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Oettinger lehnt Steuererhöhungen ab

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger lehnt höhere Steuern zur Finanzierung des Gesundheitswesens ab. In diesem Jahrzehnt dürften höhere Steuern oder Beiträge für den Bürger nicht beschlossen werden, sagte der CDU-Politiker. Die von der Koalition geplante beitragsfreie Krankenversicherung für Kinder könne aus dem laufenden Haushalt getragen werden.

10.07.2006
    Christine Heuer: Und jetzt versuchen alle, aber wirklich alle, Jürgen Klinsmann zu überreden, dass er Nationaltrainer bleibt. Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Sie als virtueller Landesvater von Jürgen Klinsmann müssten das doch mit aller gebotenen Strenge auch versucht haben. Waren sie erfolgreich?

    Günther Oettinger: Nein, ich glaube, wir sollten ganz gelassen abwarten, was er selbst entscheidet. Er wird mit seiner Frau reden, er wird vielleicht mit Herrn Zwanziger und Gerhard Mayer-Vorfelder sprechen, da geht es um Kompetenzen. Und ich glaube, wir haben drei Wochen Zeit und sollten beides respektieren, sollten uns freuen, wenn er weitermacht, und wenn er aufhört, bleibt er ein toller Landsmann und hat er etwas gemacht, was wir alle ihm und uns nicht zugetraut hätten, nämlich eine tolle WM mit Sport, mit Fairness, mit Weltoffenheit gestaltet. Und diese WM wird in jedem Fall anhalten egal ob er bleibt oder ob er geht.

    Heuer: Nun ist die WM ja leider vorbei, heute beginnt wieder der Alltag, und zu dem gehören solche Dinge wie die Unternehmenssteuerreform. Die große Koalition möchte die Wirtschaft steuerlich entlasten, und diese Woche will sie Eckpunkte dafür im Kabinett beschließen. Das, während die Bürger noch stöhnen über die mit der Gesundheitsreform beschlossenen höheren Krankenkassenbeiträge. Ist das, Herr Oettinger, schwarz-rote Politik, den Bürgern in die Taschen greifen und die Unternehmen gleichzeitig beschenken?

    Oettinger: Beim Thema Wirtschaft und Besteuerung von Unternehmen müssen wir schauen, wo die anderen sind. Und wir können nicht zulassen, dass andere Länder die Steuern gesenkt haben. Wir haben höhere Steuern, und die Betriebe gehen. Wir müssen Betriebe hier halten, wir brauchen Investitionen in Arbeitsplätze das geht nur, wenn jetzt die Steuerlast auf unter 30 Prozent gesenkt wird. Damit helfen wir auch Arbeitnehmern, indem die Investition in Arbeitsplätze in Deutschland bleiben.

    Heuer: Aber bisher hat die Wirtschaft ja nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen, und das, obwohl die Wirtschaft schon seit vielen Jahren und eigentlich von allen Regierungen immer stärker entlastet worden ist.

    Oettinger: Ich vermute, hätten wir nichts gemacht, hätten wir noch mal mehr Arbeitslose, das heißt, wir haben nicht sichtbare Erfolge. Indem die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Niveau gleich geblieben ist, haben wir zumindest erreicht, dass nicht noch mehr Arbeitsplätze abgewandert sind.

    Heuer: Also wir haben sozusagen unsichtbare Erfolge?

    Oettinger: Leider wohl wahr, ja.

    Heuer: Die Unternehmenssteuerreform, wie sie jetzt geplant ist, wird dem Staat jährlich fünf Milliarden Euro kosten. Wie wollen Sie diese Lücke schließen?

    Oettinger: Wir glauben, dass dadurch die Entwicklung der Wirtschaft besser wird, dass wir Wachstum bekommen und mittelfristig durch mehr Wachstum und die Steuereinnahmen sich wieder ausgleichen, und kurzfristig müssen wir in Kauf nehmen, dass wir mit dieser Ermäßigung der Wirtschaft Anreize geben. Würden wir das nicht tun, wären die Steuerausfälle viel größer, dann würden mehr Betriebe gehen, würden die Arbeitsplätze sinken, würde die Arbeitslosen steigen, und damit hätten wir dann ein anderes Haushaltsproblem. Ich glaube, die Politik ist notwendig, um überhaupt den Haushalt in den Griff zu bekommen.

    Heuer: Dann stelle ich die Frage anders: Wie wollen Sie die Lücke von fünf Milliarden Euro kurzfristig schließen?

    Oettinger: Also ganz konkret heißt dies, dass die Länder etwa zwei Milliarden weniger Einnahmen haben, Baden-Württemberg etwa eine viertel Milliarde. Ich traue uns zu, dies auszugleichen. Ich glaube, dass genau die Höhe vertretbar ist. Mehr wäre nicht verkraftbar, weswegen ja auch eine Gegenfinanzierung noch vorgesehen ist, gegebenenfalls über andere Grundsteuer oder über neue Elemente in der Unternehmensbesteuerung, aber fünf Milliarden als Angebot an die Wirtschaft halte ich für richtig.

    Heuer: Ausgleichen heißt, Sie glauben, Sie können dieses Geld einsparen. Wo genau?

