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Niederlande
Eisschnelllauf als Erfolgsgarant

Bei den Olympischen Spielen in Sotschi katapultierten die niederländischen Eisschnelllauf-Stars ihr Land unter die Top Ten der Wintersport-Nationen. An den Erfolg will man nun in Pyeongchang anknüpfen - und hofft nach Sanktionen gegen russische Eisschnellläufer sogar unter die besten drei zu kommen.

Von Klaus Blume | 20.01.2018
    Der Niederländer Sven Kramer beim Worldcup 2016 in China.
    Der Niederländer Sven Kramer beim Worldcup 2016 in China. (dpa/picture alliance/ Zhang Lu)
    Es gibt Tage in den Niederlanden, an denen der Eisschnelllauf sogar die Politik überholt. Wie am 3. März 2017, als Ministerpräsident Mark Rutte die Sitzung seines Ministerrates gleich dreimal unterbrach, auf das dieser die Live-Reportagen von den Weltmeisterschaften aus Norwegen verfolgen konnte. Aus Erfahrung klug, setzte Rutte letzten Freitag keine allzu wichtige Konferenz mehr an. Denn er wähnte seine Minister mit ihren Gedanken ohnehin in Erfurt, beim Weltcup der Eisschnellläufer. Immerhin ging‘s dort um die Olympia-Equipe für Pyeongchang, und somit auch ums Aufrücken unter die drei stärksten Wintersport-Nationen der Welt.
    Wie bitte? Holland und Wintersport? Zur Erinnerung: Allein die Eisschnellläufer katapultierten bei den Spielen 2014 in Sotschi die Niederlande auf Medaillen-Platz sechs - also immerhin einen Rang vor Deutschland. Weil den Russen aber wegen Dopings nun eine Medaille nach der anderen aberkannt wird, liebäugeln die profitierenden Niederlande künftig sogar mit Platz drei. Wirkt die russische Doping-Affäre da vielleicht als Katalysator für die Entwicklung des Eisschnelllaufs in den Niederlanden?
    "Sanktionen gegen die russischen Eisschnellläufer können nicht viel bringen"
    "Nein, das würde ich nicht so sagen. Die Holländer haben zwar ein paar Gute natürlich Jahr für Jahr, aber im Moment stockt es ein bisschen. Da können auch Sanktionen gegen die russischen Eisschnellläufer nicht viel bringen. Aber sie sind im Shorttrack auf dem Vormarsch und im Eisschnelllauf ist es so, dass das richtig große Megatalent Antoinette de Jong bei den Damen ist. Dann gibt es noch Patrick Roest und Marcel Bosker, aber nicht mit der Dominanz so wie es früher war."
    Sagt die in den Niederlanden lebende deutsche Eisschnelllauf-Olympiasie-gerin Anni Friesinger-Postma. Aber dennoch: Die Niederlande sehen sich auf dem Weg zu den führenden Wintersport-Nationen. Neben Norwegen, Österreich und Kanada. Denn in Pyeongchang sollen neben den klassischen Eisschnellläufern zusätzlich die Shorttracker Medaillen sammeln. Diese Hoffnungen sind berechtigt. Schon 2014 trug bei der Eröffnung eine fünfmalige Shorttrack-Europameisterin - nämlich Jorien Ter Mors - die holländische Flagge. Zwei Goldmedaillen sammelte sie jedoch im klassischen Eisschnelllauf. Diesmal wollen die Niederlande möglichst zwei gleichstarke Teams aufbieten - auf der klassischen 400-Meter-Bahn und auf der Shorttrack-Piste.
    Star im Oranje-Team bleibt aber ein Klassik-Spezialist, Sven Kramer - der erfolgreichste Eisschnellläufer aller Zeiten und Hollands populärster Sportler: 38 mal Weltmeister, dreimal Olympiasieger. Sein Poster hängt über fast jedem Kinderbett, ungeachtet mancher Kritik an seinem Vorbildcharakter. Kramer startet für das Profi-Unternehmen "Lotto NL-Jumbo", dessen ehemaliger Sponsor, die Utrechter Rabobank, sich wegen anhaltenden Dopings 2012 zurückgezogen hat. Heute unterhält "Lotto NL-Jumbo" neben seiner Eisschnelllauf-Crew auch eine erfolgreiche Rad-Equipe, die jedoch der Vereinigung für einen sauberen Radsport (MPCC) nie beigetreten ist. Nach Olympia wird Kramer in die Chefetage des Gesamt-Unternehmens aufsteigen.
    Ted-Jan Bloemen vs. Sven Kramer
    Wegen solcher und ähnlicher Ungereimtheiten im niederländischen Sport wechselte 2014 Ted-Jan Bloemen, als gebürtiger Niederländer aber Sohn eines Kanadiers, vom traditionellen Staatsclub Gouda ins kanadische Nationalteam. Dort pulverisierte er Kramers Weltrekorde über 5000 und 10 000 Meter; nun will er ihn auch im Olympia-Duell entzaubern. Keine Chance, sagt Anni Friesinger-Postma, sie glaubt an Kramers Überlegenheit:
    "Ted-Jan Bloemen ist ja im Moment der Überflieger. Er hat den Weltrekord über 10.000 Meter und 5.000 Meter mit seinem Namen verziert. Das stinkt natürlich Sven. Aber ich denke doch, im Vergleich gegeneinander, dass dann doch Sven mit seiner Erfahrung und all den Siegen, die er in der Vergangenheit errungen hat, vorne liegt. Für mich ist Sven im Moment der allerbeste Eischnellläufer der Welt. Da liegt er ihm eine Nase vor."
    Apropos Kanadier: Der schwedische Physiker Evert Stenlund hat auf der Basis von 500-Meter-Zeiten berechnet, dass die Niederländer nie den Eisschnelllauf dominiert haben. Bei den Frauen, so Stenlund, ist die Kanadierin Cindy Klassen die Beste aller Zeiten, knapp vor der Inzellerin Anni Friesinger-Postma. Und unter den zehn Besten rangieren neben drei Kanadierinnen zwar drei Deutsche - aber nur zwei Niederländerinnen.
    Starke Konkurrenz aus Asien
    Bei den Männern kann sich Sven Kramer als Zweitbester der Eisschnelllauf-Geschichte nur knapp vor dem Amerikaner Chad Hedrick behaupten, doch er liegt klar hinter dessen Landsmann Shani Davis zurück, der 2006 als erster Schwarzer bei Olympischen Winterspielen Gold gewann. Bleibt die Frage, wie stark sich die Niederländer in drei Wochen in Südkorea präsentieren können. Realistisch und nachvollziehbar klingt da Anni Friesinger-Postmas Einschätzung der aktuellen Situation:
    "Es hat sich einiges geändert. Die Japaner sind um vieles stärker geworden, die Koreaner ebenfalls. Und wir haben ein neues Event, den Massenstart, da muss ich sagen, sind die Asiaten im klaren Vorteil. Das ist deren Terrain, wo sie schon viele Weltcups gewonnen haben. Also, ich denk, dass die Holländer da nicht die Dominanz haben werden wie vor vier Jahren in Sotchi."