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"Man ist vorsichtig, was die Verlässlichkeit angeht"

Der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann, hat die Neubewertung des Afghanistan-Einsatzes durch die Bundesregierung kritisiert. Man dürfe nicht beliebig und einseitig das UNO-Mandat neu definieren.

Ernst Dieter Rossmann im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: 850 zusätzliche Soldaten, eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe und Eingliederungsprogramme für Taliban-Kämpfer, das sind grob gesagt die Eckpunkte der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung. Für diese Strategie braucht die Regierung ein neues Mandat des Bundestages. Das könnte sie, wenn nötig, mit ihren eigenen Stimmen bekommen; sie will aber möglichst viele Mitglieder der SPD-Fraktion mit ins Boot holen. Am Vormittag hat der Bundestag über dieses neue Mandat beraten.

    Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Ernst Dieter Rossmann. Er ist Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion. Schönen guten Tag, Herr Rossmann.

    Ernst Dieter Rossmann: Schönen guten Tag!

    Armbrüster: Können Sie dem neuen Mandat der Bundesregierung zustimmen?

    Rossmann: Dazu will ich erst einmal noch mehr dazu hören, es auch in allen Einzelheiten begreifen. Wichtige Eckpunkte, die die SPD über Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel in die Diskussion gebracht haben, tauchen ja wieder auf, aber es besteht noch keine Notwendigkeit, jetzt schon ja oder nein zu sagen. Die SPD befasst sich damit, der Parteivorstand wird sich damit noch befassen und wir werden dann unmittelbar vor der Verabschiedung des Bundestages ja auch in der Fraktion dazu dann klipp und klar Stellung zu nehmen haben. Ich sehe gute Ansätze, aber die letzte Prüfung bei einer solchen wichtigen Frage, die behalten wir uns als Abgeordnete noch vor.

    Barenberg: Was sind denn für Sie noch die Knackpunkte?

    Rossmann: Was mich etwas irritiert ist, dass es das eine gibt, nämlich einen Text, der jetzt in die Debatte vom Kabinett aus beschlossen gebracht wird, und an anderer Stelle ja auch, wie wir heute in der Parlamentssitzung erlebt haben, verbale Erklärungen darum herum, um was für einen Charakter es sich dort handelt. Der Außenminister hat anders, als es bisher über internationale Vereinbarungen festgelegt war, eine neue Bewertung als militärischer Konflikt in die Debatte gebracht, und das hat Auswirkungen. Das hat Auswirkungen auf die Rechtsverpflichtungen, unter denen Soldaten stehen, und all solche Dinge müssen dann auch sehr, sehr klar am Ende sein und dürfen jetzt nicht nachträglich noch in die eine oder andere Richtung verschoben werden. Das gleiche gilt darüber, dass Frank-Walter Steinmeier gesagt hat, wir bestehen auf einem gemeinsamen Korridor, zu dem dann auch ein Abschluss des militärischen Engagements erreicht werden soll, und auch dazu kann es bis zur Verabschiedung des Mandates noch die eine oder andere Veränderung geben, und deshalb muss dort noch mehr Klarheit geschaffen werden.

    Barenberg: Ich will noch mal gerade auf diese Neubewertung dieses Einsatzes zu sprechen kommen. Die Bundesregierung spricht jetzt von einem bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts. Teilen Sie diese Neubewertung?

    Rossmann: Ich bin da kein Jurist. Ich sehe nur, dass man nicht beliebig und einseitig das, was ganz klares UN-Mandat ist und UN-Recht und –Setzung ist, versuchen darf umzudefinieren. Wenn man als normaler Abgeordneter dort nicht Experte in Rechtsfragen ist, wird man trotzdem hellhörig, was damit gemeint sein könnte. Deshalb brauchen wir dort noch Klarheit und nicht klammheimliche Umdefinitionen in der einen oder anderen Richtung.

    Armbrüster: Aber die Bundesregierung will ja ganz offenbar Klarheit für die Soldaten schaffen. Sie sollen jetzt unter dem Kriegsvölkerrecht stehen und nicht mehr unter dem deutschen Strafrecht. Ist das nicht eigentlich im Sinne auch der SPD?

    Rossmann: Es ist im Sinne der SPD, dass dort das internationale UN-Mandat den Maßstab abgibt, und mit diesem internationalen UN-Mandat muss man sich mit den anderen Partnern im von der UNO beauftragten Mandatssinne bewegen. Das kann auch nicht einseitig so oder anders verändert werden und die Maßstäbe, unter denen deutsche Soldaten sich dort verhalten (schwierig genug), sich zu verhalten und zu bewähren haben, dürfen auch nicht verschoben werden. Deshalb noch mal an der Stelle die zwei Wochen, die für uns alle sehr wichtig sind, zur Prüfung und auch zur Klarstellung.

    Ich will gerne hinzusetzen, dass es ja auch sonst Veränderungen gegeben hat, die einen hellhörig machen. Der jetzige Verteidigungsminister hat vor langer Zeit noch von über 2500 Soldaten gesprochen, die er bräuchte; jetzt sind es deutlich weniger. In dem Sinne darf man an der Stelle sagen okay, es hat sich in unsere Richtung hin bewegt. Aber wenn dort die wichtigsten politisch Verantwortlichen derart wechselhaft in ihren Positionen sind, wie es der Verteidigungsminister ist – und das haben wir bei ihm ja schon an mehreren Stellen erlebt -, dann ist man vorsichtig, was die Verlässlichkeit und auch die Gradlinigkeit mit angeht. Deshalb noch mal an dieser Stelle: Da wird nichts vorschnell zugesagt, sondern das muss sorgfältig geprüft werden, es muss noch erläutert werden. Wir haben unsere Anforderungen dazu genannt und so wird die gesamte SPD-Fraktion dieses erst unmittelbar vor der abschließenden Beratung im Parlament zusammen bewerten.

    Armbrüster: Herr Rossmann, die grobe Strategie der Bundesregierung sieht ja vor, erst die Truppen verstärken und damit die Voraussetzung zu schaffen für einen Abzug. Teilen Sie diese Logik?

    Rossmann: Das ist in dem Sinne eine Übernahme von Frank-Walter Steinmeiers Gedanken, der gesagt hat, zehn Jahre nach dem 11. September ist dort nicht mehr an erster Stelle Terroristenjagd, El Kaida und anderes angesagt; das ist Stabilisierung und es ist auch anzustrebende autonome Sicherheitsgarantie in Afghanistan selbst angesagt mit Verstärkung des zivilen Aufbaus, mit Verstärkung der zentralen Elemente Polizei, Verwaltung, Justiz, eigenes Militär in Ausbildung angesagt, es ist auch angesagt, sich zu verabschieden. Heute hat er es im Parlament noch mal auf den Punkt gebracht, dass wir dort nicht eine über Jahrhunderte gewachsene europäische Demokratie in ganz kurzer Zeit erwarten dürfen. Deshalb ist das richtig, diese Strategie so anzulegen. Wir haben dort in vielen Elementen Übereinstimmung. Deshalb ist auch nicht ausgeschlossen, dass die SPD diese Linie am Ende auch zusammen mitträgt. Aber die Zweifel, die müssen noch beseitigt werden.

    Armbrüster: Der Bundestag hat heute in erster Lesung das neue Afghanistan-Mandat der Bundesregierung beraten. Wir sprachen darüber mit Ernst Dieter Rossmann, er ist Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Rossmann, und einen schönen Tag noch.

    Rossmann: Herzlichen Dank, auf Wiederhören, Tschüß.