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Amateurfußball
Chaos in der Kreisliga

Die Landesverbände im DFB ringen seit Wochen um die richtige Entscheidung im Amateurfußball: Saisonabbruch oder Saisonfortsetzung? Wegen des Streits droht ein bundesweiter Flickenteppich mit ganz unterschiedlichen Auswirkungen auf die Clubs.

Von Thorsten Poppe |
Eine Spielszene aus einem hessischen Kreisliga-Spiel zwischen dem FC Buedesheim gegen Victoria Heldenbergen.
In den Amateurligen droht Chaos, weil sich die Landesverbände nicht auf eine Lösung zur weiteren Saison einigen können (imago images / Patrick Scheiber)
"Jetzt ausgebremst zu werden, ungeschlagen als Tabellenerster, das liegt greifbar nah, ist schwierig!
Trainer Tobias Busse spricht offen aus, was er und seine Mannschaft sich wünschen: Den Aufstieg mit dem FC an der Fahner Höhe aus der Verbandsliga in die Oberliga sportlich zu packen. Darüber konnten die Vereine im Thüringer Fußballverband in den letzten Tagen abstimmen und haben sich mit einer knappen Mehrheit für die Saisonfortsetzung ab September ausgesprochen. Sofern Kontaktsport in dem Bundesland von den zuständigen Behörden dann wieder erlaubt ist.
In Bayern wird ab September weiter gespielt
Der Nachbarfußballverband in Bayern hat sich ebenfalls für eine Saisonfortsetzung ab September ausgesprochen. Der Geschäftsführer des Bayerischen Fußballverbandes Jürgen Igelspacher hat diese Entscheidung schon Anfang Mai hier im Deutschlandfunk folgendermaßen begründet:
"Wir halten die Fortführung der Saison ab 01. September 2020 für den sportlich fairsten und auch den rechtssicheren Weg. Dann werden die sportlichen Fragen dort geklärt, wo das aus unserer Sicht richtig ist. Nämlich auf dem grünen Rasen und nicht am Richtertisch. So sehen nicht nur wir das, sondern auch mehr als zwei Drittel der bayerischen Vereine, die das in einem Meinungsbild zum Ausdruck gebracht haben."
Der Badische Fußballverband bricht ab
Doch damit stehen Bayern und Thüringen fast alleine da, die meisten der anderen Verbände bevorzugen den Saisonabbruch. Dazu haben sich z.B. die drei Fußballverbände Baden-Württembergs entschlossen. Einer davon ist der Badische Fußballverband, dessen Präsident Ronny Zimmermann das Prozedere für den Abbruch der Spielzeit erklärt. Stichtag dafür sei die Wertung des letzten absolvierten Spieltags:
"Dabei kommt es dann aber halt leider zu dem Begleiteffekt, dass Klubs eine unterschiedliche Anzahl von Spielen absolviert haben. Und da wär es aus unserer Sicht ungerecht, wenn ein Klub beispielsweise noch zwei Spiele weniger hat und dadurch schlechter gestellt wird. Deshalb wird quasi ermittelt, wie viele Punkte pro Spiel der tatsächlich gespielten Spiele jemand erzielt. Und das ist dann sauber, fair, und mathematisch auch korrekt. Das wäre dann eben die Quotienten-Regelung."
Im Fußballverband Mittelrhein ist es kompliziert
Diese Variante bevorzugen die Fußballverbände, die den Saisonabbruch empfehlen werden bzw. schon so entschieden haben. Wie kompliziert sich der Weg dorthin in den einzelnen Fußballverbänden darstellt, verdeutlicht das Beispiel des Fußballverbands Mittelrhein.
Hier haben sich die Klubs durchgesetzt, die eine Saisonfortsetzung bevorzugen. Knapper kann es dabei nicht zugehen, am Ende haben wohl nur eine oder zwei Stimmen den Ausschlag gegeben. In Prozent: 50,14 zu 49,86!
Wegen dieser äußerst knappen Entscheidung ist es sogar zu einem Offenen Brief gekommen, in denen der Vorwurf einer möglicherweise unzulässigen Beeinflussung einzelner oder mehrerer Vereine durch den Fußball-Verband Mittelrhein laut geworden ist.
Kehrtwende nach Laschet-Entscheidung
Doch als plötzlich mitten in dieser heftigen Diskussion der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet, verkündete, dass Kontaktsport und damit auch Fußballspiele ab Ende Mai wieder möglich sein könnten, machte der FVM eine komplette Kehrtwende. Dessen Präsident Bernd Neuendorf sagt dazu:
"Dass man angesichts dieser einmaligen Situation durchaus zu unterschiedlichen Auffassungen kommen kann. Denn für die jüngste Situation gibt es überhaupt keine Blaupause. Es gab ja auch sehr gute Gründe für die Fortsetzung, viele Vereine haben uns das auch attestiert. Jetzt haben sich die Rahmenbedingungen verändert und verschoben und dann muss man ganz pragmatisch damit umgehen. Das haben wir getan und uns letztlich für den Abbruch der Saison ausgesprochen."
Die Aussicht, die kommende Saison 2020/2021 wieder ganz normal spielen zu können, hätte dafür auch den Ausschlag gegeben, ergänzt er. Damit ist der FVM seinen benachbarten Fußballverbänden wie Westfalen gefolgt.
Auf- und Abstiegsregelungen sind entscheidend
Und es drohen auch keine unterschiedlichen Spielkalender mehr, die sich bei Saisonfortsetzung des FVM sonst ergeben hätten. Dann wäre es in der Regionalliga West zu größeren Problemen gekommen, weil der eine Verband die letzte Saison noch zu Ende gespielt und Aufsteiger ermittelt hätte, während die neue Spielzeit in der Regionalliga schon angelaufen wäre. Bernd Neuendorf, der Präsident des FVM, sagt dazu:
"Wir hätten bei der Fortsetzung der Saison genau einen Übergang regeln müssen und zwar den von der Mittelrheinliga zur Regionalliga, das ist korrekt. Auch dafür hatten wir auch schon Überlegungen angestellt, wie man diese Frage lösen könnte. Mit der neuen Empfehlung auf Abbruch, die Ende Juni noch offiziell vom Verbandstag bestätigt werden muss, ist diese Frage ohnehin hinfällig."
Chaos droht in Thüringen
Anders ist das in Thüringen und seinen benachbarten Fußballverbänden. Hier droht Chaos, wenn sich Mannschaften mit unterschiedlichen Spielkalendern schon ab der Oberliga treffen werden.
Der DFB verweist dazu auf die Eigenständigkeit seiner Landesverbände und darauf, dass ab der übernächsten Saison 2021/2022 für alle wieder gemäß Rahmenterminkalender die gleichen Saisondaten gelten würden.