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Patriotische Propaganda
Wie Rechtsradikale das polnische Team vereinnahmen

Heute Abend trifft Polen im ersten EM-Viertelfinale in Marseille auf Portugal. Für Polen ist es bereits jetzt das erfolgreichste Turnier seit dreißig Jahren. Doch dieser Erfolg wird auch politisch vereinnahmt.

Von Ronny Blaschke |
    Polnische Fans im Stadion von Marseille bei der Europameisterschaft 2016.
    Polnische Fans im Stadion von Marseille bei der Europameisterschaft 2016. (MAXPPP)
    Die Fotocollage verbreitete sich innerhalb von Stunden. Darauf zu sehen ist das Werbemotiv eines Herrenausstatters: polnische Nationalspieler in dunklen Anzügen. Auf dem Schwarz-Weiß-Foto fällt eine Armbinde des Spielers Kamil Grosicki ins Auge, in den polnischen Nationalfarben Rot und Weiß, umrahmt von dem Schriftzug: "All Different. All White."
    "Alle unterschiedlich. Alle weiß" – mit dieser Aussage bezog die "Allpolnische Jugend" Stellung für ein ethnisch einheitliches Nationalteam. In Abgrenzung zu den Mannschaften aus Frankreich oder Deutschland, in denen Spieler mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen aktiv sind. Bei der Allpolnischen Jugend handelt es sich um eine rechtsradikale Jugendorganisation. Ihre Vision: ein nationalistisches, rein katholisches Polen.
    Fußball von Politik thematisiert und instrumentalisiert
    Der polnische Fußballverband und der Herrenausstatter distanzierten sich von der Fotocollage. In anderen Kreisen waren die Reaktionen dagegen widersprüchlich. Seit den Wahlerfolgen der Partei "Recht und Gerechtigkeit" haben Vertreter aus dem nationalkonservativen Umfeld immer wieder den Fußball thematisiert: etwa durch den Rückhalt für Ultras, die gegen Flüchtlinge hetzen. Oder durch symbolische Gesten: So geriet ein Foto des polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Umlauf. Darauf trägt er ein Polohemd von einer bei Ultras beliebten Marke.
    Was Fans und Regierungspartei laut dem Publizisten Thomas Dudek verbindet, ist das Selbstverständnis als Systemkritiker. In diesem Klima wachse auch der Mut von Organisationen wie der Allpolnischen Jugend. Deutlich wurde das in der EM-Vorrunde: Mehrere hundert polnische Fans demonstrierten vor dem Spiel gegen die Ukraine für die "Verteidigung des wahren Europas". Dabei scheinen sie jemanden bewusst zu übersehen: In der polnischen Auswahl spielt nämlich auch der eingebürgerte Thiago Cionek, geboren im nicht europäischen Brasilien.