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Skandal bei LKW-Maut
"Probleme wurden nicht dargelegt"

Das Verkehrsministerium habe das Parlament nicht über mögliche Probleme bei der Bezahlung von privaten Firmen bei der LKW-Maut informiert, kritisierte Kirsten Lühmann, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, im Dlf. Lühmann erwartet einen teuren Rechtsstreit.

Kirsten Lühmann im Gespräch mit Dirk Müller |
    Verkehrsschild mit der Aufschrift Maut
    LKW-Maut (picture-alliance/zb/Patrick Pleul)
    Dirk Müller: Diesmal geht es nicht um 500, 600 oder auch 700 Millionen Euro, wie im Fall der drohenden Pleite der privaten Autobahngesellschaft A1 Mobil, die die enge finanzielle Verzahnung von Staat und freien Unternehmen wieder in Frage gestellt hat. Aber es geht wieder um das Bundesverkehrsministerium.
    Es geht um Autobahnen, um die Maut, auch um Alexander Dobrindt. Die "Süddeutsche Zeitung" hat darüber berichtet. Danach sollen private Autobahnbetreiber bestimmter Streckenabschnitte viel mehr Geld aus der Maut bekommen haben als ihnen zusteht. Von zehn Millionen Euro ist da die Rede.
    Das liegt vermutlich daran, dass das Erfassungs- und Abrechnungssystem zwischen schweren und leichten LKW nicht unterscheiden kann. Dabei stehen den privaten Betreibern nur die Mautgebühren zu, die aus den schweren Zwölftonnern resultieren. Der Bund hat aber auch die Gebühren für leichte Lastkraftwagen an die Privaten überwiesen. Das ist laut Vertrag von Oktober 2015 nicht vorgesehen. Der Staat verschenkt damit Steuergelder an private Firmen. Von zehn Millionen Euro ist inzwischen die Rede. -
    Am Telefon ist die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Kirsten Lühmann. Guten Morgen.
    Kirsten Lühmann: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Frau Lühmann, seit wann wissen Sie davon?
    Lühmann: Seit gestern, als ich es in der Zeitung gelesen habe.
    Müller: Das heißt, vorher war Ihnen das völlig unbekannt?
    Lühmann: Richtig.
    Müller: Auch dem Ausschuss, Verkehrsausschuss, Kontrollausschuss, völlig unbekannt?
    Lühmann: Völlig unbekannt.
    Müller: Warum ist das so? Warum weiß man so was dann nicht?
    Lühmann: Weil das Ministerium eine Informationspolitik betreibt, die, sagen wir mal so, seltsam ist. Grundsätzlich ist das eine Causa, die möglich war, und wir haben schon bei Einführung der Maut für LKW mit 7,5 Tonnen darauf hingewiesen, wie das dann aussieht mit der Erhebungstechnik und dass wir eigentlich auch gerne eine andere Systematik gehabt hätten.
    Denn die LKW-Maut erheben wir ja, weil schwere Fahrzeuge die Straßen mehr abnutzen als leichte Fahrzeuge, und diese zusätzliche Abnutzung wollten wir mit dieser Gebühr erheben. Und da kommt es nicht darauf an, wie viele Achsen ein Fahrzeug hat oder was für Schadstoffklassen, sondern wie schwer es tatsächlich ist. Das Ministerium hat uns damals gesagt, das wäre nicht möglich und darum würde man bei der jetzigen Systematik bleiben. Dass dadurch Probleme entstehen bei der Entlohnung von ÖPP-Projekten, das wurde uns mit keiner Silbe dargelegt.
    Müller: Jetzt müssen wir vielleicht zwei Dinge noch mal anführen. Dieses Gesetz, diese Verschärfung der Maut oder Ausweitung der Maut auf die Siebeneinhalbtonner war 2015, wenn ich das richtig notiert habe.
    Lühmann: Ja.
    Müller: Vorher galt das nur für die Zwölftonner. Und Sie sagten, umstrittene ÖPP wie auch immer. Das sind die öffentlich-privaten Partnerschaften mit den Unternehmen. Das heißt, der Staat bezahlt über die Maut den Ausbau von bestimmten Streckenabschnitten von Autobahnen.
    Lühmann: Genau, das waren die ersten Projekte. Da hatte man die Idee, dass man das gesamte Risiko auf den Privaten gibt. Das heißt, der hat einen Vertrag gekriegt und hat die Straße gebaut, und von den LKW, die da drüberfuhren, hat er dann die entsprechenden Mauteinnahmen bekommen. Das ist ein hoch problematisches System, weil wenn weniger LKW über diese Straße fahren, als vorher prognostiziert wurde - und wir wissen ja, dass es jetzt einen Betreiber gibt, der kurz vor der Pleite steht; der behauptet natürlich, das Ministerium hätte damals vor Vertragsabschluss alles schöngerechnet -, und es fahren dann weniger LKW über diese Straße, hat natürlich dieser private Betreiber ein großes finanzielles Problem.
