkeit. Angesichts der Propagandamedien wird es immer schwerer, das Umfeld einzuschätzen. Auch Valerij berichtet von Schwierigkeiten, wenn es immer weniger vertrauenswürdige Informationen gibt:
    "Mit gefällt überhaupt nicht, was im Land passiert: Die Schließung von unabhängigen Medien, und mir gefällt nicht, dass Putin einen Anschluss der Krim organisiert. Ich brauche die Krim nicht, und schon gar nicht zu so einem Preis."
    Es gibt Experten, die bereits jetzt davon ausgehen, dass die Finanzierung der Krim aus dem russischen Staatshaushalt, den wirtschaftlichen Abwärtstrend beschleunigen wird.