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Leutheusser-Schnarrenberger fordert Geschlossenheit auf dem FDP-Parteitag

Auf dem Parteitag "müssen wir als Team in der FDP an der Spitze überzeugen", sagt die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bei der Vorratsdatenspeicherung müsse klar gemacht werden, dass es hier auch "um den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen geht", so die FDP-Politikerin.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Die FDP kämpft nach ganz schrecklichen Wahlergebnissen – zuletzt 1,2 Prozent im Saarland – um ihr Überleben. In Karlsruhe will sie sich Mut machen heute für die bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit einem Parteitag – ein schwieriges Unterfangen, über das wir jetzt mit der stellvertretenden Parteivorsitzenden und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprechen können.

    Martin Zagatta: Einen schönen guten Morgen, Frau Ministerin!

    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen!

    Zagatta: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, wenn man diese Woche in die Zeitungen blickt, dann scheinen Sie das zu haben, was Ihrer Partei offenbar fehlt, nämlich Glaubwürdigkeit. Auf der anderen Seite läuft nächste Woche die Frist der EU aus, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung endlich umzusetzen. Und weil Sie sich da nach wie vor sperren, sich mit der Union streiten, werden Sie da Deutschlands anstrengendste Ministerin genannt. Ist das ärgerlich oder macht Sie das stolz?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Eigentlich weder noch. Es ist meine Aufgabe als Ministerin und zwar des Koalitionspartners FDP, eben deutlich zu machen, dass es bei diesem schwierigen Thema Vorratsdatenspeicherung nicht nur auf der einen Seite um Strafverfolgung, sondern auch um den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen geht, und deshalb beziehe ich da klar Position. Und der Bürger, glaube ich, kann nachvollziehen, dass es gute Gründe gibt, endlich etwas zu tun, damit nicht immer weiter immer mehr Datenberge von ihm gespeichert werden.

    Zagatta: Die Frage ist ja, ob das der Koalitionspartner nachvollziehen kann. Innenminister Friedrich hat oder Sie haben Innenminister Friedrich im Streit um die Vorratsdatenspeicherung jetzt ja gerade eine Art Kriegserklärung vorgeworfen. Wieso fühlen Sie sich bedroht?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich fühle mich nicht bedroht, sondern es ist natürlich ein Wortspiel gewesen, aber Herr Friedrich hat einen Vorschlag in die Gespräche, die wir ja miteinander führen und auch führen müssen, eingebracht, der nun deutlich sogar noch über die bestehende Richtlinie hinausgeht und auch viele Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nicht berücksichtigt. Und das ist dann ja auch keine Grundlage für konstruktive Gespräche.

    Zagatta: Jetzt hat die Bundeskanzlerin Merkel eine schnelle Lösung angemahnt, muss sich da die Bundeskanzlerin jetzt einschalten, in diesen Streit?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Die Bundeskanzlerin weiß, dass Herr Friedrich und ich, wir beide, als Kabinettskollegen Gespräche führen. Wir haben unterschiedliche Ausgangslagen. Ich habe einen Vorschlag gemacht, der ja bei den IP-Adressen eine gewisse, für sieben Tage bestehende anlasslose Sicherung auch vorsieht, und es ist ja gerade der Aspekt, der auch immer von den Strafverfolgungsbehörden genannt wird. Damit erfährt man dann, wer steckt hinter einer IP-Adresse, man kann eine sogenannte Auskunft bekommen, wie beim Telefon, und das ist dann für die Strafverfolgung wichtig. Also von daher habe ich schon deutlich gemacht, da sehe ich auch die berechtigten Anliegen der Strafverfolgungsbehörden.

    Zagatta: Jetzt hat aber die Kanzlerin eine Richtlinienkompetenz und könnte Ihnen sagen, Sie müssen einlenken.

    Leutheusser-Schnarrenberger: In einer Koalition wird gemeinsam um die richtigen Ergebnisse gerungen, das ist nun mal so in einer Koalition. Und die Kanzlerin weiß, dass ich gerade auch als die Politikerin der FDP, die hier eine bestimmte Haltung hat, und zwar schon seit vielen, vielen Jahren, dass ich hier mit meinem Kollegen Friedrich verhandle und Gespräche führe. Wir haben das die Woche getan, und natürlich werden wir das auch weiter tun.

    Zagatta: Aber kein Ergebnis ist in Sicht. Ist das Verhältnis zwischen Ihnen und dem Innenminister ähnlich schlecht wie das zwischen Ihren Parteifreunden Philipp Rösler und Christian Lindner?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, das Verhältnis ist nicht schlecht, und mein Verhältnis auch mit Herrn Friedrich ist eines, dass wir wirklich auch in einem konstruktiven Klima über viele Themen reden, auch versuchen, Gemeinsames auf den Weg zu bringen, und das ist uns in dieser Koalition ja auch gelungen. Wir haben wirklich beim Terrorismusbekämpfungs-Ergänzungsgesetz einen vernünftigen Kompromiss gefunden, der eben nicht ein Weiter-so mit immer weiterer Strafverschärfung zu tun hatte. Von daher glaube ich, sieht man, dass hier die FDP, die eben auch gerade den Schutz der Privatsphäre im Auge hat und die Bürgerrechte eben auch bei allen Themen stark mit einbringt, sehr wohl auch mit dem Innenminister zu Ergebnissen kommen kann.

