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Krings: Obama hat den Ruf der Vereinigten Staaten verbessert

Barack Obama habe international ein anderes Gesicht für die USA gezeigt, meint der stellvertretende Vorsitzende der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe Günter Krings. In außenpolitischer Hinsicht würde er sich jedoch nicht stark von dem Republikaner Mitt Romney unterscheiden.

Günter Krings im Gespräch mit Christoph Heinemann | 07.09.2012
    Christoph Heinemann: Die drei Worte "yes, we can" hört man nicht mehr, wenn Barack Obama das Wort ergreift. Mit dem Versprechen "wir können es" verlieh der Kandidat seinen Landsleuten vor vier Jahren Hoffnungen, die der Präsident zum Teil bitter enttäuscht hat. Obama ist nun offizieller Bewerber der demokratischen Partei für das höchste Amt im US-Staat.

    Am Telefon ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe. Guten Tag.

    Günter Krings: Guten Tag, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Krings, ist Barack Obama kleinlauter geworden?

    Krings: Das kann man wohl sagen. Es ist natürlich klar, dass diese große Euphorie des ersten Wahlkampfs schwierig ist, dann noch einmal zu wiederholen, gerade wenn die Ergebnisse der Wirtschaft, auch die politische Situation nicht so optimal gelaufen ist. Er ist ein wenig realistischer geworden. Das ist vielleicht auch ganz vernünftig und ganz normal in einem zweiten Wahlkampf für eine zweite Amtsperiode.

    Heinemann: Was ist ihm gelungen und was misslungen?

    Krings: Na ja, es ist natürlich so: Ein wenig haben Programme gegriffen, er hat ja General Motors eben als Beispiel genommen, Industriepolitik, in dem Bereich. Aber in dem wirtschaftspolitischen Bereich ist natürlich mehr misslungen. Er hat auch außen- und verteidigungspolitisch jetzt nicht so viel erreicht. Der Abzug aus Irak ist natürlich einfach zu machen, aber die Stabilität eines Landes, auch Afghanistans, viel schwieriger dann zu erhalten.

    Was ihm aber jedenfalls gelungen ist, schon im Wahlkampf eigentlich: Er hat wieder Vertrauen für die Vereinigten Staaten gewonnen. Er hat eben ein anderes Gesicht im wahrsten Sinne des Wortes für die Vereinigten Staaten international wieder gezeigt, und da konnte er auch gar nicht so viel falsch machen, weil da war, glaube ich, international wirklich der Bedarf da, einen neuen Präsidenten zu haben, und mit seinem Hintergrund, auch mit seiner Hautfarbe hat er einfach gezeigt, Amerika ist viel vielschichtiger als in den letzten Jahren, und das ist sicherlich international gut angekommen. Den Ruf der Vereinigten Staaten hat er damit verbessert.

    Heinemann: Worin sehen Sie die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Herausforderer, dem Republikaner Mitt Romney, und Amtsinhaber Barack Obama?

    Krings: Das hat man an beiden Parteitagen gesehen, dass natürlich die Republikaner sehr viel mehr Wert darauf legen, dass die Wirtschaft aus sich heraus wachsen muss, dass sie sehr skeptisch sind bei Programmen, Wirtschaftsprogrammen, die da mit geliehenem Geld gemacht werden. Ich glaube aber letztlich, dass in dem Bereich der Außenpolitik, was für uns ja der wichtigste Bereich sicherlich ist, in der Wahrnehmung sich gar nicht so viel ändern würde mit einem republikanischen Präsidenten. Da sind sie doch nahe beieinander.

    Sorgen macht uns Europäern, glaube ich, eher die große Polarisierung der Parteien in Amerika und auch der Kongressabgeordneten. Was eben schlimm ist, ist, dass die Präsidenten noch so tolle Programme und Ideen haben können, in den letzten Jahren ist praktisch im Kongress alles gestoppt worden, weil man sich dort total verhakt hatte.

    Heinemann: Kurz noch mal zur Außenpolitik. Sitzt mit Blick auf den Iran der Colt der Republikaner lockerer?

    Krings: Ich glaube, in Wahlkampfzeiten wahrscheinlich ja. Ob es nachher ein Präsident der Republikaner wirklich anders handhaben würde als ein demokratischer Präsident, da bin ich sehr skeptisch.

    Heinemann: Herr Krings, die Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt heute, Obamas Verdienst sei es, die US-Bürgerinnen und Bürger auf den unvermeidlichen Abstieg seines Landes vorbereitet zu haben. Sehen Sie die USA auf einer schiefen Bahn?

    Krings: Abstieg ist ein vielleicht zu starkes Wort. Was uns Europäer und Amerikaner gemeinsam betrifft, ist, dass wir nicht mehr der Nabel der Welt sind. Die Welt ist multipolarer geworden, mindestens mal wirtschaftlich und dann infolgedessen auch politisch. Umso wichtiger ist es übrigens auch, dass Europa und Amerika stärker zusammenarbeiten, und diesen Willen habe ich bei Obama auch nicht immer so in dem Maße gesehen, weil er sich auch verständlicherweise mehr zum Pazifik zugewandt hat.

