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Neues Album von The xx
Melancholisch-düsterer Gesang

Minimalistische und reduzierte Instrumentierung, dazu melancholisch-düsterer Gesang: Das ist der spezielle Klang, der The xx groß gemacht hat. Doch der große Erfolg hat das Trio auch eingeschüchtert. Mit dem neuen Album "I See You2 wagt sich The xx einen Schritt heraus.

Von Dennis Kastrup | 14.01.2017
    Jamie XX (Jamie Smith), Bandmitglied von The xx beim Barclaycard British Summer Time Festival im Londoner Hyde Park im Juli 2016
    Jamie XX, Bandmitglied von The xx. Auf der Bühne spielen, Interviews geben, im Mittelpunkt stehen sind Dinge, die im Gegensatz zu ihrer Musik stehen. (imago/Landmark Media)
    Nicht alle Kommentare in sozialen Netzwerken sind fragwürdig. Manchmal treffen sie auch den Nerv. Ein User schreibt zum Beispiel auf der offiziellen Facebook Seite von The xx über die neue Single "On Hold":
    "Klingt mir ein bisschen zu viel nach Jamie xx Solo. Nette Musik, aber nicht The xx."
    Das neue Album "I See You" klingt in der Tat sehr stark nach dem Einfluss von Jamie xx. Sein gefeiertes Debütalbum von 2014 war eine moderne, elektronische Produktion voller eklektischer Sounds. All das findet man nun eben auch bei The xx. Für Oliver Sim ist das aber kein Problem. Im Gegenteil:
    "Wir haben ihn damals aus dem Publikum heraus solo auf der Bühne gesehen. In einigen Songs hörten wir dann unsere Stimmen als Samples. Da hatte ich immer das Gefühl: "So will ich das auch haben! Wir wollen möglichst bald wieder mit ihm da oben stehen können."
    "Wir wollten uns nicht in Gedanken verstricken"
    Mit dieser Begeisterung ausgestattet begann die Arbeit an dem neuen Album des Trios.
    "Wir wussten, dass wir uns dieses Mal wesentlich stärker öffnen wollten, und dass wir London verlassen würden. Ziel war es, die Aufnahmen weniger exklusiv und wohl behütet zu gestalten. Wir wollten andere Leute in die Entstehung der Platte einbeziehen und ihnen unsere Demos vorspielen, auch wenn die Aufnahmen noch nicht perfekt waren. Und wir wollten uns nicht in so Gedanken verstricken: "Wie klingen The xx? Was ist typisch für The xx? Können wir dieses Sample in diesem Song verwenden? Oder würden The xx das nicht tun?" Das Loslassen hat sehr viel Spaß gemacht."
    Haben sich The xx auf den beiden Alben davor noch mit reduzierter Instrumentierung hinter ihrer Schüchtern- und Unsicherheit versteckt, so steht die Band jetzt selbstsicherer vor ihren Fans. Das haben sie unter anderem in dem Song "Brave For You" thematisiert: "I werde für dich mutig sein und auf die Bühne gehen!"
    Schauen dem Publikum direkt in die Augen
    Auch der Albumtitel "I See You" drückt das gewonnene Selbstbewusstsein aus: Kopf hoch! Dem Publikum wird jetzt direkt in die Augen geschaut. Besonders für den introvertierten Jamie XX ist das eine neue Erfahrung.
    "Wir beschreiben, was mit uns in den letzten Jahren geschehen ist. Wir haben uns wesentlich besser kennengelernt und wollten verstehen, was den anderen verletzt und wo unsere Unterschiede liegen. So konnten wir letztlich enger zusammenwachsen. Der Titel "I See You" hat viele verschiedene Bedeutungen. Es geht auch darum, das Publikum wahrzunehmen. Und er bezieht sich auf andere Beziehungen und Freundschaften. Aber unterm Strich geht es darum, andere Menschen zu verstehen."
    Ortswechsel
    Die Wahl der verschiedenen Studios für die Aufnahmen hatte auch einen Einfluss auf das Album. Der Vorgänger "Coexist" wurde über mehrere Monate in einem kleinen, dunklen Zimmer in London eingespielt. Jetzt haben sie sich Texas, Reykjavik, Los Angeles, Calif und London als Standorte ausgesucht.
    "Es hat uns auf jeden Fall geholfen, an Orten zu sein, wo nicht viel passiert, wie etwa im texanischen Marfa. Die meiste Zeit haben wir aber im Studio verbracht. In Island haben wir schon Vulkane, Wasserfälle und schwarze Strände besucht. Das hat uns definitiv inspiriert. Aber es war auch toll, einfach nur herumzufahren und gemeinsam Musik und Radio zu hören. Das hat uns sehr viel gegeben und unsere Arbeit in den jeweiligen Studios beeinflusst."
    Besonders Sängerin Romy Croft hat sich von einem Ortswechsel beeinflussen lassen. Sie hat längere Zeit im sonnigen Kalifornien verbracht.
    "Sie ist nach Los Angeles gegangen und hat sich in der dortigen Pop Maschinerie umgeschaut. Sie wollte Pop Songs schreiben. Man schreibt dort aber nicht unbedingt für einen speziellen Künstler, sondern geht mit einem Unbekannten in einen Proberaum. Der ist vielleicht auf Melodien oder Texte spezialisiert, und dann heißt es einfach nur: "Sing! Los, sing einfach! Es kann totaler Quatsch sein. Fang einfach an!" Das ist eine Art Instant-Popwriting."
    Die Vorliebe der Band zum großen Pop lässt sich zum Beispiel an dem benutzen Sample eines Hall & Oaks Songs erkennen. Dazu kommen die gewohnt butterweiche Stimme von Oliver Sim und der klare Gesang von Romy Croft, beides Merkmale des typischen "The xx" Sounds. An manchen Stellen kann man zwar noch die Melancholie der Vorgänger-Alben erkennen, doch die gepaart mit den von Jamie XX erworbenen Produzentenfähigkeiten macht "I See You" zu einem guten und reifen Pop Album!