Archiv

Neue Prognose
De Maizière rechnet mit 800.000 Asylanträgen

Die Bundesregierung hat ihre Flüchtlingsprognose noch einmal nach oben korrigiert: Bundesinnenminister Thomas de Maizière geht davon aus, dass in diesem Jahr insgesamt 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland einreisen werden - viermal so viele wie im vergangenen Jahr. Bisher hatte das zuständige Bundesamt mit 450.000 Menschen gerechnet.

    Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) präsentiert am 19.08.2015 in Berlin die neue Prognose für Flüchtlingszahlen in Deutschland.
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die neue Asylprognose vorgelegt. (afp / John Macdougall)
    Nach Angaben des Ministeriums ist der deutliche Anstieg vor allem auf ein "dramatisches Plus" im Juni und Juli zurückzuführen. Allein im vergangenen Monat seien nahezu 83.000 Menschen nach Deutschland eingereist. Die Zahlen für August würden vermutlich noch darüber liegen. "Die Entwicklung ist eine Herausforderung für uns alle", sagte de Maizière. Das Ministerium verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder mit rund 45.000 Plätzen erschöpft seien.
    Umstieg auf realistischere Schätzungen
    Für die aktuelle Hochrechnung wurde erstmals nicht mehr nur die Zahl der Asylanträge, sondern auch die Zahl der Ankommenden erfasst. Zwischen beiden Zahlen zeigte sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums eine zunehmende Diskrepanz, die unter anderem durch zeitliche Verzögerungen zustande kommt. Außerdem reisen manche Flüchtlinge nach ihrem Erstaufenthalt in Deutschland weiter, sodass sie keinen Asylantrag stellen. Weil aber alle registrierten Flüchtlinge zunächst in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden müssen und daher Kosten für die Länder verursachen, ist das neue Schätzungssystem dem Ministerium zufolge realitätsgerechter.
    Vor Bekanntgabe der neuen Prognose forderte die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) im Deutschlandfunk, die Erstaufnahme vollständig in die Hände des Bundes zu geben. Die Aufnahme solle "komplett in bundeseigenen Liegenschaften", "mit bundeseigenem Personal" geschehen. Die Bundespolizei könne dann bei der Passbeschaffung behilflich sein und gegebenenfalls die Rückführung der Flüchtlinge organisieren. Derzeit fällt die Erstaufnahme in den Verantwortungsbereich der Länder.
    Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern im Erstaufnahmelager in der Lkw-Garage der Bayernkaserne in München.
    Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern harren der Dinge im Erstaufnahmelager in der Lkw-Garage der Bayernkaserne in München. (dpa / picture-alliance / Peter Kneffel)
    Zahl übersteigt Höchstwert aus dem Jahr 1992
    Das Bundesinnenministerium teilte ebenfalls mit, dass bis Ende Juli rund 218.000 Menschen um Asyl gebeten haben – 124 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist mit dieser Situation seit langem überlastet. Bund und Länder wollen sich in den kommenden Wochen zu weiteren Spitzenrunden treffen, um Maßnahmen zu beraten.
    Einigkeit besteht darüber, dass die Verfahren verkürzt und abgelehnte Asylbewerber schneller in ihre Heimatländer zurückgeführt werden sollen. Zudem sollen mehr Erstaufnahmeeinrichtungen entstehen. Auch eine stärkere finanzielle Unterstützung des Bundes für Länder und Kommunen soll Thema der Beratungen sein.
    Im Jahr 1992 hatte Deutschland mit rund 440.000 Asylanträgen den bisherigen Höchststand erreicht. Danach gingen die Zahlen stark zurück - auch wegen verschärfter Asylgesetze. In den Jahren 2006 bis 2009 lag die Zahl der Asylanträge nur noch bei etwa 30.000. Seitdem sind die Zahlen aufgrund der vielen weltweiten Krisen aber wieder deutlich angestiegen. 2013 gab es in Deutschland etwa 127.000 Asylanträge, ein Jahr später gut 200.000 - und in diesem Jahr nun bis zu viermal so viel.
    (tj/sima)