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Pflegestärkungsgesetz III
Mehr Geld für Beschäftigte, Gepflegte müssen zahlen

Bessere Lohnbedingungen in Pflegeheimen - darum geht es im Pflegestärkungsgesetz III. Lohnsteigerungen müssen nun bis auf Tarifniveau anerkannt werden. In einem Heim in Sachsen-Anhalt sollen die höheren Personalkosten allein auf die Heimbewohner abgewälzt werden.

Von Christin Simon und Secilia Pappert | 23.01.2018
    Eine Pflegerin legt einen Thrombose-Verband an.
    Gute Pflege kostet Geld. Aber wer darf für eine angemessene Bezahlung der Pflegekräfte zur Kasse gebeten werden? (Jens Büttner / dpa)
    Helmut Lüdecke rechnet verzweifelt. Zusammen haben er und seine Ehefrau knapp 2.600 Euro Rente. Der Heimplatz für Ehefrau Elfriede im DRK-Pflegeheim in Oschersleben kostet bisher 1.362 Euro. Doch nun droht eine Erhöhung – auf 1.916 Euro monatlich. Lüdecke hat keine Ahnung, wie er das stemmen soll:
    "Ich habe nachher einen Rest von 83 Euro. Und davon soll ich Brot, alles kaufen. Die Pflegemittel und alles sind da noch nicht drin. Ist noch nicht drin, 83 Euro. Im Prinzip kann ich mir auch kein Auto mehr leisten. Ich kann nicht mehr einkaufen fahren, muss den öffentlichen Verkehr nehmen, und der ist auch nicht billig. Ich muss das ja irgendwie bezahlen."
    Seit letztem Spätsommer ist Elfriede Lüdecke im Oscherslebener DRK-Betreuungszentrum am Wiesenpark. Nach einem Schlaganfall ist sie halbseitig gelähmt, sitzt im Rollstuhl. Noch steht der endgültige Kostenbescheid aus. Bis dahin möchte auch der DRK-Landesverband Sachsen-Anhalt nichts zu den angekündigten Erhöhungen sagen - doch Helmut Lüdecke ist jetzt schon angst und bange:
    "Aber man weiß nicht, wie man es schaffen soll. Wenn man sie jetzt nach Hause holt. Man ist nervlich am Ende."
    Faire Bezahlung und bezahlbare Pflege – ein Zielkonflikt?
    Eigentlich sollten mit der Pflegereform Pflegebedürftige und deren Angehörige entlastet werden. Da Personal in Pflegeinrichtungen knapp wird, sollte das Pflegestärkungsgesetz (PSG) III zum Abschluss der Pflegereform auch hier Veränderungen festschreiben. So sollen Lohnsteigerungen bis auf Tarifniveau anerkannt werden. Das Bundesgesundheitsministerium sieht auf Anfrage des ARD-Magazins FAKT kein Problem, wenn dadurch die Kosten für den Heimplatz steigen. Schriftlich heißt es:
    "Die Pflegeversicherung ist ein Teilleistungssystem. Verbleibt insbesondere bei vollstationärer Pflege ein Eigenanteil, ist dieser von den Versicherten selbst aufzubringen."
    Erwin Rüddel ist CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Bundesfachausschusses "Gesundheit und Pflege" der CDU Deutschlands. Von 1993 bis 2009 war er Geschäftsführer einer Senioreneinrichtung. Auch er verteidigt das PSG III:
    "Die Arbeitssituation und auch die Gehaltssituation für die Pflegekräfte sollte durch das PSG III verbessert werden, deshalb haben wir gesagt, dass das Zahlen von Tariflohn nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf."
    "Vielleicht nicht bis zum Ende durchgedacht"
    Mit einer Anhebung auf 1.916 Euro, würde der DRK-Heimplatz in Oschersleben um mehr als 200 Euro über dem Bundes-Durchschnitt liegen. Die Befürchtung: Im Zuge der Reform wird der Eigenanteil bundesweit steigen – zu Lasten der Heimbewohner. Ein so großer Anstieg wie in Oschersleben aber sei zu überdenken, so der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel:
    "Also, eine so starke Ankündigung war mir nicht bekannt bisher. Ich glaube, dass man in diesem Umfang nicht mit den Konsequenzen gerechnet hat. Politik ist nicht unfehlbar. Und man muss dann auch erkennen, dass man vielleicht nicht bis zum Ende alles durchdacht hat. Und dann schnell reagieren."
    Konkrete Vorstellungen hat Rüddel: Es könne einen Steuerzuschuss geben. Im Sondierungspapier ist eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge festgehalten – im Gegenzug könne man die Pflegeversicherungsbeiträge anheben.