Dienstag, 19. März 2024

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"Kurt Beck ist ein starker Vorsitzender"

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat das Vorgehen seiner Partei in Hessen verteidigt. Ziel sei es, eine stabile Regierung zu organisieren. Hier seien auch die Liberalen in der Pflicht. Kritik an Parteichef Kurt Beck wies er zurück. Beck sei für die derzeitige Lage nicht verantwortlich, so Heil.

Moderation: Philipp Krohn | 08.03.2008
    Philipp Krohn: Am Telefon begrüße ich den Generalsekretär der SPD, Hubertus Heil. Guten Morgen, Herr Heil!

    Hubertus Heil: Guten Morgen!
    Krohn: Herr Heil, ist es dilettantisch, ein solches Projekt ohne absehbare Mehrheit anzugehen?

    Heil: Nein, das würde ich nicht sagen. Die Situation in Hessen nach der Landtagswahl war keine einfache und ist keine einfache im Parlament, Andrea Ypsilanti und die hessischen Sozialdemokraten haben sich in erster Linie bemüht, und daran sei erinnert, eine stabile Koalition, nämlich eine Ampelkoalition zustande zu bringen, haben dann erwogen, eine Minderheitsregierung auf die Beine zu stellen und haben feststellen müssen, dass es dafür keine parlamentarische Mehrheit gibt. Insofern finde ich die Entscheidung von gestern, die Andrea Ypsilanti getroffen hat, richtig und verantwortlich.

    Krohn: Es war also kein Fehler, dieses Projekt anzugehen?

    Heil: Nein, das Projekt in Hessen ist, eine stabile Regierung zustande zu bringen. Das halte ich übrigens nach wie vor nicht ausgeschlossen. Herr Koch ist abgewählt und es gibt jenseits der Linkspartei und dem Wahlverlierer Koch parlamentarische Mehrheiten, die man organisieren kann, wenn Verantwortung auch von Liberalen übernommen wird.

    Krohn: Das Geschehen von gestern hatte nach Beobachtern Züge von Überforderung. Kann man es einem solchen Landesverband überlassen, eine Entscheidung von derart historischer Tragweite für die SPD zu treffen?

    Heil: Die SPD hat ein ganz klare Linie, auch die Bundes-SPD, nämlich dass bei uns Landesverbände, wie in anderer Parteien auch, über Regierungsbeteiligung eigenverantwortlich entscheiden und verantwortlich handeln. Da wird mit der Bundesebene drüber gesprochen, aber es ist nicht so, dass da im Sinne von Zentralismus Anweisungen oder ein Durchgriffsrecht einer Bundespartei gäbe. Das haben wir weder bei Klaus Wowereit in Berlin gemacht, als der Rot-Rot gemacht hat, weil das eine richtige Entscheidung war, obwohl er andere Möglichkeiten hatte, noch bei Harald Ringstorff, der in Mecklenburg-Vorpommern eine große Koalition gemacht hat.

    Das ist gute Tradition, dass Landesverbände eigenverantwortlich entscheiden und das ist auch eine vernünftige Linie. Richtig ist, sie übernehmen damit Verantwortung. Natürlich haben solche Entwicklungen und Entscheidungen auch bundespolitische Konsequenzen. Das wird miteinander besprochen, aber entschieden werden muss in den Landesverbänden, aber letztendlich sogar von den Abgeordneten in den Landtagsfraktionen, so ist es parlamentarischer Brauch.

    Krohn: Herr Heil, sorgen Sie sich um Ihre Partei?

    Heil: Natürlich ist das keine einfache Situation, das ist ziemlich rumpelig gelaufen in den letzten Tagen. Wir erleben, dass wir im Moment keine besonders gute Presse haben in den Kommentierungen, aber da sind wir abgehärtet. Unser Blick geht nach vorn. Die SPD trägt Verantwortung auf Bundesebene in der Bundesregierung, wir sind eine starke Partei, wir haben 2009 wichtige Wahlen vor uns. Wir haben in den letzten Jahren auch erlebt, dass die SPD wieder Wahlen gewinnen kann. Insofern ist mir da nicht bang und wir werden nach intensiver Diskussion, die sicherlich notwendig ist, nach vorne gucken und uns darum kümmern, sozialdemokratische Politik in diesem Land durchzusetzen.

