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Parlamentswahl
Regierungsparteien in Tschechien abgewählt

Die ANO-Partei von Milliardär Andrej Babis ist nach den Parlamentswahlen in Tschechien mit Abstand stärkste Kraft im neuen Abgeordnetenhaus. Die Regierungsbildung wird schwierig: Wegen strafrechtlicher Ermittlungen will keiner der demokratischen Parteien mit der ANO koalieren.

Von Peter Lange |
    Der tschechische Milliardär Babis hat mit seiner ANO-Partei die Parlamentswahl gewonnen - Foto vom 21. Oktober 2017
    Der tschechische Milliardär Babis hat mit seiner ANO-Partei die Parlamentswahl gewonnen (dpa/AP Photo/Petr David Josek)
    Applaus und Bravo-Rufe empfangen Andrej Babis, als er in seiner Parteizentrale in Prag-Chodov eintrifft. Und seinen ersten Auftritt als Wahlsieger nutzt er vor allem, um Befürchtungen zu entkräften:
    "Wir sind keine Gefahr für die Demokratie."
    Wieder einmal beklagt er, Opfer einer Desinformationskampagne zu sein. Das gelte auch für seine Haltung zu Europa:
    "Wir sind pro-europäisch. Wir sind ein fester Bestandteil der Europäischen Union, wir sind ein fester Bestandteil der Nato. Darum wünsche ich mir, dass manche Leute aufhören Angst zu machen, dass wir nach Osten hin orientiert sind. Das sind wir nicht."
    Babis will mit allen Parteien reden
    29,6 Prozent hat seine ANO erhalten und ist die mit Abstand stärkste Kraft im neuen Abgeordnetenhaus. Er will jetzt erst einmal mit allen reden.
    "Ich habe bereits allen Parteivorsitzenden gratuliert, die es ins Abgeordnetenhaus geschafft haben. Und wir hoffen nun, dass sie mit uns verhandeln wollen. Ich denke für unser Land ist es gut, eine stabile Regierung zu haben, die für unsere Interessen kämpft."
    Aber wegen der strafrechtlichen Ermittlungen, die gegen ihn laufen, haben die demokratischen Parteien erklärt, dass sie mit Babis als Regierungschef nicht koalieren wollen. Milan Chovanec, Vorsitzender der sozialdemokratischen CSSD:
    "Wir können uns nicht vorstellen, mit Politikern zusammenzuarbeiten, die angeklagt sind."
    Die CSSD ist diesmal unter die Räder gekommen wie beim letzten Mal die andere Regierungspartei, die ODS. Nur noch 7,3 Prozent, noch weniger als die Kommunisten, haben die Sozialdemokraten bekommen.
    "Unser Fehler war ganz offensichtlich, dass wir es nicht geschafft haben, der Öffentlichkeit zu vermitteln, was die Sozialdemokratie leistet."
    Rechtsliberale, Piraten und Rechtsextreme
    Die rechtsliberale ODS hat sich von der letzten Niederlage erholen können und steigt mit 11,3 Prozent zur zweitstärksten Kraft auf. Auf Platz drei folgen die Piraten mit 10,8 Prozent, die auf Anhieb den Einzug ins Parlament geschafft haben. Fast genauso stark ist die rechtsextreme SPD. Deren Vorsitzender Okamura bekräftigte:
    "Wir wollen jedwede Islamisierung der Tschechischen Republik stoppen und fahren eine harte Null-Toleranz-Politik, Einwanderung und Migrationswellen."
    Drei Parteien haben es so gerade über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft: die Christdemokraten, die Top-09 und erstmals die STAN, die Bewegung der Bürgermeister und Unabhängigen.
    Es werden also neun statt bisher sieben Fraktionen im tschechischen Abgeordnetenhaus sitzen. Was die Regierungsbildung zum Problem macht. Denn eine Zweier-Koalition unter Führung der ANO würde nur mit der ODS die absolute Mehrheit der Mandate erreichen. In allen anderen Varianten braucht sie zwei Partner. Und Spekulationen, ob vielleicht eine Koalition gegen die ANO gebildet wird, hat es auch schon gegeben. Aber da hat Milos Zeman, der Staatspräsident schon mal vorgebaut:
    "In der Politik passiert es manchmal, dass diejenigen die Silber oder Bronze haben, demjenigen auf den Leib rücken, der Gold hat, und ihn vom Treppchen herunterreißen wollen. Und das halte ich einfach für unsportlich."