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NSA-Affäre
SPD-Fraktionsvize Högl betont Unabhängigkeit des Generalbundesanwalts

Die SPD-Rechtsexpertin Eva Högl erwartet von Generalbundesanwalt Range zügige Ermittlungen im Fall des abgehörten Kanzlerinnen-Handys. Hinsichtlich der Massenüberwachung könnten sich daraus weitere Anhaltspunkte ergeben, vermutete Högl im Deutschlandfunk. Das habe auch Range im Rechtsausschuss des Bundestages gesagt, an dem Högl für ihre Partei teilnimmt.

Eva Högl im Gespräch mit Bettina Klein | 04.06.2014
    Die SPD-Politikerin Eva Högl
    Die SPD-Politikerin Eva Högl (dpa / picture alliance / Hannibal Hanschke)
    Bettina Klein: Viele Fragen im Augenblick sind noch offen: Stimmt es, dass wegen Merkels Handy gegen die NSA ermittelt wird, aber nicht wegen anderer Vorwürfe gegen den amerikanischen Geheimdienst? Und stimmt es, dass der Generalbundesanwalt erst durch den öffentlichen Druck zum Umdenken gebracht wurde, wie einige Medien das zumindest als Vermutung nahelegten?
    Ich kann darüber jetzt sprechen mit der SPD-Abgeordneten Eva Högl, die mit dabei war in dieser Sitzung. Sie ist unter anderem stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag. Ich grüße Sie, Frau Högl.
    Eva Högl: Hallo! Schönen guten Tag, Frau Klein!
    Klein: Wir haben gerade schon hören können, in Teilen hat Herr Range das wohl bestätigt. Was darüber hinaus hat er noch gesagt?
    Högl: Es ist so, dass er genau das aufgeführt hat und die Abgeordneten exklusiv informiert hat, was Frau Geuther eben schon beschrieben hat, nämlich dass er einen Anfangsverdacht für gegeben sieht hinsichtlich der Überwachung des Abhörens des Handys der Bundeskanzlerin und er bei den weiteren Ausspähungen, Überwachungen, den massenhaften, vom britischen insbesondere und US-amerikanischen Geheimdienst bisher keinen Anfangsverdacht sieht oder bejahen kann, weil er da keine konkreten Straftaten sieht. Aber er hat ausdrücklich gesagt, dass er auch in diesem Punkt noch weiter prüfen wird.
    Klein: Beendet ist das Ganze noch nicht? Es kann durchaus dazu kommen, dass Range da auch noch Ermittlungen einleitet?
    Högl: Ganz genau. Das ist auch deutlich geworden in seinen Ausführungen. Er leitet nun zunächst mal konkrete weitere Ermittlungsschritte ein hinsichtlich des Ausspähens des Kanzlerinnen-Handys. Ich erwarte auch, dass das zügig geschieht, er Zeugen vernimmt, Beweismaterial herbeizieht und auch die Erkenntnisse von Herrn Snowden dazu heranzieht. Und das Zweite ist, dass ich davon ausgehe, dass aus dem Ermittlungsverfahren bezüglich des Kanzlerinnen-Handys sich auch weitere Anhaltspunkte ergeben können hinsichtlich der massenhaften Ausspähung und Überwachung, und das hat Herr Range auch ganz deutlich so gesagt, dass das selbstverständlich sein kann und er auch diesen Punkt noch weiterhin prüft.
    Klein: Wir haben den Eindruck geschildert bekommen, es sei hoch hergegangen im Ausschuss. Was hat die Abgeordneten besonders interessiert?
    Högl: Zunächst mal die Frage, wie unabhängig ist der Generalbundesanwalt. Und da will ich noch mal ganz deutlich sagen, dass wir da größten Wert darauf legen, dass der Generalbundesanwalt mit seiner Behörde unabhängig von jeglicher politischer Einflussnahme seine Prüfung vornimmt, und das hat er selbst auch noch mal bestätigt. Er ist an Recht und Gesetz gehalten und das ist die Leitschnur für seine Prüfung. Da gibt es keinen politischen Einfluss und den hat es hier auch nicht gegeben. Deswegen haben wir im Rechtsausschuss auch noch mal kritisiert das Verfahren, dass Herr Range heute in den Rechtsausschuss kommt und hier quasi die Entscheidung verkündet, und auch die Bemerkung insbesondere von Kolleginnen und Kollegen - das muss ich leider sagen - der Grünen, die Herrn Range Arbeitsverweigerung und Ähnliches vorgeworfen haben. Das haben wir von der Koalition sehr deutlich zurückgewiesen, weil wir da großen Wert drauf legen, dass er seine Prüfungen unabhängig macht. Wie seine Meinungsbildung dann in der Behörde ist - das ist ja zum Teil öffentlich bekannt geworden -, das ist natürlich was, was wir hier auch als Politikerinnen und Politiker nicht beeinflussen können, aber auch nicht weiter kommentieren können.
