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Markus Beckedahl
"US-Konzerne werden sich dafür einsetzen, dass es weniger Datenschutz in Europa gibt"

Das Datenschutz-Abkommen mit den USA werde nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sicher neu verhandelt, sagte der Netzaktivist Markus Beckedahl im DLF. Allerdings betrieben US-Konzerne bereits Lobbying bei EU-Instanzen und der Bundesregierung, um auf EU-Ebene weniger Datenschutz durchzusetzen.

Markus Beckedahl im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Es war ein 28 Jahre junger Mann, der einfach nicht locker ließ. Der österreichische Jurastudent Max Schrems wollte nicht akzeptieren, dass Facebook seine persönlichen Daten, die er längst gelöscht hatte, in großen Datenbanken in den USA speicherte, worauf die US-Geheimdienste einfachen Zugriff haben. Deswegen wollte er von den obersten europäischen Richtern in Luxemburg wissen, ob Facebook Europa, das seinen Sitz in Irland hat, die Daten einfach in die USA transferieren und dort speichern darf, oder ob sich das Unternehmen an den strengeren EU-Datenschutz halten muss. Das Urteil aus Luxemburg halten viele für bahnbrechend.
    Wir suchen nun fachlichen Beistand bei Markus Beckedahl, der in seinem Internet-Blog Netzpolitik.org seit Jahren über die Informationsgesellschaft berichtet. Guten Abend, Herr Beckedahl.
    Markus Beckedahl: Guten Abend.
    Spengler: Begrüßen Sie das Urteil, oder sind Sie skeptisch, weil es ja doch den freien Internet-Verkehr einschränken könnte?
    Beckedahl: Ich begrüße sehr das Urteil, weil der Europäische Gerichtshof hat jetzt in der dritten Entscheidung in Folge unsere Datenschutzrechte in der EU auf Basis der europäischen Grundrechtscharta gestärkt, und das ist ein gutes Signal. Das macht mir Hoffnung, dass wir vielleicht doch noch mal ein bisschen mehr Durchsetzung unserer Datenschutzrechte erleben werden.
    "Das Safe-Harbor-Abkommen war aus europäischer Sicht schlecht verhandelt"
    Spengler: Es heißt, 80 Prozent aller europäischen Daten landen irgendwann auf Servern in den USA. Welche Unternehmen speichern denn vor allem dort?
    Beckedahl: Ja das sind natürlich vor allen Dingen die großen Datenriesen, Facebook, Google, Apple, Microsoft, Yahoo und Co., also die ganzen amerikanischen Großkonzerne, die vor allen Dingen davon profitiert haben, dass das Safe-Harbor-Abkommen aus europäischer Sicht so schlecht verhandelt war und die auch ausnutzen konnten, dass unsere europäischen Unternehmen sich an unsere hiesigen Gesetze und Standards halten mussten und die USA das einfach versprachen, aber sich nicht daran gehalten haben. Wenn man sich anschaut, dass in Deutschland Google teilweise 93 Prozent der Internet-Nutzer als Kunden hat, dann ist eigentlich fast jeder betroffen.
    Spengler: Wird für uns, die wir da fast alle betroffen sind, das Leben nun schwerer durch das Urteil?
    Beckedahl: Nein. Davon gehe ich jetzt erst mal nicht aus. Wir werden es wahrscheinlich gar nicht bemerken, ebenso wie wir jetzt gerade gar nicht bemerken, dass unsere Daten dann größtenteils in den USA gespeichert werden, sodass wir jetzt nicht bemerken, wenn dann US-Geheimdienste und Sicherheitsbehörden einfach so ohne richterliche Kontrolle darauf zugreifen und diese Daten analysieren. Insofern werden wir als Nutzer wenig bemerken und wir lassen uns mal überraschen.
    Spengler: Aber einen Nachteil hat es für all die Firmen, die in irgendeiner Weise geschäftlich mit den USA zu tun haben. Für die besteht jetzt eine Menge Rechtsunsicherheit, oder nicht?
    Beckedahl: Ja die große Frage ist jetzt im Moment, ob tatsächlich Rechtsunsicherheit auf uns zukommt. Ich finde, es ist erst mal mehr Rechtssicherheit, dass geklärt wurde, dass dieses aus europäischer Sicht sehr schlecht verhandelte Abkommen endlich mal ad acta gelegt werden könnte. Immerhin muss man ja sagen, vor 15 Jahren, als Safe Harbor beschlossen wurde, versprachen die USA uns europäischen Bürgern und unseren europäischen Politikern, dass unsere Datenschutzstandards selbstverständlich in den USA eingehalten und respektiert werden. Mittlerweile wissen wir nicht erst 15 Jahre später, dass das eine glatte Lüge war, dass quasi diese ganze Verhandlungsbasis gar nicht da war, und insofern denke ich, das führt eher zu mehr Rechtssicherheit aus europäischer Sicht.
    "Das Safe-Harbor-Abkommen wird neu verhandelt"
    Spengler: Nun gibt sich ja Facebook trotz des Urteils ganz gelassen. Es sei gar nicht davon betroffen, hat es verlauten lassen, und daraus muss man doch schlussfolgern, dass jetzt nicht etwa der Transfer persönlicher Daten in die USA einfach gestoppt wird. Was wird denn genau dieses Urteil bewirken?
    Beckedahl: Dieses Urteil wird bewirken, dass das Safe-Harbor-Abkommen neu verhandelt wird, dass die EU-Kommission relativ schnell sich mit der US-Regierung an einen Tisch setzt, um zu schauen, ob sie irgendwie einen neuen Verhandlungsstand hinbekommen. Und gleichzeitig haben wir auf der EU-Ebene die Debatte um die Datenschutzgrundverordnung. Dass heißt, zeitgenössische Regeln zu schaffen. Auch hier sehen wir ein massives Lobbying der US-Regierung und von US-Unternehmen auf EU-Instanzen, aber auch auf zum Beispiel die Bundesregierung. Die sich dann auf EU-Ebene im Rahmen dieser Datenschutzdebatte dafür einsetzt, dass wir weniger Datenschutz bekommen.
    Spengler: ... meint Markus Beckedahl, Journalist und Internet-Blogger. Das Interview mit ihm haben wir am frühen Abend aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.