    Krohn: Wer, wenn nicht der Parteivorsitzende, trägt die Verantwortung für den desolaten Zustand der SPD?

    Heil: Nein, das ist eine, wie ich finde, unzulässig Wahrnehmung. Wir haben eine klare Linie als Parteivorstand beschlossen, dass Landesverbände entscheiden. Das gilt nach wie vor. Kurt Beck ist ein starker Vorsitzender, er hat in den letzten zweieinhalb Jahren die SPD programmatisch und personell gut aufgestellt, wir haben ein neues Grundsatzprogramm als Basis für die nächsten Jahre, wir haben ein gutes Team an der Spitze der Partei. Insofern bleibt es dabei: Kurt Beck ist Parteivorsitzender und wird seinen Teil dazu beitragen, damit wir 2009 Chancen haben bei den Wahlen, die da anstehen, auch bei der Bundestagswahl.

    Krohn: Was heißt, seinen Teil beitragen?

    Heil: Er ist Parteivorsitzender und er wird die politischen Voraussetzungen dafür schaffen, wenn Sie jetzt auf die K-Frage anspielen, dann ist die übliche Antwort, das kennen Sie schon, die wird rechtzeitig entschieden.

    Krohn: Glauben Sie denn, dass es Bestrebungen in der Spitze gibt, Franz Müntefering wieder ins Amt zu setzen, so wie es die "Bild"-Zeitung erfahren haben will?

    Heil: Ich glaube, dass die Bild-Zeitung im Wesentlichen der Unterhaltung und etwas weniger der Information dient, insofern ist das übliche Spökenkickerei. Es gibt eine schöne Homepage, auf die ich hinweisen will, die heißt www.bildblog.de. Da werden die Fakten, die in der "Bild"-Zeitung also solche behauptet werden, mal gecheckt und das würde ich in diesem Fall auch mal raten.

    Krohn: Aber auch die Bild-Zeitung hat politische Korrespondenten in Berlin, die gut zuhören.

    Heil: Das ist wohl war, aber noch mal: Da wird aus einer Mücke oft ein Elefant gemacht und das hat keine reale Basis. Wir haben einen Parteivorsitzenden, der hat große Unterstützung in der Partei, wir haben eine Führungsspitze mit Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles. Wir fühlen uns da gut aufgestellt, so wie wir aufgestellt sind.

    Krohn: Sie glauben also nicht, dass es diese Bestrebungen in der SPD gibt?

    Heil: Nein.

    Krohn: Viele in der Partei, wie etwa der Seeheimer Kreis sind Dagmar Metzger dankbar für ihr Verhalten. Hat sie die SPD möglicherweise vor einem weiteren Absturz bewahrt?

    Heil: Ich will das nicht kommentieren. Ich finde weder Lob noch Tadel da angebracht. Man muss so eine Entscheidung respektieren, die ist für die Partei nicht einfach, das ist gar keine Frage und jetzt werden die hessischen Sozialdemokraten heute in ihrem Parteirat über das weitere Vorgehen beraten und wenn ich da Ratschläge gebe, dann intern, aber nicht öffentlich.

    Krohn: Aber der hessische Wortbruch hat für die Umfragen bedeutet, dass die Partei noch tiefer ins Tief geschlittert ist. Zeigen diese Zahlen nicht, dass der Weg falsch ist?

    Heil: Also noch mal: Es war in Hessen keine einfache Situation nach diesen Landtagswahlen, wir haben eine neue Konstellation im Hessischen Parlament und ich finde das Bemühen der SPD, Stillstand in Hessen nicht zuzulassen, ein richtiges. Herr Koch ist abgewählt, er bleibt jetzt geschäftsführend im Amt, aber er ist so eine Art König ohne Land. Die Verantwortung, die in Hessen von allen Parteien übernommen werden muss, und da stehen Sozialdemokraten bereit, ist es, dass in Hessen Politik gemacht wird, dass Probleme der Menschen gelöst wird und darum muss es jetzt gehen.