    Klein: Das ist ja die zweite Frage, die im Raum steht: Ist Herr Range jetzt zu dieser Entscheidung gekommen wegen des öffentlichen Drucks, der ausgeübt wurde, unter anderem durch Politiker der Oppositionsparteien?
    Högl: Das ist vielleicht so. Das kann ich aber nicht beantworten, weil das nur Herr Range selbst beantworten kann, und er hat das zurückgewiesen im Rechtsausschuss. Er hat gesagt, nein, er habe seine Entscheidung auf der Basis von Recht und Gesetz getroffen, und davon gehe ich jetzt erst mal aus, dass das so war. Dass es natürlich eine öffentliche Debatte gegeben hat, das war ja unüberhörbar. Ich selbst habe mich ja auch am Mittwoch geäußert, ohne die Entscheidung zu kennen. Das habe ich auch explizit gesagt. Ich habe nur zum Ausdruck gebracht, was ich mir erhoffe. Und es ist einfach eine Frage, die viele Bürgerinnen und Bürger interessiert, und es geht auch deutlich über das Kanzlerinnen-Handy hinaus: Ist der Generalbundesanwalt in der Lage, solche Vorgehensweisen auch mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren weiter zu ermitteln? Das ist eine für Bürgerinnen und Bürger wichtige Frage, und deswegen ist es auch gut, dass es da eine öffentliche Debatte drüber gibt.
    Klein: Schauen wir noch mal auf den Punkt Unabhängigkeit, Frau Högl. Wir haben es uns auch gerade noch mal angesehen im Internet. Sie wurden vor einigen Tagen auch in der "Tagesschau" zitiert mit den Worten, Druck auf Range wächst, sehr gut, als Sie das selber im Internet gesehen haben. Ist der politische Druck also einmal schlecht, wenn er von der einen Seite kommt, und aber gut, wenn er von der anderen Seite erzeugt wird?
    Högl: Es ist so, dass der Generalbundesanwalt natürlich seine Prüfung auch nicht im luftleeren Raum macht. Das haben wir auch schon beim NSU gesehen. Der Generalbundesanwalt muss die politische Gesamtlage einbeziehen und ein Ermittlungsverfahren auch vor diesem Hintergrund einleiten oder einstellen. Das ist überhaupt keine Frage. Und das dies eine hochpolitische Frage ist und dass wir diese Fragen auch nicht ausschließlich im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages behandeln können, sondern auch die strafrechtliche Komponente dazukommen muss, das halte ich für richtig und wichtig. Aber wir haben trotzdem mit unseren Äußerungen keinen konkreten Druck auf Range ausgeübt. Und meine kleine Äußerung in der "Tagesschau", das ist missverständlich gewesen. Ich habe die Internet-Seite gesucht - ich habe das gesehen, das ist nicht rausgeschnitten worden - und habe dann gesehen, dass ich auf der richtigen Seite bin. Also das ist ein bisschen missverständlich herübergekommen in der "Tagesschau", habe ich selbst auch registriert. Wir üben keinen Druck aus auf Herrn Range, aber trotzdem sagen wir natürlich, was wir erwarten, nämlich das will ich noch mal sagen: Zügige weitere Ermittlungsschritte, gute Auswertung derjenigen Erkenntnisse, die wir schon haben - dazu gehören auch die Erkenntnisse von Snowden -, und eine sehr konzentrierte weitere Befassung mit dem Thema, auch mit der massenhaften Ausspähung.
    Klein: Ich würde da gerne noch mal nachfragen, Frau Högl, weil ja genau der Vorwurf auch im Raum steht, auch von einigen Medien transportiert wird, dass Herr Range - und da fiel sehr wohl das Wort "Druck" - durch Druck der Öffentlichkeit und der Opposition erst zu dieser Entscheidung gekommen sei.
