Dienstag, 14. Mai 2024

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Letzte Sendung von Günther Jauch
Mit den harten Themen war er meist überfordert

Mit den weichen politischen Themen kam Günther Jauch gut klar, mit den harten dagegen nicht. In kontroverser Diskussionsführung ungeübt, politisch und historisch zu uninformiert, lag ihm das Menscheln immer mehr. Nach vier Jahren auf dem besten Talksendungsplatz hat Jauch nun aufgehört. Mehrwert und Erkenntnisgewinn brachte auch die letzte Sendung nicht.

Von Sigrid Fischer | 30.11.2015
    Günther Jauch in seiner Talkshow.
    Für ihn ist Schluss: Am Sonntagabend lief Günther Jauchs letzte Talkshow im Ersten. (dpa / Paul Zinken)
    "Wer ist da bitte? Mein Name ist Jauch, 'Wer wird Millionär', ist so ne Fernsehsendung – ach du dicke Minna."
    Das ist der beliebte Quizmaster und Millionärsmacher Günther Jauch am Montagabend im Privatfernsehen. Und das:
    "Guten Abend zum letzten Mal aus dem Gasometer in Berlin."
    Das war der Talkmaster und Journalistendarsteller Günther Jauch am Sonntagabend im Ersten. Gestern saß er etwas staatstragend da, im schwarzen Anzug mit dunkler Krawatte und nur einem Gast: Finanzminister Wolfgang Schäuble.
    In der RTL-Quizshow braucht Jauch seine Moderationskarten nur für die Einstiegsfrage, den Rest improvisiert er sich spontan und souverän, witzig und schlagfertig zusammen. Kein Thema, dem er nicht gewachsen wäre.
    "Glibschnase, Glubschauge, Flitschzunge oder Flutschfinger"
    Am Sonntagabend in der ARD dagegen klammerte er sich an seine Notizen, hangelte sich oft von Frage zu Frage. In kontroverser Diskussionsführung ungeübt, politisch und historisch zu uninformiert, lag ihm das Menscheln immer mehr.
    "Ihre Frau ist leider nicht dabei, sie kann nicht widersprechen, das nutzen Sie aber gerade doch aus."
    Ein angestrengter Gesichtsausdruck macht noch keinen guten Polittalker
    20 Jahre Stern-TV auf RTL, da bleibt was hängen: Mit den weichen Themen – Bildung, Gesundheit, Soziales, kam Günther Jauch klar. Mit den harten politischen war er meist überfordert, ob mit oder ohne pöbelnde AFDler in der Runde. Höhepunkt seiner journalistisch unbedarften Herangehensweise war die Sendung um Varoufakis Stinkefinger.
    "Stick the finger to germany and say: well, you can solve the problem by yourself."
    Ein Videozitat, vorsätzlich aus dem Zusammenhang gerissen, erweckte den Eindruck, der damalige griechische Finanzminister zeige den Deutschen den ausgestreckten Mittelfinger. Ausgerechnet die Satire hat den ARD-Fake sehr brillant entlarvt, Jan Böhmermann auf ZDF-NEO:
    "Liebe Jauch-Redaktion, Ihr habt das Video aus dem Zusammenhang gerissen und einen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen, damit sich Mutti und Vati abends nach dem Tatort noch mal schön aufregen können: Der Ausländer, raus aus Europa mit dem, er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg."
    Fotos in Hemdsärmeln und Redaktionskulisse mit angestrengtem Gesichtsausdruck auf der öffentlich-rechtlichen Webseite machen eben noch keinen kompetenten Polittalker.
    "Lutschkraken, Saughummer, Blaskrabben, Leckmuscheln"
    "Da kann ich jetzt weiterhelfen: Wir leben in einem Land, in dem Günther Jauch ungestraft die Berufsbezeichnung ‚Journalist' tragen darf."
    Gestern abend war der sichtlich bemüht, Kritiker wie den Kabarettisten Max Uthoff Lügen zu strafen, indem er, wie selten zuvor, mal nachhakte:
    "Auch wenn zu befürchten ist, dass sie wieder durchschnaufen – nur Mut, nur Mut."
    Kein Erkenntnisgewinn, kein Mehrwert
    Das angespannte Verhältnis zwischen Schäuble und Merkel in Sachen Flüchtlingspolitik sprach er mehrmals an, und schaffte es ein, zwei mal, sein Gegenüber zu nerven.
    "Das muss man nicht ernst nehmen, lassen Sie uns über was Vernünftiges reden."
    Trotzdem, Mehrwert und Erkenntnisgewinn, beides hat der ARD Programmbeirat bei Jauch schon 2012 vermisst, das brachte auch der gestrige Abend nicht. Aber: Bei nur einem Gast konnte immerhin die Gesprächsleitung nicht entgleiten.
    Günther Jauch wollte sich selbst den Journalisten unbedingt beweisen, und vielleicht auch seinem Vater, dem Journalisten Ernst Alfred Jauch, posthum. Aber ihn trifft wenig Schuld: man wird sich ja noch überschätzen dürfen. Und er korrigiert jetzt die Fehlentscheidung der quotenversessenen ARD, indem er geht. Mit einem letzten Versuch, Wolfgang Schäuble doch noch eine Neuigkeit zu entlocken.
    "Schließen Sie eine erneute Kandidatur für den Bundestag aus? – Ich hab gehört Sie wollen die Sendung nicht weiter machen, sonst könnten wir in zwei Jahren drüber sprechen."