    Das sehen wir bei der A1 bei dem Betreiber und das sehen wir auch jetzt bei der Problematik mit den 7,5-Tonnern, dass wir dort ein Risiko auf Private verlagern, das wir eigentlich so aus meiner Sicht gar nicht verlagern dürften. Darum gibt es diese Projekte nicht mehr neu. Allerdings haben wir die Altprojekte und da kommt es eben immer wieder zu Problemen.
    "Es wieder zu einem teuren und möglicherweise jahrelangen Rechtsstreit kommen"
    Müller: Sie sagen jetzt hier Risiko. Auf der anderen Seite, wenn wir das jetzt richtig verstanden haben, sind zehn Millionen zu viel überwiesen worden. Es gibt auch den umgekehrten Weg?
    Lühmann: Es gibt auch den umgekehrten Weg. Das Ministerium sagt, dieses Geld ist nur unter Vorbehalt überwiesen worden. Aber wenn wir uns überlegen: Bei der Einführung der LKW-Maut im Januar 2005 gab es ja auch schon mal Probleme. Da wurden teilweise Gelder nicht überwiesen. Und es gibt seitdem einen Rechtsstreit mit der Betreiberfirma Toll Collect über mehrere Milliarden, der bis heute, also über zehn Jahre später, immer noch nicht entschieden ist. Wir haben also wirklich Probleme dabei, auch wenn wir Gelder, die zu viel überwiesen wurden, hinterher wieder zurück haben wollen. Einfach zu sagen, na ja, ist ja kein Problem, das Geld kriegen wir schon wieder - die Betreiberfirmen haben ja deutlich gesagt, nein, sie sind nicht bereit, das freiwillig zurückzuzahlen. Das heißt, auch hier wird es wieder zu einem teuren und möglicherweise jahrelangen Rechtsstreit kommen.
    Müller: Sie haben das angesprochen: 2005 ist das Ganze losgegangen, damals ja noch unter Verantwortung von Wolfgang Tiefensee (SPD), Ihr Parteifreund. Sie sind ja, Frau Lühmann, auch bekannt für offene Worte. Ist da damals auch in Regierungsverantwortung der SPD vieles schiefgelaufen, was die Geburtsstunde anbetrifft?
    Lühmann: Da ist eine Menge schiefgelaufen. Es ist ja auch ein Staatssekretär, der die Verantwortung übernommen hat, gegangen. Ja, das wissen wir. Das sind ja diese Gelder, von denen ich rede, die immer noch vor Gericht beklagt werden. Es ist ja auch die Einführung deutlich später passiert, als es ursprünglich mal geplant war. Wir waren aber damals – das muss man fairerweise sagen – das erste Land in Europa, das eine LKW-Maut erhoben hat. Die anderen haben sich zurückgelehnt und haben erst mal gewartet, wie das in Deutschland funktioniert, haben dann anschließend das eingeführt und haben die Fehler, die wir gemacht haben, dann nicht mehr gemacht. Das muss man fairerweise auch sagen.
    "Kein vernünftiges Gebaren eines Ministers gegenüber dem Parlament"
    Müller: Weil jetzt aber viele schon Alexander Dobrindt nahezu aus dem Land herausjagen wollen, gehört es aus Ihrer Sicht auch dazu, fairerweise zu sagen, na ja, der jetzige Verkehrsminister ist da nicht alles schuld?
    Lühmann: Das ist richtig. Er hat den Vertrag mit der A1 auch nicht ausgehandelt. Nur das, was ich nicht so witzig finde, ist, dass er diese Informationen nicht einfach an das Parlament weitergibt. Es ist die Aufgabe des Parlamentes, die Regierung zu kontrollieren, und wenn das tatsächlich alles so unproblematisch ist, wie Herr Dobrindt behauptet, warum teilt er uns das nicht einfach mit. Das sind alles Dinge, die recherchiert wurden, die über den Rechnungsprüfungsausschuss, über die Presse an uns herangetragen wurden, und das ist kein vernünftiges Gebaren eines Ministers gegenüber dem Parlament.
    Müller: Jetzt konnten wir das ja auch aus journalistischer Perspektive nicht genau nachvollziehen, was jetzt alles in diesem konkreten Fall gelaufen ist, bei der Ausweitung der Mauterhebung von Zwölftonner auf Siebeneinhalbtonner vor zwei Jahren (2015). Das ist ja das Problem, über das wir jetzt hier konkret reden. Unsere Ausgangsposition, Frau Lühmann. Wenn Sie sagen, na ja, das war von Anfang an ein bisschen problematisch, warum haben Sie da nicht mehr Theater gemacht beziehungsweise Ihre Partei, auch die Opposition, vielleicht gemeinsam mit der Opposition zu sagen, das Ding ist so unsicher, da müssen wir jeden Monat oder jede drei Monate ganz klar wissen, wie das Ding läuft?
