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Papst Franziskus
"Ich bin ein Fan von ihm"

Papst Franziskus sei eine Leuchtfigur, die weit über die Kirche hinaus Orientierung vermitteln könne, sagte Weihbischof Franz Grave im DLF. Ihm imponiere, dass der Papst sein Wort halte. Die Annäherung zwischen Kuba und den USA sei jedoch von einer anderen, nicht weniger charismatischen Person angestoßen worden.

Franz Grave im Gespräche mit Jürgen Zurheide |
    Weihbischof Dr. Franz Grave bei der Verleihung des Steiger Awards 2014 in der Henrichshütte Hattingen
    Weihbischof Franz Grave bewundert Papst Franziskus für seine klaren Worte. (imago / Sven Simon)
    Die Entspannung im Verhältnis zwischen den USA und Kuba sei in die Zeit von Johannes Paul II. zurückzuführen, so der Essener Weihbischof Franz Grave. Während seines Kuba-Besuches im Jahr 1998 habe der damalige Papst wesentliche Weichen gestellt. Er und Staatspräsident Fidel Castro hätten für einige Tage "Sinn füreinander" gehabt. Johannes Paul habe Castro begeistert, sagte Grave im DLF-Interview, und so die Türen für die Annäherung mit den USA geöffnet.
    Franziskus setzt auf Glaubwürdigkeit
    Zu Papst Franziskus sagte Grave, es handele sich um eine Gestalt, die nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft brauche. Franziskus vertrete die Auffassung, dass die Kirche nur dann glaubwürdig sein kann, wenn sie selbst und ihre Vertreter glaubwürdig sind. Die Defizite habe der Papst in seiner Weihnachtspredigt an die Kurie mehr als deutlich benannt.
    Als pastoralen Schwerpunkt des Papstes sieht Weihbischof Grave die Armen. Der Papst werde aktiv, indem er etwa plötzlich nach Lampedusa reise. Außerdem sehe er arme Menschen auch in den Wohlstandsländern, indem er auch auf geistige Armut hinweise. Franziskus imponiere ihm, da er seine Aktentasche nicht von einem Diener tragen lasse und noch immer im Gästehaus des Vatikans wohne, wo er bereits während des Konklaves gelebt habe.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: Der Papst hat in den zurückliegenden 14 Tagen gleich mehrfach aufhorchen lassen: Da war auf der einen Seite die Initiative, Kuba und die Vereinigten Staaten wieder anzunähern, und wir haben gehört, er hat als Diplomat im Hintergrund Regie geführt. Auf der anderen Seite die Weihnachtspredigt an die Kurie, auch die hat aufhorchen lassen. Über all das wollen wir heute reden mit einem Menschen, der den Papst auch persönlich gut kennt, auch aus Südamerika, weil er lange Jahre dort hingereist ist für Adveniat, Weihbischof Franz Grave. Der Essener Weihbischof ist bei uns, erst mal guten Morgen, Herr Grave!
    Franz Grave: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Grave, wir wollen aber beginnen zunächst, bevor wir über den Papst reden, mit Südamerika, auch mit Adveniat, was Ihnen ja ganz besonders am Herzen liegt. Wir hören in diesem Jahr, dass überall etwas weniger gespendet wird. Wie sieht die Lage für Südamerika aus, für die Menschen, die sich da kümmern, zu denen Sie ja immer gehört haben?
    Grave: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Solidarität knapper geworden ist in Deutschland, sondern ich habe auch jetzt kurz nach der Adveniat-Kollekte an den beiden Weihnachtstagen den Eindruck, dass die Leute geben, was sie können. Und dass sie so viel geben, als wir ihnen auch einsichtig machen können, wie notwendig ihre Hilfe ist. Und dass das, was sie spenden, auch dorthin kommt, wohin sie es haben möchten. Also eine sehr zielgerichtete Projektpolitik, würde ich sagen. Natürlich wird es bei Adveniat nicht mehr in der Kollekte, aber wir müssen doch sagen, dass angesichts der Möglichkeiten, auch der bescheidenen Möglichkeiten der einfachen Leute das Anliegen Adveniat durchaus in den Köpfen und in den Herzen und manchmal auch in den Portemonnaies der Leute ist.
    Zurheide: Immerhin ist das dann die frohe Botschaft in den Tagen danach. Jetzt kommen wir auf den Papst. Ich habe es gesagt, Sie kennen ihn auch aus vielen persönlichen Begegnungen. Wollen wir beginnen mit Kuba und der Annäherung, die da passiert ist! Was können Sie uns denn erzählen, was da im Hintergrund eigentlich passiert ist?
    Grave: Also, man muss ja sehen, dass die Annäherung und der gezielte Versuch, mehr mit Kuba ins Gespräch zu kommen, zurückliegt und zurückzuführen ist in die Zeit von Papst Johannes Paul II., der 1998 in Kuba einen Besuch gemacht hat, wo ich ihn begleiten konnte. Und ich muss sagen, dass da wesentliche Weichen gestellt sind. Das ist nach außen hin nicht alles so in Erscheinung getreten, aber der Papst und Fidel Castro hatten jedenfalls für einige Tage durchaus Sinn füreinander. Und Fidel Castro war ja begeistert von dem Besuch und hat uns am Ende des Papst-Besuches, also die ausländischen Bischöfe gebeten, ihre Meinung und ihre Bewertung dieses Besuches zu sagen. Er wollte ein Lob hören, das konnten wir ihm auch bis auf weite Strecken geben. Aber es gab Vorbehalte, einige Vorbehalte, einige Vorbehalte, die vor allen Dingen Kirche auch sehr belastet haben. Also, ich will sagen: Die Kuba-Politik ist nicht seit Franziskus erst in Gang gekommen, sondern Johannes Paul II. hat mit seinem großen Charisma also hier doch schon Weichen gestellt und Türen geöffnet.
