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Personalmangel
Leichtere Tests für BKA-Bewerber

1.300 Stellen will das Innenministerium beim Bundeskriminalamt (BKA) schaffen. Gesucht werden Kriminalbeamte, IT-Fachleute und auch Islamwissenschaftler. Doch geeignete Bewerber zu finden, ist nicht leicht. Darum wird das Bewerbungsverfahren jetzt vereinfacht.

Von Benjamin Dierks | 09.12.2016
    Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, spricht am 18.11.2015 auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) im Kurfürstlichen Schloss in Mainz (Rheinland-Pfalz) und ist dabei als Schatten zu sehen. Foto: Fredrik von Erichsen/dpa
    Ein Sicherheitspaket der Bundesregierung und der jüngst beschlossene Haushalt des Innenministeriums bescheren dem BKA die zusätzlichen Stellen. Für das BKA Segen und Fluch zugleich. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Die Sitzreihen im Hörsaal an der Freien Universität in Berlin sind gut gefüllt. Gudrun Krämer steht an ihrem Pult und blickt hinauf in die Ränge. Die Professorin leitet das Institut für Islamwissenschaft. Das Fach wird immer beliebter, seitdem Islamexperten nicht nur an der Uni oder etwa im interkulturellen Dialog arbeiten können, sondern auch bei Geheimdiensten und Polizei.
    "Herzlich willkommen…"
    Gudrun Krämer will ihren Studenten in dieser Vorlesung erläutern, warum Muslime sich einst in Sunniten und Schiiten gespalten haben – eine Trennung, die bis heute für Konflikte sorgt. Nicht nur im Orient, sondern auch in Europa. Und gerade auf das, was in Europa passiert, werde von Islamwissenschaftlern heute eine Antwort erwartet, sagt Krämer.
    "Die Frage, ob Muslime sich qua ihrer religiösen und rechtlichen Bindung in eine säkulare rechtsstaatliche Ordnung einfinden können, was Dschihad ist, was die Muslimbrüder in Europa tun."
    Sicherheitsorgane interessieren sich brennend für diese Fragen und die Experten von der Uni.
    "Ich treffe natürlich auf Veranstaltungen auch Leute, die für den Verfassungsschutz arbeiten oder für verschiedene Innenministerien, die mich zumindest bitten, darauf aufmerksam zu machen, dass eine Ausschreibung erfolgt."
    Islamwissenschaftler sind mittlerweile fester Bestandteil des Teams
    Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Islamkennern dürfte nun wieder anziehen, denn Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Verfassungsschutz suchen händeringend neue Leute. Und Islamwissenschaftler seien mittlerweile fester Bestandteil des Teams, sagt Andrea Wagner, die sich beim BKA darum kümmert, neues Personal anzuheuern.
    "Die ermitteln zusammen mit den Kriminalbeamten, die übersetzen, die dolmetschen, die sind intensiv mit den Kollegen im Ermittlungsbereich tätig."
    Solche Mitarbeiter zu finden, ist allerdings nicht einfach. Allein das BKA soll in den kommenden drei Jahren 1.300 neue Mitarbeiter einstellen, von Kriminalbeamten über IT-Fachleute bis hin eben zu Islamwissenschaftlern. Ein Sicherheitspaket der Bundesregierung und der jüngst beschlossene Haushalt des Innenministeriums bescheren der Behörde die zusätzlichen Stellen. Die Aufstockung soll im Kampf gegen islamistische Terroristen oder Rechtsextremisten helfen. Und mehr Sicherheit macht sich auch gut im kommenden Bundestagswahlkampf. Für das BKA bringt der Personalsegen aber auch manchen Fluch mit sich.
    "Natürlich ist das für uns auch eine Herausforderung. Das sind Stellenzuwächse, die wir so in den letzten Jahren nicht zu verzeichnen hatten. Da müssen wir umdenken, neue Wege gehen."
