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Labor: Humor im Unterricht
Lachen hilft beim Lernen

Ist ein humorvoller Lehrer auch ein besserer Lehrer? Das kommt ganz auf die Art des Humors an. Der Lehrstuhl für Psychologie der Uni Augsburg hat Schüler und Lehrer befragt, verschiedene Formen des Humors herausgearbeitet und dabei erkannt: Es gibt durchaus einen Effekt aufs Lernen.

Von Michael Watzke | 25.07.2017
    Schüler sitzen am 10.02.2017 im Unterricht in der Grundschule in Amelgatzen (Niedersachsen). Die Grundschule Amelgatzen findet keinen Schulleiter. Die Grundschule Amelgatzen findet keinen Schulleiter. (zu dpa "Grundschulleitung - warum sollte das denn jemand machen?" vom 12.2.2017) Foto: Peter Steffen/dpa | Verwendung weltweit
    Aggressiver Humor verschlechtert die Lernleistungen von Schülern, statt sie zu erhöhen. Lerngegenstands-bezogener Humor wirkt am besten. (dpa / Peter Steffen)
    "So, guten Morgen, meine Lieben. Wir haben in der letzten Stunde über den "Genetivus objectivus" und den "Genetivus subjectivus" gesprochen. Was das genau ist, das erklärt mir jetzt bitte der Max anhand von diesem Bild hier."
    Latein-Unterricht am Münchner Luitpold-Gymnasium. Oberstudienrätin Dagmar Adrom lockert die komplizierte Materie mit einem Comic-Bild aus "Asterix und Obelix" auf. Zugegeben keine ganz neue Idee, aber die zwei Dutzend Siebtklässler vor ihr sind hellwach. "Asterix und Obelix bieten immer ein Bild oder einen Satz, ein Zitat, das man verwenden kann, um wissenschaftlichen Stoff zu verbinden mit einem lustigen Moment."
    Denn Humor hilft im Unterricht - das ist eine Binsenweisheit. Nur: welcher Humor funktioniert? Und welcher nicht? Sonja Bieg vom Lehrstuhl für Psychologie der Uni Augsburg hat rund 1.000 Schüler und Lehrer in 50 verschiedenen Gymnasialklassen befragt - am Anfang und am Ende des Schuljahres:
    "Wir haben aus Sicht der Schüler herausfinden wollen: Was macht eigentlich der Lehrer? Wie vermittelt der die Inhalte? Macht der mal einen Witz? Kann der Dinge lustig veranschaulichen? Macht der Späße über sich selber? Erzählt der irgendwelche Nonsens-Geschichten? Wie kommt das beim Schüler an? Was nehmen die davon wahr?"
    Von aggressiv bis selbstironisch
    Mithilfe der Fragebögen unterteilte Sonja Bieg vier Arten von Lehrer-Humor im Unterricht. Die schlechtesten Ergebnisse, so die Wissenschaftlerin, erzielte aggressiver Humor, etwa wenn sich ein Lehrer über Schüler lustig macht.
    "'Du hast 'ne Fünf, was auch sonst? War ja klar!' Wenn man eine Klassenarbeit zurückgibt ... Oder der Lehrer macht sich über den Kleidungsstil eines Schülers lustig. Gott sei Dank - da waren wir echt froh drüber - wird sehr wenig aggressiver Humor in der Schule angewandt. Das findet man nicht so häufig - aber es gibt ihn."
    Aggressiver Humor verschlechtert die Lernleistungen von Schülern, statt sie zu erhöhen. Ähnlich verhält es sich mit Lehrer-Humor, der nichts mit dem Unterrichtsthema zu tun hat. Also etwa Witze, die vom Lernstoff abschweifen. Reine Zeitverschwendung, sagt Sonja Bieg. "Die Schüler sind abgelenkt vom Stoff, erleben den Unterricht nicht mehr klar. Finden ihn auch gar nicht mehr interessant, weil sie denken: "Was soll das, was mir der Lehrer da gerade erzählt?" Das interessiert sie teilweise gar nicht. Und es wirkt auch nicht positiv auf die Lehrer-Schüler-Beziehung. Das hat uns total überrascht, das hätten wir nicht erwartet. Das war entgegen unserer Hypothesen."
