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Österreichische Politiker
Karrieresprungbrett Flüchtlingskrise

Polizeichef Hans Peter Doskozil, Ex-ÖBB-Chef Christian Kern, Norbert Hofer: Drei Namen, mit denen bis Herbst 2015 außerhalb von Österreich kaum jemand etwas anfangen konnte. Dann kommen Tausende Flüchtlinge - und innerhalb kürzester Zeit machen alle drei Karriere.

Von Clemens Verenkotte | 02.09.2016
    Norbert Hofer bei der Stimmabgabe
    Norbert Hofer ist einer der Kandidaten für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten. Die Stichwahl findet am 2. Oktober erneut statt, nachdem die Wahl vom 22. Mai für ungültig erklärt wurde. (picture alliance / dpa / Christian Bruna)
    "Live in Nickelsdorf begrüße ich jetzt den Landespolizeidirektor des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil."
    In den Tagen nach der Grenzöffnung ist der große, stämmige Polizeichef aus der Provinz die Stimme Österreichs, die ruhig, informativ und gelassen über den Durchzug der Zigtausenden von Flüchtlingen Richtung Deutschland Auskunft gibt.
    "Wir haben jetzt gegenwärtig die Situation, dass am heutigen Tag, bis zum jetzigen Zeitpunkt circa 7.500 Personen hier in Nickelsdorf angekommen sind. Wir haben gerade vor einer halben Stunde die Information erhalten, dass zusätzlich noch, während der Nacht, so circa fünf bis sieben Züge in Hegyeshalom ankommen werden. Pro Zug werden da durchaus 800 Personen erwartet."
    Der Sozialdemokrat Hans Peter Doskozil, Jahrgang 1970, hatte bislang eine unspektakuläre Beamtenkarriere in Polizeidienst und Politik verbracht. In den teilweise chaotischen Tagen und Wochen nach dem Auffinden der 71 toten Flüchtlinge in einem Lkw in Parnsdorf Ende August und der anschließenden Grenzöffnung wird aus ihm eine nationale Figur. Österreichs Presse nennt ihn, wie etwa der "Standard", die "ruhige Stimme in unruhigen Tagen".
    Neuer Medienstar
    Doskozils Parteifreunde werden auf ihren neuen Medienstar aufmerksam. Bei einer Personalrochade Mitte Januar wird er zum Verteidigungsminister berufen, besetzt das relevanteste innenpolitische Thema, die Sicherheit, in neuer Funktion für sich und seine SPÖ, lässt abgelehnte Asylbewerber an Bord einer großen Herkules-Transportmaschine der österreichischen Luftwaffe nach Bulgarien "rückführen" – wie es heißt - antwortet auf die Frage eines ORF-Reporters, was die Politik tun müsse, um ein Jahr nach der Grenzöffnung und den internationalen Krisen den Menschen wieder ein Gefühl für Sicherheit und Zufriedenheit zu geben:
    "Ich bin fest davon überzeugt, dass es wichtig ist, dass wir den Menschen die Wahrheit sagen. Dass wir auch das vollziehen, was wir vorhaben, dass wir auch realistisch darstellen, was ist möglich und was ist nicht möglich. Das gilt in allen Spektren. Ich glaube, dass erwarten sich die Menschen."
    Als Krisenmanager kann sich in den stürmischen Septemberwochen auch Christian Kern profilieren – über Nacht wird der damalige Chef der österreichischen Bahn zum "Sinnbild für Führungsstärke":
    "In dieser Situation muss man das pragmatisch lösen. Die Menschen, die hier ankommen, haben gerade mal das Nötigste. Ich denke, es ist eine sinnvolle und weise Vorgehensweise hier, bei der Ticketkontrolle ein Auge zuzudrücken."
    Die Stunde eines eloquenten Managers
    Als der damalige Bundeskanzler Werner Faymann nach dem katastrophalen Abschneiden des SPÖ-Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen im Mai seinen Hut nehmen muss, schlägt die Stunde des eloquenten Managers:
    Seit seiner ÖBB-Kampagne "Menschlichkeit fährt Bahn" ist er sein Image als blasser Technokrat los und gilt als sozialdemokratischer Hoffnungsträger mit Herz.
    Bissig bilanziert das Nachrichtenmagazin "Profil" in diesen Tagen: Kern wäre "ohne seine charismatische Fahrdienstleiter-Funktion während der Flüchtlingswelle heute nicht Bundeskanzler."
    Wahlkampf mit der Angst vor Flüchtlingen
    Vergleichbares gilt auch für Norbert Hofer, im September 2015 ein noch weitgehend unbekannter FPÖ-Parlamentarier und einer der drei Nationalratspräsidenten. Die Stimmung im Land schlägt allerdings nach den hektischen Herbstwochen um: Grenzkontrollen, schärferes Asylrecht, Rückführung dominiert die Debatte und als Hofer im Frühjahr Kandidat der Freiheitlichen für das Präsidentenamt, setzt er im Wahlkampf auf genau diese Themen – und beschreibt, was der künftige Staatspräsident tun sollte:
    "Er wird darauf achten, dass diesem Land und den Menschen nicht noch mehr Schaden zugefügt wird, und damit wird auch die schlechte Regierungspolitik ihr Ende finden.
    Der rasende Stillstand, der muss beendet werden. Wir müssen diese Invasion von Muslimen, die uns derzeit heimsucht, stoppen, liebe Freunde. Das ist eine ganz, ganz wichtige Aufgabe für uns."