    Lühmann: Es wurden uns nicht jede drei Monate Berichte gegeben, sondern wir hatten bei der Einführung einige Fragen. Es ging auch um die Frage, wer macht denn eigentlich diese Einführung, müssen wir das nicht ausschreiben, muss da nicht jeder die Möglichkeit haben, sich darauf zu bewerben. Da hat der Minister gesagt, nein, nein, das gebe ich einfach mal der Firma, die das andere auch schon macht, Toll Collect, einfach so.
    "Wir konnten dem Minister nicht nachweisen, dass es illegal ist"
    Müller: Das haben Sie akzeptiert?
    Lühmann: Da haben wir uns drüber gestritten. Wir haben deutlich nachgefragt. Auch der Bundesrechnungshof hatte da Bedenken. Aber letztendlich waren die Bedenken nicht so stark, als dass man gesagt hätte, das ist illegal. Ich bin immer noch der Meinung, dass es nicht richtig war, aber wir konnten dem Minister nicht nachweisen, dass es illegal ist. Und die eigentliche Einführung ist auch tatsächlich problemlos gelaufen. Die Umstellung, dass jetzt von einem Tag auf dem anderen zusätzliche Maut erhoben wurde, auch die Umstellung der LKW, die ja dann eine entsprechende Technik brauchen, eine sogenannte On-Board-Unit, das ist alles gelaufen. Auch die Frage, wieviel Einnahmen kriegen wir daraus, haben wir gestellt und sie wurde uns beantwortet. Diese spezielle Problematik haben wir bei der Einführung nicht gesehen. Es hat niemand uns darauf aufmerksam gemacht. Und auch später, als die Zahlungen unter Vorbehalt gelaufen sind, ist das Parlament nicht informiert worden.
    Müller: Und damit geben Sie sich zufrieden? Sie haben keine Informationen, dann können Sie nichts machen? Oder müssen Sie da nicht stärker nachhaken, wenn Sie da ein schlechtes Gefühl haben, Frau Lühmann? Sie haben ja gesagt, mir war das Ganze da nicht geheuer, ob das funktioniert, und damals wurde ja offenbar schon gesagt, na ja, mit der Achsenerfassung und so weiter beziehungsweise mit dem Gewicht, das ist eine komplizierte Sache. Daran scheitert das ja offenbar?
    Lühmann: Herr Müller, ich kann immer nur nachfragen, und wenn ich Antworten bekomme, die für meine Frage zufriedenstellend sind, dann bin ich als Parlamentarierin auch am Ende. Ich habe keine Möglichkeit, das Ministerium durchsuchen zu lassen, ob es da nicht vielleicht noch Probleme gibt, die wir nicht gesehen haben, und diese Problematik haben wir nicht gesehen. Da haben wir auch nicht nach gefragt. Uns ging es eher um die Technik: Gibt es die gleichen Probleme wie 2005 bei der Einführung der LKW-Maut für große LKW? Und die gab es nicht. Das ist problemlos gelaufen.
    Die zweite Frage, die wir hatten, war: Ist es korrekt, dass derselbe Betreiber ohne Ausschreibung das macht? Und da gab es, wie es so oft ist, unterschiedliche Rechtsauffassungen. Und wenn Sie zwei verschiedene Rechtsauffassungen haben, dann ist es ganz schwer zu entscheiden, was machen wir oder was machen wir nicht.
    Auch zu der Frage mit den Achsen hieß es dann immer vom Ministerium, ja ja, das werden wir machen, wenn wir die LKW auf alle Bundesstraßen ausgeweitet haben. Jetzt ist das etwas kompliziert, das ist eine größere Umstellung. Aber wenn wir das alles ausgeweitet haben, werden wir auch diese Umstellung wahrnehmen. Da sehe ich allerdings auch nicht, dass dort besondere Aktivitäten vom Ministerium vorgelegt wurden. Dieses Datum ist auch nach der Bundestagswahl. Insofern wird da auf die neue Bundesregierung noch einige Arbeit zukommen.
    Müller: Frau Lühmann, ich muss Sie das am Ende noch einmal fragen. Könnte dabei Korruption im Spiel gewesen sein?
    Lühmann: Nach meinem jetzigen Kenntnisstand schließe ich das aus.
    Müller: Bei uns heute Morgen die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann. Danke, dass Sie sich für uns die Zeit genommen haben.
    Lühmann: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.