    Oettinger: Wir haben ja parallel etwas mehr Steuereinnahmen, weil das Wirtschaftswachstum höher ist als angenommen, das heißt, nach vielen Jahren ist die Steuerschätzung nicht mehr negativ, sondern positiv, und dann traue ich uns zu, dass wir bei allgemeinen Ausgaben, bei Sachmitteln, bei Beschaffungen im staatlichen Hochbau und auch im eigenen Personalbereich och Einsparungen hinbekommen.

    Heuer: Wenn es nach Ihnen geht, Herr Oettinger, dann wird die Lücke, die jetzt ungefähr fünf Milliarden beträgt, ja noch wachsen, denn Sie würden die Unternehmen gern um das Doppelte entlasten. Woher sollte das Geld dann kommen, geht das dann nur noch über Steuererhöhungen für die Bürger?

    Oettinger: Nein, ich glaube, dass wir mit fünf Milliarden richtig liegen, das heißt, wir senken die Steuersätze so, dass sie auf unter 30 Prozent kommen. Das macht eigentlich zehn Milliarden aus, da wir einen Teil davon in der Unternehmenssteuer gegenfinanzieren, indem die Bemessungsgrenze sich ändert, indem die Faktoren, die wir heranziehen, sich ändern, und nochmals: Sollten wir es nicht machen, gäbe es keine Steuerreform, dann würden die Betriebe noch viel schneller als bisher nach Österreich, in die Schweiz, nach Ungarn, nach Osteuropa auswandern.

    Heuer: Das mit den zehn Milliarden und den fünf Milliarden, Herr Oettinger, da beschwert sich die Wirtschaft ja, dass die tatsächliche Einsparung für sie sozusagen hinter den Kulissen runtergerechnet wird und dass da gar nicht so viel übrig bleibt.

    Oettinger: Ja gut, ich meine, jeder Betrieb, jede Kammer, jeder Verband will die bestmöglichen Voraussetzungen. Wir machen einen Mittelweg. Wir senken die Unternehmenssteuer und machen damit Anreize für Investments in Deutschland, aber wir senken sie nur so, wie wir es verkraften können.

    Heuer: Nun gibt es ja Finanzlücken an allen Ecken und Enden. Wir haben gerade die Gesundheitsreform beschlossen bekommen, die Beiträge sollen steigen, das ist ein Ergebnis dieses Beschlusses, und schon ist von neuen Steuererhöhungen die Rede. Peer Steinbrück, der Finanzminister, hat sie ins Auge gefasst hier im Deutschlandfunk im Interview der Woche für die kommende Legislaturperiode. Müssen die Steuern wegen der Gesundheitsreform steigen oder nicht, Herr Oettinger?

    Oettinger: Nein. Wir haben jetzt die Mehrwertsteuer erhöht um drei Punkte. Damit haben wir für unsere Haushalte etwas Wichtiges gemacht. Wir senken die Beiträge, indem wir einen Teil der Mehrwertsteuer in die Arbeitslosenversicherung geben, damit wird unter dem Strich sogar der Nettolohn für den Arbeitnehmer attraktiver. Wir gleichen die Erhöhung der Beiträge für die Gesundheit damit voll und ganz aus, aber mehr an Erhöhungen von Beiträgen und von Steuern für den Bürger geht nicht.

    Heuer: Der Finanzminister rechnet da anders. Er sagt, dass die Kosten, die für die Kindermitversicherung gedeckt werden sollen, aus den Steuermitteln ja deutlich steigen sollen und dass dann Einsparungen auf keinen Fall mehr ausreichen werden. Kann der nicht rechnen, der Herr Steinbrück?

    Oettinger: Doch. Es ist sein Recht, dass er sich die Aufgabe leichter machen will, aber dieser Beitrag für die Kinder in der Gesundheit, der ja von 1,5 Milliarden über 3 oder 5 Milliarden steigen soll, der wird und muss aus dem Haushalt finanzierbar sein.

    Heuer: Wo soll denn da genau gespart werden?

    Oettinger: Ich glaube, dass wir durch gutes Wirtschaftswachstum mit zwei Prozent bessere Steuereinnahmen haben werden, als bisher prognostiziert. Dann glaube ich, dass wir bei Hartz IV zum Beispiel im SGB II dringend Mitnahmeffekte abbauen müssen und da vielleicht zwei bis drei Milliarden Euro sparen können, und dann glaube ich, dass allgemein, von der Bundeswehr bis zum Straßenbau, die Mittel gedeckelt werden müssen, und dann kommen wir hin.

    Heuer: Und noch einmal, Herr Oettinger, Sie schließen Steuererhöhungen auch nach 2009 aus?

    Oettinger: Ich glaube, dass wir in diesem Jahrzehnt. länger wage ich nicht, hier Voraussagen zu machen, aber in diesem Jahrzehnt höhere Steuern für den Bürger, egal wo, egal ob Umsatzsteuer oder Ertragssteuer, und auch höhere Beiträge nicht beschließen dürfen. Wir brauchen den Bürger als Partner, damit die Wirtschaft wächst.

    Heuer: Vielen Dank für das Gespräch.