Archiv

Neue Messgeräte für die Erdbebenforschung
Am Grunde des Bebens

Häufig gehen Erdbeben von Verschiebungen von Erdplatten im Meer aus. Um besser zu verstehen, was genau an den Plattengrenzen am Meeresboden passiert, werden Forscher im November und Dezember dieses Jahres vor der nordchilenischen Küste erstmals Messgeräte ausbringen, die die Bewegungen des Meeresbodens bis auf einige Millimeter genau messen können.

Von Tomma Schröder |
    Das Tiefseeforschungsschiff "Sonne" liegt während seiner offiziellen Indienststellung am Bontekai in seinem Heimathafen Wilhelmshaven.
    Die Messgeräte werden mit dem Tiefseeforschungsschiff "Sonne" vor die nordchilenische Küste gebracht. (dpa / picture alliance / Ingo Wagner)
    Was immer sich an Land bewegt, lässt sich mittlerweile über GPS recht genau beobachten. Doch was am Meeresboden vor sich geht, bleibt dem Global Positioning System verborgen. Denn unter Wasser können sich die Funksignale nicht ausbreiten. Für Erdbebenforscher aber sind gerade die Bewegungen dort von großer Bedeutung. Befinden sich doch viele Plattengrenzen, an denen Erdbeben zu erwarten sind, unter Wasser. Heidrun Kopp vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel hat mit ihren Kollegen daher ein neues Gerät entwickelt, das den Meeresboden nicht mithilfe elektromagnetischer, sondern mit Schallwellen vermessen soll. GeoSea Array heißt es und besteht aus mehreren Teilen:
    "Die eigentlichen Messinstrumente sind kleine etwa 80 Zentimeter lange Titanzylinder, dort sitzt die ganze Elektronik drin. Und diese 80 Zentimeter langen Zylinder montieren wir auf einem Dreibein aus Stahl, wir sprechen von einer Tripode. Und diese Stahltripode hat eine Höhe von vier Metern. Die Höhe ist deshalb notwendig, weil die einzelnen Geräte, diese 35 Geräte im Netzwerk, sich ja gegenseitig - ich sage mal mit Anführungsstrichen - "sehen" können müssen. Das heißt, der Laufweg zwischen zwei Stationen muss frei sein, sodass Schallwellen von einer Station zur nächsten direkt hinlaufen können."
    Gebiet von etwa acht Quadratkilometern erfasst
    Alle zwei Minuten senden die Geräte einen Ton aus, der von den anderen Stationen empfangen wird. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Schallwellen durch das Wasser ausbreiten, ist bekannt. Die Zeit, die sie brauchen, um von einem zum anderen Gerät zu kommen, wird gemessen. Die Strecke kann daraus schließlich berechnet werden. Ändern sich diese errechneten Abstände zwischen den Messgeräten, so lassen sich daraus die Bewegungen der Bodenplatten ablesen - bis auf einige Millimeter genau. Insgesamt wird durch ein solches Messnetz ein Gebiet von etwa acht Quadratkilometern rund um die Plattengrenze erfasst, erklärt Heidrun Kopp. Die Seismologin würde ihr neues Gerät gerne vorführen, aber die Techniker und Logistiker waren fleißig und haben das meiste für den nächsten Einsatz vor der chilenischen Küste bereits verpackt.
    Kopp: "Hallo Torge! Können wir noch was sehen im Container? Ich habe gesehen, du hast den gerade zugemacht..."
    Techniker: "Da sind nur so Gewichte drin."
    Kopp: "Ja, alles andere habt ihr schon - zack und weg, ne?"
    Techniker: "Da! Der ist das!"
    Kopp: "Alles klar. Gehen wir uns den angucken."
    Warnzeichen für zukünftige Beben erkennen?
    Der Techniker deutet auf einen geöffneten Container, der bis oben mit Stahlgestänge gefüllt ist. Es sind die vier Meter hohen Gestelle, an denen die eigentlichen Messgeräte später montiert werden. Die Massen an Stahl sehen schon an Land recht gewichtig aus. Doch wie bekommt man die von einem schaukelnden Schiff sicher auf den Meeresboden?
    "Man steht da an Bord des Schiffes und überlegt sich: Oh, vier Meter hoch, wie kriege ich das Ding denn überhaupt über die Bordwand rüber? Da wird ja doch sehr viel Stahl, sehr viel Metall bewegt. Natürlich werden die mit einem Kran über die Seitenwand gehoben und abgesetzt. Da haben wir aber gleich die nächste Problematik, die uns also jetzt schone seit über einem Jahr ganz intensiv beschäftigt hat: Wie garantieren wir, dass dieses Stahldreibein aufrecht ankommt und dann auch nicht umkippt? Das ist in der Eckernförder Bucht, wo wir das ausprobiert haben, relativ einfach. Da haben wir Wassertiefen um die 25 Meter."
    Doch auch für größere Wassertiefen haben Kopp und ihr Team nun mit zusätzlichen Gewichten, Auftrieben und Sensoren ein Verfahren entwickelt, das zumindest bei den ersten Testmessungen vor der türkischen Küste in 800 Metern Wassertiefe gut funktioniert hat. Vor Nordchile geht es nun noch einmal etwa 4.000 Meter weiter in die Tiefe. Dafür erhofft sich Heidrun Kopp auch einen wertvollen Datenschatz. Ganz gleich, ob und wann es zu einem großen Beben dort kommen wird, könnte das GeoSea Array dabei helfen, erstmals genaue Daten zu den Bewegungen an der Plattengrenze zu erhalten. Vielleicht lassen sich darin dann auch Warnzeichen für zukünftige Beben erkennen.