    "Das ist ohne Übertreibung eine Leuchtfigur"
    Zurheide: Was muss sich denn in Kuba verändern, damit diese Annäherung wirklich zu einer Annäherung wird? Glauben Sie, dass das jetzt eine wichtige Etappe ist?
    Grave: Ja, also, es steht ja einfach an die Frage nach der Religionsfreiheit. Hat die Kirche in Kuba eine Chance sich zu entwickeln und kann sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren? Gibt es die Möglichkeit, dass die Kubanerinnen und Kubaner christliche Feiertage wieder in aller Öffentlichkeit begehen können? Wie ist es mit dem Bildungswesen? Dann natürlich, wie ist die soziale Lage? Dies alles spielt natürlich eine Rolle. Aber ich denke, ein wesentliches Problem wird sein, inwieweit sich Kuba der Welt öffnet, inwieweit Kuba bereit ist, auch den christlichen Missionarinnen und Missionaren eine Chance zu geben, in aller Öffentlichkeit die Frohe Botschaft des Evangeliums zu verkünden.
    Zurheide: Jetzt kommen wir auf Franziskus, auf den aktuellen Papst, den Sie kennen. Ich will jetzt mal kurz nach Rom schauen: Was ist denn da eigentlich passiert in den vergangenen Tagen? Ist das wirklich so bemerkenswert, wie wir das alle sehen? Oder sagen Sie, diejenigen, die hinter die Kulissen schauen, wissen, dass das längst schon unterwegs ist?
    Grave: Zunächst einmal bin ich ganz dankbar, dass Sie den Namen Franziskus nennen. Ich will fast jugendlich-frisch sagen: Ich bin ein Fan von ihm! Weil ich ihn in Lateinamerika bei vielen Gelegenheiten kennengelernt habe. Und habe mir angewöhnt, jetzt zu sagen immer, was du machst und was du tust, ist das nach dem Modell des Franziskus? Zum Beispiel dass der seine Aktentasche selbst trägt, dass er also keinen Diener braucht. Oder die Tatsache, dass er also immer noch im Gästehaus des Vatikans wohnt, dort, wo er während des Konklaves gelebt hat. Das ist doch unglaublich, das ist eine Gestalt, die wir brauchen, nicht nur in der Kirche, sondern die brauchen wir auch in der Gesellschaft. Das ist ohne Übertreibung, möchte ich meinen, eine Leuchtfigur, die Orientierung vermitteln kann weit über den kirchlichen Bereich hinaus. Und er ist der Meinung, dass Glaubwürdigkeit der Kirche nur dann möglich ist und abgeliefert werden kann in der Öffentlichkeit, wenn die Kirche selbst und ihre Vertreter glaubwürdig sind. Und da scheint es ja einige Defizite zu geben, die hat er ja mit 15 Punkten benannt, in aller Deutlichkeit. Also, ich habe gedacht, deutlicher geht es ja wohl nicht mehr.
    "Er ist eine außerordentliche Gestalt"
    Zurheide: Das haben, glaube ich, viele in diesen Tagen gedacht. Also in der Kurzfassung: Weniger Prunk und Symbolik, die Abgehobenheit signalisiert, sondern mehr Hinwendung zu den Problemen der Menschen. Wir haben gerade mit Herrn Butterwegge darüber geredet. Das ist eigentlich die Aufgabe der Kirche, so wie Sie sie im Ruhrgebiet übrigens immer verstanden haben.
    Grave: Das ist in der Tat so. Und die Ansprachen von Franziskus gehen ja alle in diese Richtung. Also, wenn Sie mich jetzt fragen würden, was ist so seine pastorale Schwerpunktsetzung, dann würde ich sagen: Das sind die Armen, das ist die Option für die Armen, die hat er sich noch einmal neu vor Augen gestellt. Und das ist keine Sache nur, über die man meditieren und theoretisieren kann, sondern er liefert Beispiele. Er geht nach Lampedusa ganz plötzlich und will sehen, was mit der Flüchtlingspolitik ist. Er sieht die Armut auch in den Wohlstandsländern. Und er charakterisiert die Armut nicht nur als eine materielle Armut, sondern er findet, dass es auch so was Ähnliches wie eine geistige Armut gibt, die zu überwinden ist. Also, der Papst ist ein Mann des klaren Wortes, aber dabei bleibt es nicht. Was mir auch imponiert, ist, dass das, was er sagt, geschieht. Und insofern ist er eine außerordentlich glaubwürdige Gestalt und ich bete jeden Tag dafür, dass er uns erhalten bleibt.
    Zurheide: Ich bedanke mich ganz herzlich bei Weihbischof Franz Grave, der uns erklärt hat, was da gerade in Rom passiert. Und jetzt kann man nur sagen, dann hoffen wir, dass Ihre Gebete erhört werden und das ankommt!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.