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"Man schützt diejenigen, die Schwarzgeld anlegen"

Die Schweiz hat Haftbefehl gegen drei deutsche Steuerfahnder erlassen. Der SPD-Politiker und nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans sieht darin eine "Belastung der Gespräche" über ein Steuerabkommen.

Moderation: Mario Dobovisek | 03.04.2012
    Mario Dobovisek: Da schäumten sie kräftig, die Wogen im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz, als der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die Schweiz eine Steueroase nannte und die Eidgenossen selbst mit Indianern verglich. Das war vor drei Jahren.

    Peer Steinbrück: "Die 7. Kavallerie im Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten lassen. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt, und wenn das alleine schon Nervosität hervorruft, ja dann kommt da ja richtig Zug in den Kamin."

    Dobovisek: Und die Kavallerie sei längst ausgeritten, sagte Steinbrück erst vor einem Monat im Deutschen Bundestag. – Am Telefon begrüße ich Norbert Walter-Borjans von der SPD, Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen!

    Norbert Walter-Borjans: Guten Morgen, Herr Dobovisek.

    Dobovisek: Um im Bild zu bleiben, Herr Walter-Borjans - schießen die Indianer jetzt mit Giftpfeilen zurück?

    Walter-Borjans: Also ich bin ja bei den früheren Geschichten dieser Art immer eher auf der Seite der Indianer gewesen. Insofern bin ich da ganz unverdächtig. Ich weiß nicht, ob das jetzt eine Art Revanche ist. Es ist nur eine Belastung der Gespräche, die wir gerade führen – das muss man auf der einen Seite sagen -, und ich finde, es ist am Ende auch nicht das Signal, das zumindest in den letzten Monaten die Schweiz auch immer aussenden wollte, nämlich Sie wissen, dass in der Schweiz von einer Weißgeld-Strategie gesprochen wird, man will eben nicht mehr identifiziert werden mit der Anlage von Schwarzgeld. Wenn man dann aber jetzt einen solchen Schritt macht, bei dem deutlich wird, man schützt diejenigen, die Schwarzgeld anlegen und man macht die zu Tätern, die bisher den Schwarzgeldanlegern hinterhergegangen sind, dann, finde ich, müssen wir da runter. Wir müssen auf eine neue Form oder auf die alte gute Form der Zusammenarbeit.

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    Dobovisek: Die Schweizer Behörden sagen, es handele sich um Datendiebstahl, um Wirtschaftsspionage, da sei die Rechtslage eindeutig. Selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble pflichtet den Ermittlern bei. Warum also die Aufregung?

    Walter-Borjans: Na ja, Wolfgang Schäuble hat mittlerweile, glaube ich, auch etwas relativiert, was er in der ersten Reaktion gesagt hat. Das fände ich ehrlich gesagt auch nicht gut zu ertragen, wenn wir mit so unterschiedlichen Stimmen reden würden. Es geht hier um Handeln und ...

    Dobovisek: Patrick Döring von der FDP schießt heute noch mal nach und sagt das gleiche.

    Walter-Borjans: Ja die FDP schießt im Moment immer, wenn es darum geht, an irgendeiner Stelle Restwählerschaft ausfindig zu machen. Das muss man einfach im Moment so sehen. Aber ich finde, wir reden hier von deutschen Fahndern, die ihren Job machen. Die haben eine Art Polizeifunktion. Und wenn die in einer Gegenreaktion mit Haftbefehlen belegt werden, dann ist das kein gutes Zeichen. Wir haben die Täter und Opfer, das sind hier, glaube ich, sehr definierte Kreise. Diejenigen, die hier Täter sind, sind die, und es sind ja keine Schweizer. Wir reden davon, dass Deutsche, die hier Bildung, Infrastruktur, innere Sicherheit, all diese Dinge in Anspruch nehmen, dann, wenn es um das Bezahlen der Rechnung geht, ihr Geld ins Ausland schaffen, die das Bezahlen der Rechnung den Ehrlichen überlassen. Die müssen die Lücken mitfüllen, die sie reißen. Und dass wir ein Interesse haben, die ausfindig zu machen und zu sagen, liebe Leute, ihr müsst euch an der Finanzierung beteiligen und da lassen wir euch auch nicht raus, das ist, glaube ich, eine sehr nachvollziehbare Angelegenheit.