    Etwas bessere Ergebnisse, so die Wissenschaftler, erzielt selbstironischer Humor, bei dem der Lehrer den Schülern zeigt, dass er oder sie sich selbst nicht zu ernst nimmt. Das stärkt die Lehrer-Schüler-Bindung. Allerdings funktioniert Ironie nur bedingt, glaubt Lateinlehrerin Dagmar Adrom vom Münchner Luitpold-Gymnasium.
    "Das kommt sehr aufs Alter an. Die Kleineren verstehen Ironie häufig noch nicht. Da muss man aufpassen. Die verstehen es konkret und direkt und kapieren nicht, wo da der Witz sein soll." Das bestätigt Unterstufenschüler Anton aus der 5.Klasse. Der Elfjährige findet: "Manchmal sind die Witze ein bisschen komisch, weil wir die nicht wirklich verstehen."
    "Die strengen Lehrer machen den Unterricht eher langweilig"
    Dabei mag Anton lustige Lehrer. Besondern gern seine Mathe-Lehrerin: "Sie macht ziemlich viele Witze. Letztens hatten wir eine Aufgabe mit Minions. Das hat sie wegen dem neuen Kinofilm gemacht. Wir sollten ein Baum-Diagramm mit vier verschiedenen Namen von Minions machen."
    Das ist laut Wissenschaftlerin Sonja Bieg genau die Art von Humor - und zwar die einzige -, die positive Lern-Ergebnisse erzielt. Die Forscher nennen das - etwas humorlos - Lerngegenstands-bezogenen Humor: "Lehrer, die diesen Lerngegenstands-bezogenen Humor einsetzen, machen aus Sicht der Schüler einen klareren Unterricht. Die erleben mehr Strukturiertheit im Unterricht. Der Unterricht wird als interessanter wahrgenommen. Und ganz wichtig: der Effekt aufs Lernen. Sie elaborieren den Lernstoff besser. Das heißt, sie können Verknüpfungen herstellen zwischen dem, was sie gelernt haben und dem, was sie neu dazulernen."
    "Ich finde, man lernt mehr, wenn der Unterricht etwas aufgelockert ist. Weil ich dann lieber in den Unterricht gehe, mit mehr Motivation, und sagt: cooler Lehrer." - "Die strengen Lehrer machen den Unterricht eher langweilig. Und die lustigen machen so lustige Aufgaben." - "Aber zu oft finde ich es dann auch nicht mehr witzig. Wenn der Lehrer denkt, er wäre alle zwei Minuten lustig. Ich finde, es sollte schon zum Thema passen, damit man drüber lachen kann."
    Das Forscher-Team der Universität Augsburg will nun - in einem zweiten Schritt - ein Unterrichts-Experiment durchführen. Dazu haben die Wissenschaftler Unterrichts-Filme erstellt, in denen ein Lehrer verschiedene Humorformen demonstriert. Sonja Bieg will auf diese Weise empirisch herausfinden, ob Schüler tatsächlich bessere Leistungen erzielen, wenn sie humorvolle Lehrer haben. Und sie will Lehrern konkrete Handlungsanweisungen geben. Denn Lerngegenstands-bezogenen Humor, so die Forscherin, könne man lernen.
    "Lehrer sitzen nachmittags zu Hause und planen ihren Unterricht. Und ich glaube, da kann man sich schon überlegen, an der einen oder anderen Stelle: Wo passt es? Fällt mir ein lustiges Beispiel ein? Kann ich eine lustige Aufgabenstellung finden, damit die Schüler motivierter sind? Das kann ich planen und mir auch Gedanken dazu machen. Dazu muss ich nicht der super-humorvolle Mensch sein."
    Aber eines möchte Sonja Bieg - ganz ohne Witz - noch klarstellen: "Man ist nicht nur dann ein guter Lehrer, wenn man mit Humor unterrichtet. Man kann auch einen super Unterricht ohne Humor machen."