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LKW können "irgendwann die Physik nicht mehr überwinden"

Quergestellt auf der Autobahn, liegengeblieben an einer roten Ampel: LKW-Fahrer haben es trotz spezieller Reifengummi-Mischungen zurzeit nicht leicht, sagt Heiner Rogge - und fordert einen "professionellen Winterdienst".

Heiner Rogge im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 21.12.2010
    Tobias Armbrüster: Lastwagenfahrer haben im verschneiten Deutschland zurzeit keine besonders gute Presse, denn die LKW fallen vor allem dadurch auf, dass sie im Schnee liegen bleiben, sich auf glatter Fahrbahn quer stellen und so unter anderem unsere Autobahnen verstopfen. Ganz klar: Viele Lastwagen kommen mit dem Schnee nicht zurecht. In vielen Bundesländern werden deshalb vorübergehende Fahrverbote für Lastwagen ausgesprochen und es werden schon Stimmen laut, die eine strengere Winterreifenpflicht fordern, außerdem Tempolimits und ein Überholverbot für LKW in den Wintermonaten. – Darüber wollen wir jetzt sprechen mit Heiner Rogge, er ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes. Einen schönen guten Morgen, Herr Rogge.

    Heiner Rogge: Guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Rogge, warum bleiben so viele Lastwagen bei Schnee und Eis liegen?

    Rogge: Sie können unter bestimmten Bedingungen in winterlichen Verhältnissen einfach die Physik nicht überwinden. Die Fahrzeuge sind ja mit Winterreifen ausgerüstet, nicht nur auf den Antriebsachsen. Die Reifen von LKW sind ja andere als die Reifen von PKW, weil sie eine ganz andere Gummimischung haben und sowieso ein grobkörniges Profil haben, sodass sie eigentlich darauf ausgerüstet sind, aber wenn sie das Gewicht dann auf den Fahrzeugen haben, kommen sie an bestimmten Steigungen einfach nicht weiter. Das ist so und da kann man eigentlich den Fahrern nur empfehlen, das sagen wir unseren Unternehmern auch, da muss man versuchen, auf den nächsten Parkplatz zu fahren und sich dann entsprechend zu verhalten. Wenn man Schneeketten dabei hat, könnte man möglicherweise weiterfahren. Aber ich verstehe schon auch den Ärger von PKW, wenn sie dann hinterher nicht mehr weiterkommen, weil die Autobahn durch liegen gebliebene Fahrzeuge verstopft ist.

    Armbrüster: Sie haben jetzt schon, Herr Rogge, die Winterreifenpflicht angesprochen. Da haben sich ja viele Leute in diesen Tagen verwundert die Augen gerieben. Vorgeschrieben sind bei LKW tatsächlich Winterreifen nur auf den Antriebsachsen, nicht auf den Lenkachsen. Ist es denn nicht eigentlich klar, wenn man an der Antriebsachse einen Winterreifen tut, aber gelenkt wird immer noch mit einem normalen Reifen, dass dann der LKW ganz einfach irgendwann verrutscht auf der Straße?

    Rogge: Man muss bei den LKW immer danach schauen, was sind denn auch die Einsatzbedingungen dieser Fahrzeuge. Ich sagte ja gerade, die LKW-Reifen an sich, die normalerweise Ganzjahresreifen sind, haben eine andere Gummimischung, sodass die übliche Regel, die man als PKW-Fahrer hört, dass die Winterreifen bei Temperaturen unter sieben Grad besser sind als die Sommerreifen, für den LKW so nicht gilt. Wichtig ist ...

    Armbrüster: Heißt das, Herr Rogge, wenn ich Sie da kurz unterbrechen darf, dass man eigentlich die Winterreifenpflicht gar nicht gebraucht hätte, dass die Reifen sowieso gut genug sind, alle Reifen an den LKW für den Winter?

    Rogge: Ich denke, dass mit verbesserten Reifen sicherlich auch noch verbesserte Ergebnisse zu erzielen sind, auch auf LKW, gar keine Frage, aber ich sagte vorhin auch bereits, wenn sie dann an bestimmten Steigungen sind und die Fahrzeuge sind voll beladen, dann können sie irgendwann die Physik nicht mehr überwinden und dann gilt eigentlich für uns – und das empfehlen wir auch gegenüber den Fahrern -, versuchen sie, auf den nächsten Parkplatz zu fahren und abzuwarten, bis sich die Verkehrsverhältnisse verbessert haben.

    Armbrüster: Wie wäre es, für solche Straßen, wo es besonders steil hoch geht, mit einer Schneekettenpflicht?

    Rogge: Darüber muss man in Deutschland an sich auch nachdenken, dass man dann – das sagen wir auch -, ähnlich wie in Alpenregionen, sagt, hier muss die entsprechende Ausrüstung dann da sein, damit man dann entsprechend auch mit Schneeketten versucht, weiterzufahren, oder besser noch wirklich dann abzuwarten, bis sich die Verkehrsverhältnisse so verbessert haben, dass man auch wieder ohne Risiko für sich und auch für andere weiterfahren kann.

    Armbrüster: Ich will noch mal kurz auf die Winterreifen zu sprechen kommen. Der grüne Verkehrspolitiker Winfried Hermann, der sieht bei dieser Regelung, dass Speditionen, dass LKW nur an den Antriebsachsen Winterreifen benötigen, einen Erfolg der Lobbyisten. Ist das tatsächlich ein Erfolg für Ihren Verband, dass sozusagen nur an der Hälfte der LKW-Reifen ein Winterreifen vorgeschrieben ist?