    Dobovisek: Aber noch einmal zurück ganz kurz zu den drei Ermittlern, die jetzt mit einem Haftbefehl versehen worden sind. Was haben die drei aus Nordrhein-Westfalen konkret zu befürchten und vor allen Dingen wer schützt sie?

    Walter-Borjans: Zunächst mal ist es so, dass den dreien ja vorgeworfen wird, dass sie nicht einfach nur Daten-CDs gekauft haben sollen, sondern sie sollen dazu angestiftet haben, und da sage ich erst mal ganz deutlich, es gibt keinerlei Anweisung von der nordrhein-westfälischen Landesregierung, überhaupt von den deutschen Finanzverwaltungen, dass andere uns Daten beschaffen sollen, sondern wir gehen Hinweisen nach und das werden wir auch weiter tun, solange wir kein dichtes Abkommen haben, das das verhindert. Und ansonsten ist es so, dass wir natürlich auf allen Ebenen jetzt unsere Mitarbeiter, unsere Beamten schützen. Das nordrhein-westfälische Justizministerium hat sich an das Bundesjustizministerium gewandt. Wir reden hier in der Tat ja von einer Geschichte, die zwei souveräne Staaten betrifft. Insofern brauchen wir da natürlich auch die Unterstützung der Bundesregierung, die erwarten wir dann auch.

    Dobovisek: Und tut der Bund genug?

    Walter-Borjans: Wir sind noch im Gespräch und wenn dann solche Kommentare kommen, dass man in gewisser Weise auch Verständnis für die andere Seite hat, ist das jetzt nicht gerade sehr hilfreich. Aber ansonsten haben wir ja auch beim Kauf dieser CDs immer in hoher Übereinstimmung gehandelt. Ich möchte darauf hinweisen, das war immer abgestimmt und wir bezahlen auch diese Datenträger immer gemeinsam.

    Dobovisek: Und auch nicht besonders hilfreich für die laufenden Verhandlungen um das gemeinsame Steuerabkommen. Die stecken in der heißen Phase, stottern mehr oder weniger vor sich hin. Anfang 2013 soll das Abkommen eigentlich in Kraft treten. Hat das Abkommen überhaupt noch eine Chance?

    Walter-Borjans: Ich finde, dass zwischen zwei mitteleuropäischen Staaten es kein Geschäftsmodell sein sollte, dem anderen oder den Steuerhinterziehern in einem Staat anzubieten, im anderen eine Fluchtburg zu finden. Deswegen brauchen wir Vereinbarungen. Ich bin der letzte, der gegen eine kräftige, gute, wirksame Vereinbarung wäre. Das einzige ist, wir sind im Moment in Gesprächen, weil wir deutlich machen, da wird im Augenblick eine Vereinbarung unterstützt, bei der diejenigen, die über Jahre lang Beute gemacht haben, nun einen Teil dieser Beute abgeben müssen, um eine Garantie dafür zu bekommen, dass sie straffrei bleiben.

    Dobovisek: Wir sprechen da über eine Amnestieregelung, um das einmal deutlich zu machen, für Steuersünder, für frühere Steuersünder, die sich mit, sagen wir, 19 bis 34 Prozent freikaufen können.

    Walter-Borjans: Genau.

    Dobovisek: Was ist daran für Sie nicht ausreichend?

    Walter-Borjans: Weil derjenige, der über Jahre dem Gesetz entsprechend seine Steuern bezahlt hat, am Ende viel mehr bezahlt hat als der, der jetzt dann amnestiert würde, und das ist eben nicht der Sinn einer Amnestie. Wir müssen einen Schlussstrich ziehen, das finde ich richtig, wir müssen zu einem Abkommen kommen, das ist auch richtig. Aber dass wir noch an dieser Stelle einen Nachbesserungsbedarf sehen, das sieht jeder, der sich etwas tiefer mit diesem Abkommen beschäftigt. Und deswegen glaube ich nach wie vor daran, dass wir beide ein Interesse haben sollten. Ich kenne mittlerweile eine Reihe von Stimmen aus Schweizer Banken, die sagen, es ist für uns schwer, dass wir in Deutschland Firmenkunden bekommen, weil wenn die auf dem Briefbogen eine Schweizer Bankverbindung stehen haben, dann sagen die, dann steht da immer schon ein bisschen im Hintergrund, irgendwas mit den Steuern stimmt nicht. Daran kann die Schweiz kein Interesse haben.