    Zagatta: Also Sie verstehen sich mit Herrn Friedrich unter Umständen besser als Ihre Parteifreunde Rösler und Lindner?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Herr Lindner und Herr Rösler verstehen sich, und ich führe mit Herrn Friedrich wirklich gute konstruktive Gespräche, auch über unsere eigenen nur Kompetenzbereiche hinaus, auch wenn ich beim Thema jetzt, Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union einzuführen, mehr an der Seite des CSU-Kollegen Herrn Weber bin, der auch da den eigenen Innenminister kritisiert.

    Zagatta: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, zu Ihrem Parteitag heute: Wenn jemand derart gescheitert ist wie Philipp Rösler, müssen Sie sich da jetzt ganz schön verbiegen, unseren Hörern dennoch zu sagen, der Mann ist der Richtige an der Spitze der FDP?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Philipp Rösler ist unser Parteivorsitzender, den wir gemeinsam gewollt haben auf dem Bundesparteitag im letzten Jahr, als er gewählt worden ist, und von daher wussten wir alle damals, dass wir in einer als FDP schwierigen Lage sind – gerade da, wo sich auch das Parteienspektrum massiv verändert, seien nur die Piraten genannt. Von daher verbiege ich mich überhaupt nicht, wenn ich sage, wir müssen hier als Team in der FDP an der Spitze überzeugen und wir müssen auch gerade hier in Karlsruhe Geschlossenheit zeigen.

    Zagatta: Aber die FDP hat doch im Moment offenbar nur dort Chancen, über die fünf Prozent zu kommen, wo die Spitzenkandidaten ganz klar auf Distanz zum Parteivorsitzenden Rösler gehen. Kann Ihnen das gefallen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben viele eigenständige Persönlichkeiten, das hat auch die FDP immer ausgezeichnet, in unserer Partei, und wir haben gute Wahlkämpfer in den jeweiligen Ländern, und da spielen natürlich auch länderspezifische Gegebenheiten eine ganz entscheidende Rolle. Und gerade heute der Parteitag gibt ja Herrn Kubicki und Herrn Christian Lindner noch mal eine ganz gute Plattform, die wir ganz bewusst als Parteiführung ja auch ihnen schaffen wollten und die sie heute auch nutzen werden.

    Zagatta: Was ist denn die herausragende Leistung der FDP in dieser Legislaturperiode, wenn Sie da jetzt Bilanz ziehen wollen? Die Steuersenkung für Hoteliers oder haben wir sonst etwas übersehen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, die Koalition hat sehr viel auf den Weg gebracht. Sie haben eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger seit Beginn der Koalition von über 160 Euro im Jahr, und zwar durch vielerlei Maßnahmen geschaffen. Aber wenn ich nur meinen Bereich nehme: Wir sind doch in dieser Koalition wirklich auch angetreten und machen eine auch in vielen Punkten moderne Netzpolitik. Hätte sich einer vorstellen können, dass wir die Internetsperren abschaffen, die vorher in der großen Koalition mit SPD geschaffen worden sind?

    Zagatta: Und das Ergebnis sind dann 1,2 Prozent bei Wahlen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Da kommen viele Dinge zusammen, und dass im Saarland es gerade besondere Ausgangssituationen gegeben hat bei den jetzt auch vorgezogenen Neuwahlen, gerade auch für die FDP, die dort in einer ganz schwierigen, auch personellen Lage war, das weiß man und das kann man nicht übertragen.

    Zagatta: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, falls Sie, falls die FDP jetzt wieder über fünf Prozent kommt, wie festgelegt ist denn Ihre Partei auf den Koalitionspartner Union, also ich sag mal im Bund, wäre eine Ampelkoalition, also ein Bündnis mit der SPD und Grünen für Sie da auch eine Alternative?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Im Bund haben wir jetzt die Koalition mit der Union, und da wollen wir bis 2013, bis zu den nächsten Bundestagswahlen, noch wirklich gute Ergebnisse zeigen, und da bin ich voll auch bei der Kanzlerin, dass ganz energisch die Energiewende vorangetrieben werden muss, wo wir ja sehen, dass in Nordrhein-Westfalen mit Rot-Grün wenig bisher vorangegangen ist, die sind da fast Schlusslicht. Von daher haben wir jetzt keinen Anlass, auf Bundesebene über irgendwelche Koalitionen zu spekulieren, aber dass im geänderten Parteienspektrum mit fünf oder sechs Parteien in einem Parlament, auch in Landesparlamenten sich dann möglicherweise neue Konstellationen ergeben, das ist ein Element dieser sich verändernden Parteienlandschaft.

    Zagatta: Aber auf Bundesebene ist ja die Vorratsdatenspeicherung jetzt nicht das einzige strittige Thema in der Koalition – da gibt es ja Praxisgebühr, da gibt es Betreuungsgeld –, können Sie denn noch ein gutes Jahr mit Partnern weitermachen, wie mit dem CSU-Politiker Uhl, der jetzt über Sie und die Vorratsdatenspeicherung sagt, die Leutheusser-Schnarrenberger ist hoch oben auf der Palme und kommt nur im freien Fall wieder runter?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Herr Uhl geht immer gern mit solchen Bildern um, ich hab mich inzwischen auch einfach daran gewöhnt, dass er seine eigenen Positionen da einnimmt. Das ist natürlich nicht der Ton, mit dem wir sonst in der Koalition miteinander umgehen, da pflege ich mit Herrn Friedrich eine andere Sprachweise.

    Zagatta: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Ministerin, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch!

    Leutheusser-Schnarrenberger: Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.