    Högl: Dass Herr Range vielleicht - aber das ist Spekulation - seine eigene Entscheidung oder die Meinungsbildung innerhalb der Behörde auch nach öffentlicher Diskussion noch mal überdenkt, gegebenenfalls korrigiert, das halte ich für überhaupt nicht zu kritisieren. Das ist ein ganz normaler Vorgang in einer Behörde bei einer Prüfung, dass man verschiedene Argumente abwägt. Was ich problematisch fand, ist, dass schon vorher bekannt geworden ist, wie er sich gedenkt zu entscheiden, denn daraus ist ja erst der vermeintliche Druck oder tatsächliche entwachsen, dass das mitgeteilt wurde, und wir alle auf der Basis von Spekulationen schon genötigt wurden, das zu kommentieren. Das fand ich sehr problematisch.
    Klein: Das heißt, Sie kritisieren, dass WDR, NDR und "Süddeutsche Zeitung" per Recherche-Pool, der dort arbeitet, mit diesen Informationen oder Gerüchten, wie auch immer, die ja bisher nicht belegt sind, an die Öffentlichkeit gegangen sind?
    Högl: Nein! Ich kritisiere selbstverständlich nicht die Journalistinnen und Journalisten, sondern ich kritisiere, dass das aus der Behörde überhaupt rausdringt, wenn eine Entscheidung noch nicht gefallen ist, sondern ein behördeninterner Abwägungsprozess - und das ist ja eine schwierige Frage; das ist ja kompliziert juristisch, ob man einen Anfangsverdacht bejaht oder nicht -, dass das nach außen dringt, das halte ich für hoch problematisch, weil das nämlich wiederum die Unabhängigkeit des Generalbundesanwalts tatsächlich gefährdet, denn dann kann erst so ein Druck entstehen.
    Klein: Wir halten fest: Druck von welcher Seite auch immer ist schädlich im Sinne der juristischen Unabhängigkeit. So habe ich Sie jetzt auch verstanden, Frau Högl.
    Högl: Genau!
    Klein: Wir sprechen jetzt über die NSA, weil uns entsprechende Informationen vorliegen - und die liegen uns vor, weil ein gewisser Edward Snowden sich dafür entschieden hat, Material der Geheimdienste zu entwenden und zu veröffentlichen. Wünschen Sie sich eigentlich insgeheim auch, dass ein deutscher Geheimdienstmitarbeiter diesen Mut, sage ich jetzt mal, wie er von vielen gesehen wird, aufbringt und derart viele Interna über Aktivitäten deutscher Geheimdienste im Ausland an die Öffentlichkeit gebracht hätte oder noch bringen würde?
    Högl: Nein, liebe Frau Klein. Das wünsche ich mir nicht, sondern ich wünsche mir, dass wir im Parlamentarischen Kontrollgremium und in den sonstigen dafür zuständigen Gremien und in der Öffentlichkeit unsere Geheimdienste so gut kontrollieren können, dass wir im optimalen Fall wissen, was die Nachrichtendienste machen - nicht im Detail, aber im Grundsätzlichen -, dass wir darüber informiert sind, welche Informationen sie sammeln, und dass das alles ausschließlich dem Zweck dient, unsere Bürgerinnen und Bürger, uns alle zu schützen und Anschläge oder Sonstiges zu verhindern. Und da hoffe ich, dass wir stark genug sind im Parlament, um die Nachrichtendienste ausreichend zu kontrollieren. Aber da wünsche ich mir eigentlich keine Whistleblower, aber ich wünsche mir trotzdem selbstbewusste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Nachrichtendiensten, die auf Missstände hinweisen.
    Klein: ..., sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl, die heute an der Sitzung des Rechtsausschusses teilgenommen hat. Die Sitzung läuft noch und erste Meldungen daraus sind bereits öffentlich geworden, nämlich dass der Generalbundesanwalt in jedem Fall, wie schon von den Medien seit gestern berichtet, im Falle des Abhörens von Angela Merkels Handy ermitteln wird. Vielen Dank, Frau Högl, für das Gespräch heute Mittag hier im Deutschlandfunk.
    Högl: Herzlichen Dank! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.