    Dobovisek: Herr Walter-Borjans, was konkret fordern Sie bezüglich der Amnestieregelung? Wie viel muss ein früherer Steuersünder zahlen, damit Sie zufrieden sind von der SPD?

    Walter-Borjans: Wir sind jetzt in einer Größenordnung, die die Schweiz geboten hat, von 21 Prozent. Wenn man das einmal überträgt auf einen Erben, der sein Geld in die Schweiz gebracht hat – und wir reden hier nicht von 50.000 Euro, sondern von zweistelligen Millionenbeträgen -, dann hätte der mit einer Besteuerung von bis zur Hälfte zu rechnen gehabt. Und wenn das hinterzogen worden ist und derjenige anonym bleiben will, dann muss man diesen ungünstigen Fall annehmen, weil jeder anschließend, wenn er falsch behandelt worden ist, sich seinem Finanzamt offenbaren kann und sagen kann, hier sind meine Daten und ich werde so besteuert, wie ich eigentlich besteuert werden müsste. Also es muss in Richtung 50 Prozent gehen - wir haben allerdings auch schon natürlich ausgelotet, wo möglicherweise noch Kompromisslinien liegen -, und es muss auch in die Zukunft gerichtet sicher sein, dass nicht wieder neue Schlupflöcher aufgemacht werden.

    Dobovisek: Da Sie die Zukunft jetzt aktiv erwähnen, ist es nicht auch lohnend, nur in die Zukunft zu schauen? Die Schweizer bieten immerhin eine Ertragssteuer, eine Kapitalertragssteuer von 25 Prozent an - das ist genauso viel wie in Deutschland -, sind aber auch gleichzeitig nicht bereit, weitere Zugeständnisse zu machen, das haben die Schweizer in den letzten Tagen sehr deutlich gemacht, sind sogar bereit, das Abkommen ganz scheitern zu lassen. Sind Sie das auch?

    Walter-Borjans: Man muss, wenn man hart verhandelt, immer natürlich auch mit dem Scheitern von Verhandlungen kalkulieren. Das Risiko muss man eingehen, wenn man ein gutes Ergebnis haben will. Ich will ein gutes Ergebnis haben und ich weiß, dass auch die Schweizer Seite daran interessiert ist. Der Schweizer Botschafter besucht die Finanzminister der Länder, die Bankiersvereinigung der Schweiz besucht die Finanzminister der Länder. Das täte die Schweiz nicht, wenn sie nicht ein Interesse daran hätte, ein Abkommen zu haben. Und insofern ist das Interesse von beiden Seiten gegeben und solange das von beiden Seiten da ist, gibt es auch Raum für Verhandlungen.

    Dobovisek: Sie, Herr Walter-Borjans, haben gesagt, sollte das Abkommen platzen, würden Sie auch weiter Steuer-CDs kaufen. Ist das nicht auch ein bisschen ungeschickt, in diesen Verhandlungen so etwas auf den Tisch zu legen?

    Walter-Borjans: Die Schweiz verhandelt im Augenblick bei dem Abkommen immer noch auf Lücke. Es geht immer noch darum, darüber zu reden, ab wann denn überhaupt Straftäter, Steuerhinterzieher verfolgt werden können, wie lange sie noch Zeit haben, ihr Kapital aus der Schweiz fortzuschaffen auf Konten in anderen Steueroasen, und man muss als Verhandler dann auf der anderen Seite natürlich sagen, in dieser Zeit müsst ihr damit rechnen, dass wir natürlich anderen Informationen nachgehen, weil sonst hat man auf dieser Seite keine Verhandlungsmacht. Und das ist einfach der Punkt, dass wir sagen, wir haben ja auch höchstrichterlich immer wieder bestätigt, und ich sage noch mal, gemeinsam, Bund und Länder, uns auf diese Daten berufen, wenn es darum ging, Steuerhinterziehung zu ermitteln, zu erkennen, und diese Möglichkeit dürfen wir uns nicht nehmen, solange wir nicht ein Abkommen haben. Wir wollen aber ein anständiges Abkommen.

    Dobovisek: Der Sozialdemokrat und Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Norbert Walter-Borjans. Vielen Dank für das Gespräch.

    Walter-Borjans: Ja, gerne.

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