    Krohn: Herr Heil, sogar in der SPD räumt man ein, dass eine künftige Zusicherung Kurt Becks, nicht mit der Linken zusammenarbeiten zu wollen, nun wertlos ist. Was bedeutet das für Ihre Partei?

    Heil: Nein, das ist keine Zusicherung, das ist ein feste Überzeugung. Ich will auch sagen warum: Wir haben eine Situation, dass kein Mensch weiß, wie diese Linkspartei sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickelt und möglicherweise in Bundesländern auch sehr unterschiedlich, ich will darauf verweisen, dass es in Ostdeutschland ja auch ein paar Pragmatiker in diesem Laden gibt und ob die sich durchsetzen, bei dem bunten Haufen mit Sektierern und übrigens Dekapisten auch, das weiß man noch nicht. Auf Bundesebene ist aber klar, dass die Linkspartei nicht regierungsfähig ist, dass man keine Bundesregierung von ihr abhängig machen kann, das hat inhaltliche Gründe. Das hat was mit der internationalen Verantwortung Deutschlands zu tun, der sich diese Linkspartei nicht stellt, das hat was mit Wirtschafts-, mit Finanzpolitik, mit Sozialpolitik zu tun und deshalb ist das nicht irgendeine Zusage, sondern eine feste Überzeugung, und ich sage ganz klar, diese Truppe ist 2009 und auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig und deshalb wird es auch keine Koalition geben, alles andere wäre unverantwortlich.

    Krohn: Hat also der Zustand der SPD, von dem wir gesprochen haben, nichts zu tun mit einem Glaubwürdigkeitsproblem?

    Heil: Ich glaube, dass wir mal aufpassen müssen, dass in dieser Diskussion mit den Kategorien, die ja ein Kampfbegriff auch des politischen Mitbewerbers sind, ausgerechnet Herr Koch wirft der SPD Glaubwürdigkeitsmangel vor. Dass wir an diesem Punkt nicht kritiklos auch ständig in der öffentlichen Berichterstattung diesen Begriff angetragen bekommen. Die Sozialdemokratie hat aus der konservativen Ecke jedenfalls in Sachen Glaubwürdigkeit keine Belehrung notwendig.

    Krohn: Haben Sie denn ein Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber Herrn Koch oder gegenüber den Wählern?

    Heil: Nein, ich glaube, dass die SPD in Hessen richtig entschieden hat, zu sagen, wir wollen eine stabile Regierung auf die Beine stellen. Das ist legitim nach dem Wahlergebnis, wo wir dazu gewonnen haben, wo wir die gleichen Mandatsanzahl haben wie die Union im hessischen Landtag, den Anspruch zu haben, zu regieren und noch mal, da ist das vordringliche Bestreben eine Ampelkoalition. Es ist eine Minderheitsregierung erwogen worden, man hat festgestellt, dass es dafür keine Basis gibt und jetzt muss man gucken, wie es weiter geht und ich sage noch mal, das Beste in Hessen wäre eine stabile Regierung aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen.

    Krohn: ...die heute der Landesvorsitzende der FDP erneut ausgeschlossen hat.

    Heil: Ja, das habe ich auch festgestellt, ich sehe aber auch, dass in der Bundes-FPD die Diskussion sehr wohl losgeht. Und die hessische FDP muss sich schon fragen, wenn sie ständig vor Dingen warnt und Entwicklungen, ob sie sich Verantwortung entziehen kann, oder ob sie sich dauerhaft zum Stützrad macht. Es geht ja letztendlich auch um Inhalte und da sehe ich in der Landespolitik durchaus Schnittmengen, sowohl in der Bildungspolitik als auch in anderen Bereichen.

    Im Übrigen wäre es, glaube ich, eine spannende und auch lohnenswerte Aufgabe, zu gucken, ob das Ökologische, das Liberale und das Soziale zusammengefügt werden können. Insofern noch mal, da kann sich was bewegen, und wenn sich alles bewegt im Parteiensystem und die FDP ständig stehenbleibt, wird sie erleben, dass sie weiterhin draußen bleibt. Sie ist seit zehn Jahren auf Bundesebene in der Opposition, das wissen auch viele in der FDP, deshalb geht die Diskussion bei denen gerade erst los.