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Zehn Jahre Finanzkrise
Offenbar nichts daraus gelernt

Im Londoner Bankenviertel scheint zehn Jahre nach der Finanzkrise wieder vieles beim alten zu sein. Als sei nie etwas geschehen. Kritiker befürchten deshalb schon, das es wieder zu einer ähnlichen Krise kommen könnte. Nur das dieses Mal die globalen politischen Rahmenbedingungen ganz anders seien.

Von Anne Demmer | 14.09.2018
    Die Luftaufnahme von London zeigt unter anderem die Tower Bridge, den Finanzdistrikt und die Themse.
    Der Finanzdistrikt von London. (picture alliance / dpa / Dominic Lipinski)
    Canary Wharf – ein Bürokomplex in den ehemaligen Docklands im Londoner Osten: Riesige gläserne Banken-Hochhäuser ragen in den Himmel: Citibank, Morgan Stanley, HSBC. In der Bank Street 25, dort wo vor zehn Jahren die Londoner Dependance von Lehman Brothers residierte – prangen heute die silbernen Buchstaben der europäischen Zentrale der amerikanischen Investmentbank JP Morgan. Eine junge Frau im bordeauxfarbenen Kostüm läuft vorbei. An den 15. September 2008 erinnert sich Tanja noch genau.
    "An dem Tag habe ich einen neuen Job angefangen, hier in Canary Wharf im Finanzdistrikt."
    Sie arbeitet als Rezeptionistin. Sie hat gesehen, wie die Mitarbeiter an diesem Tag, das Bankgebäude ganz blass durch die Drehtüren verlassen haben – mit persönlichen Dingen in einer Kiste unter dem Arm.
    "Sie sahen schon alle sehr deprimiert aus, hilflos. Es war ihnen anzusehen, dass sie Panik hatten. Es hat lange gedauert, drei Jahre würde ich sagen, bis die Stimmung sich hier wieder entspannt hat."
    Als sei nie etwas geschehen
    Zehn Jahre später scheint es so, als sei nie etwas geschehen. Männer und Frauen in weißen und hellblauen Hemden, mit Handy am Ohr reden vor sich hin, wollen sich aber öffentlich lieber nicht an die Tage erinnern. Simon Ewins im gestreiften Stickpulli - nicht in der Bankenbranche tätig - wie er betont, war zu dem Zeitpunkt in Kolumbien.
    "Aber viele meiner Freunde arbeiteten damals als Investmentbanker. Sie waren fassungslos. Selbst 10 Jahre später ist es ja immer noch für den Laien schwierig zu verstehen, was da genau passiert ist. Drei von diesen Freunden haben damals auch ihren Job verloren. Jetzt arbeiten sie aber wieder in der Finanzbranche. Es ist so interessant, wie schnell Menschen vergessen. Es ist einfach dieses neoliberale System, es geht einfach um permanentes Wachstum und Profit."
    Der damalige britische Premierminister Gordon Brown reagierte mit einem Bankenrettungspakt in Höhe von 500 Milliarden Pfund, als Antwort auf die Finanzkrise, um die Wirtschaft wieder flüssig zu machen.
    Probleme nicht gelöst
    "Wir haben damals die Probleme identifiziert und Maßnahmen ergriffen – auch noch in den Jahren 2009 und 2010. Doch dann wurde die Branche wieder selbstgefälliger. Und ich habe das Gefühl, wir schlafwandeln in die nächste Krise. Es fehlt in der Finanzwelt an Führung. Und wenn die nächste Krise kommt und sie wird kommen, dann werden wir monetär zu einem vergleichbaren Manöver nicht in der Lage sein. Die Bereitschaft würde es dafür auch nicht geben."
    Die größten Probleme seien nicht gelöst. Es fehle nach wie vor ein funktionierendes globales Frühwarnsystem, erklärt Gordon Brown. Die Forderungen nach weniger statt mehr Regulierung werden wieder lauter. Zudem habe sich das globale Gefüge verändert.
    "2008 und 2009 haben die Länder alle zusammengearbeitet – es gab einen gemeinsamen Kurs, man hat sich nicht gegenseitig die Schuld zugewiesen. Jetzt leben wir in einer anderen Zeit: Es wird auf Protektionismus gesetzt, es gibt Handelskonflikte. Die Länder würden im Fall einer Krise nicht mehr miteinander kooperieren."