    Rogge: Dazu kann ich Ihnen mit Fug und Recht sagen, das haben wir nie gefordert, sondern wir stellen uns auch den Verhältnissen und wir stellen uns gerade auch den technischen Verhältnissen.

    Armbrüster: Aber sie sparen ja eine Menge Geld dadurch?

    Rogge: Wenn sich dadurch noch eine Verbesserung der Verkehrssicherheit ergeben kann, dann sind wir in keiner Weise dagegen. Dass wir hier versucht hätten, den Verkehrsminister zum Einlenken zu bewegen, das ist ein Wintermärchen.

    Armbrüster: Aber sie sparen eine Menge Geld damit, 3500 bis 4500 Euro, habe ich gelesen, pro LKW?

    Rogge: Ja, gut, aber wir lassen uns nicht auf eine Diskussion ein, Geld gegen Sicherheit, sondern wenn Sicherheit dadurch verbessert werden kann, dann stellen wir uns dem. Wie gesagt, wir sind nicht diejenigen, die hier sagen, an der Technik muss gespart werden, um hier, sage ich mal, bessere Geschäfte zu machen.

    Armbrüster: Jetzt fordert die Gewerkschaft der Polizei ein Tempolimit für Lastwagen bei Schnee und Eis, außerdem in den Wintermonaten ein generelles Überholverbot. Was halten Sie davon?

    Rogge: Wir waren immer der Auffassung, dass man hier selektiv vorgehen muss. Das heißt Überholverbote da, wo auch aus Gründen der Verkehrssicherheit das geboten ist. Wir haben ja schon an vielen Stellen auf deutschen Autobahnen entsprechende Überholverbote, vor allen Dingen auch in bergigeren Verhältnissen. Das ist schon gegeben. Und natürlich ist jeder Verkehrsteilnehmer je nach Verkehrssituation und Verkehrsverhältnissen ja angehalten, seine Geschwindigkeit entsprechend anzupassen, oder eben auch auf die Rastplätze zu fahren, um hier kein Risiko einzugehen, und wir haben es gestern in den Fernsehnachrichten ja auch gesehen, dass viele LKW-Fahrer das ja auch getan haben, oder auch tun mussten, aber damit auch sehr einverstanden waren.

    Armbrüster: Ist es denn in Ordnung, wenn jetzt einfach Fahrverbote für LKW verhängt werden, so wie das in den vergangenen Tagen in vielen Bundesländern geschehen ist?

    Rogge: Wenn das aus Verkehrssicherheitsgründen notwendig ist, dann werden wir uns dagegen auch nicht wehren. Man muss sich das natürlich immer sehr selektiv ansehen und dann muss man auf die Situation auch reagieren. Wenn es sich um temporäre Verbote handelt, wird man sich aus Gründen der Sicherheit dagegen nicht wehren können. Es war ja nun nicht so schlimm. Wenn es sich jetzt um Tage handeln würde, dann würden natürlich tatsächliche Versorgungsengpässe bestehen. Wir hatten auch gestern schon die Befürchtung, dass beispielsweise die Enteisungsmittel für Flugzeuge nicht mehr angeliefert werden konnten, weil einige Flughäfen schon total leer waren.

    Armbrüster: Herr Rogge, da klingt jetzt überall heraus, Sie sind sehr verständnisvoll, was diese ganzen Forderungen der Politik angeht. Aber trotzdem: Viele Leute, die auf den Straßen unterwegs sind, können davon berichten, dass Autobahnen blockiert werden von LKW, dass LKW sozusagen die Straßen dichtmachen. Haben da möglicherweise die LKW-Fahrer einiges nicht verstanden?

    Rogge: Dass der eine oder andere da vielleicht zu locker mit umgegangen ist, will ich sicherlich nicht bestreiten. So ist das im menschlichen Leben. Wir vermissen aber manchmal auch einen durchaus professionelleren Winterdienst. Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Ich war in der vergangenen Woche in München, die Autobahn war frei, sie war fast trocken, aber man kam nicht mehr nach München rein, weil selbst die Hauptverkehrsstraßen von der Stadt München nicht gekehrt waren, nicht vom Eis und Schnee befreit waren. Da machen sich auch viele Kommunen das Leben sehr, sehr einfach, indem sie einfach per Satzung erklären, wir machen nur noch eingeschränkten Winterdienst, oder fast überhaupt keinen mehr, und dann entstehen natürlich auch diese Probleme. Wir zahlen ja nun auch gerade über die LKW-Maut fünf Milliarden Euro pro Jahr in den Topf ein und dann können wir doch sicherlich mit Fug und Recht auch erwarten, dass hier entsprechend auf Verkehrsverhältnisse mit einem professionellen Winterdienst auch reagiert wird.

    Armbrüster: Herr Rogge, haben Sie den Eindruck, dass in diesem Jahr auf deutschen Straßen weniger geräumt und weniger gestreut wird als in vorhergegangenen Wintermonaten?

    Rogge: Ich habe zumindest den Eindruck, dass die Gebietskörperschaften, Länder und Kommunen, aus dem letzten Winter nichts gelernt haben und sich auf diesen Winter nicht vorbereitet haben, denn sonst könnte es ja nicht sein, dass in vielen Bereichen bereits das Salz ausgegangen ist und einfach nichts mehr gemacht werden kann.

    Armbrüster: ... sagt Heiner Rogge, er ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes, hier heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Besten Dank, Herr Rogge, für das Gespräch.

    Rogge: Auf Wiederhören!

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