    2016 wurden - entgegen anderen Berichten - 142 Aspiranten eingestellt
    Das BKA dürfte es auf dem herkömmlichen Weg kaum schaffen, in der vorgesehenen Zeit die zusätzlichen Mitarbeiter zu finden. Das betrifft vor allem angehende Kriminalbeamte, die beim BKA ein dreijähriges duales Studium absolvieren wollen. Die jüngst in Presseberichten genannten Zahlen seien zwar falsch, sagt Andrea Wagner. Es war berichtet worden, dass 2016 wegen der Rechtschreibschwäche der Bewerber nur 62 von 120 neuen Stellen für Kriminalbeamte hätten besetzt werden können. Es seien 142 Aspiranten eingestellt worden. Doch tatsächlich scheitern viele Interessenten am Bewerbungsverfahren. Deshalb will die Behörde gegensteuern – und die Zugangshürden senken.
    "Wir reagieren darauf, indem wir in erster Linie unsere Einstellungskriterien regelmäßig überprüfen und anpassen, da uns insbesondere der Bewerber in seiner Persönlichkeit interessiert. Wir wollen alle jungen Talente kennenlernen und nicht nur die, die durch eine besonders gute Note herausragen."
    Alle jungen Talente kennenlernen – das ist ausgesprochen wohlwollend formuliert. Etwas salopper ausgedrückt könnte man sagen: Wenn wir alle aussieben, die keinen geraden Satz schreiben können, haben wir bald gar keine Bewerber mehr. Denn daran hapert es bislang besonders häufig. Wer beim BKA Kriminalbeamter werden will, muss ein vierstufiges Bewerbungsverfahren durchlaufen. Vor der abschließenden ärztlichen Untersuchung wird die Sportlichkeit der Bewerber geprüft. Es gibt einen Intelligenztest und ein Assessment-Center, zu dem ein persönliches Auswahlgespräch gehört. Der Sport- und der Intelligenztest, besonders Rechtschreib-Prüfung, lassen bislang viele Bewerber scheitern. Andrea Wagner hat einen pragmatischen Tipp: Für den Sprachtest ein wenig üben und für den Sportteil:
    "Einfach mal im Wald joggen gehen. Das ist alles kein Hexenwerk."
    Dennoch wird das Bewerbungsverfahren jetzt vereinfacht. Der Sporttest, zu dem etwa ein Hindernislauf und Klimmzüge gehören, wurde schon abgemildert. Der Sprachtest mit Lückentext und Diktat soll ebenfalls einfacher werden.
    Wer sich mit dem Islam auskennt, ist nicht gleich ein guter Kriminalist
    "Wir passen uns auf jeden Fall an, da modernisieren wir. Für die nächsten Einstellungstermine wird es da auch schon erste Veränderungen geben, um einfach größere Zielgruppen anzusprechen und damit auch natürlich einen größeren Bewerberkreis zu generieren."
    Was die Tauglichkeit der Islamwissenschaftler angeht, die nach der Uni zum BKA gehen, gelten ohnehin andere Regeln. Aber auch hier mahnt die FU-Professorin Gudrun Krämer zur Vorsicht. Wer sich mit dem Islam auskennt, könne deshalb nicht unbedingt kriminalistische Arbeit leisten. Nicht alles sei mit der Religion erklären.
    "Wenn sie auch die entsprechende Sach- und Ortskenntnis mitbringen für einzelne Regionen, wenn sie auch noch theoretisch geschult sind, also nicht nur Fakten besitzen, sondern die auch einordnen können, und schließlich sprachlich versiert sind. Das ist ein relativ hohes Anforderungsprofil – und die Besten erfüllen es."
    Aber für die Besten, sagt Krämer, das sei zumindest ihre Erfahrung, sei eine Karriere im Bundeskriminalamt nicht die erste Wahl.
    Dieser Beitrag ist eine Wiederholung aus der Sendung "DLF-Magazin" vom 08.12.2016.