    Wenn wir bestimmte Werte des Westens verteidigen wollen, ökonomisch wie ideell, dann müssen beide Seiten transatlantisch stärker zusammenarbeiten. Das hoffe ich von einem Präsidenten Obama, würde ich aber auch hoffen, wenn ein Republikaner das Amt übernimmt.

    Heinemann: Schauen wir mal auf die Republikaner. Steuererleichterungen für Besserverdienende, Kürzung für Sozialprogramme – es wäre einigermaßen selbstmörderisch, ginge eine deutsche Partei mit einem solchen Programm oder einem solchen Projekt in den Bundestagswahlkampf. Nicht so in den USA. Warum nicht?

    Krings: Absolut! Offenbar gibt es ein grundsätzlich anderes Verständnis von dem, was der Staat leisten kann, leisten muss. Man sieht dort auch Krisenzeiten im persönlichen Leben als persönlichen Fehler an, woraus man persönlich hervorkommen muss, wo nicht der Staat Verantwortung trägt. Das ist ein anderes Verständnis. Es ist eben nicht die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie in Deutschland kennen. Es ist aber auch eine Skepsis gegenüber der Zentralregierung gerade bei den Republikanern.

    Manche Programme – schauen Sie sich das an, was Mitt Romney in seinem Heimatstaat, wo er Gouverneur war, gemacht hat – sind auf Staatenebene durchaus wiederum sozialer, aber sie sagen, das ist jetzt nichts, was zentralistisch aus Washington geregelt werden soll, wenn, dann machen wir das hier lokal, am liebsten sogar im familiären Kreis, in der Kirchengemeinde, gegebenenfalls noch auf der Gliedstaatenebene, aber man ist Washington gegenüber, der Zentralregierung, sehr skeptisch, während man in Deutschland eigentlich alles am liebsten zentralistisch geregelt haben möchte.

    Heinemann: Wie stark sehen Sie, Herr Krings, den Einfluss der radikal-konservativ-liberalen Tea Party Bewegung auf den Wahlkampf von Mitt Romney?

    Krings: Sie haben natürlich dafür gesorgt, dass schon im Wahlkampf und auch jetzt bei der Convention viele Reden radikaler sind, als es den Vereinigten Staaten, auch den Republikanern gut tun würde. Die gemäßigten Republikaner sind im Rückzug, das ist sehr schade, weil die auch wichtig sind, um Brücken zu bauen, um auch über Parteigrenzen hinweg Lösungen zu entwickeln, und das ist schon eine Entwicklung, die ich mit Sorgen sehe.

    Heinemann: Sind wir so sozialistisch, so staatsgläubig, wie die Republikaner behaupten?

    Krings: Selbstverständlich nicht. Das ist ein Zerrbild, was da zum Teil vermittelt wird. Ich glaube, dass auch die Kenntnis der amerikanischen Parteien und nicht aller, aber doch vieler Parteifunktionäre, auch eigentlich aller Abgeordneter über Europa, über Deutschland speziell doch nicht so sehr ausgeprägt sind. Ich glaube, da muss man viel Aufklärungsarbeit leisten. Wir haben übrigens die Chance. Wir werden zwar jetzt besonders kritisch beäugt wegen der Euro-Krise, gerade wir Deutschen, aber das Interesse an Deutschland jedenfalls ist deutlich gewachsen. Das stelle ich bei meinen Gesprächen mit US-Amerikanern fest.

    Heinemann: Dabei ist ja das Verhältnis zwischen Angela Merkel und Barack Obama nicht besonders herzlich. Wer wäre denn für die Kanzlerin der bessere Präsident?

    Krings: Ich glaube, da hat sie keine Präferenzen. Ich glaube auch nicht, dass es wirklich ernsthaft problematisch ist. Demokraten sind immer ein wenig offener, gerade wenn es um Zusammenarbeit geht und ähnliche Geschichten, auch was Interesse einfach an Europa anbelangt, aber sie haben eben sehr machttaktisch schon das Gesicht stärker in den Pazifik gewendet. Also ich glaube, außenpolitisch tut sich das nicht so viel. Ich glaube, auch eine Angela Merkel könnte sowohl mit Barack Obama als auch mit Mitt Romney zusammenarbeiten.

    Heinemann: Die Europäer halten sich ja gerne für klüger oder für weniger einfältig als die US-Amerikaner. Gibt es aus Ihrer Sicht, Herr Krings, etwas, was die Menschen hierzulande von den USA lernen können, oder vielleicht sogar sollten?

    Krings: Also dieser grundsätzliche Optimismus, der ist, glaube ich, wäre schon für uns ganz gut. Wenn wir sehen, wie wir wirtschaftlich dastehen, dass wir trotz hoher Staatsverschuldung immer noch deutlich besser auch bei dem Thema dastehen als die USA, die ja einen unermesslichen Berg an Schulden aufgetürmt haben, dass wir im Export immer noch sehr gut dastehen, insofern muss man oft sich wünschen, dass ein wenig mehr von den harten guten Fakten auch in eine optimistischere Stimmung sich übersetzen ließe. Das schaffen die Amerikaner viel besser. Die übertreiben es manchmal vielleicht, aber ein Stück von dem amerikanischen Optimismus sollten wir uns abschneiden.

    Heinemann: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Krings, er ist stellvertretender Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Krings: Sehr gerne – auf Wiederhören.


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