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Pkw-Maut gekippt
"Wir brauchen ein Modell für die neuen Mobilitätsarten"

Die von der Koalition vorangetriebene Pkw-Maut habe sich mit dem EuGH-Urteil erledigt, sagte CDU-Verkehrspolitiker Thomas Jarzombek im Dlf. Für die Zukunft brauche es stattdessen Steuerungsmodelle, die auch neue Mobilitätsarten berücksichtigten. Autofahrer dürften nicht zusätzlich belastet werden.

Thomas Jarzombek im Gespräch mit Silvia Engels | 18.06.2019
Fahrzeuge fahren unter einer Mautbrücke.
CDU-Verkehrspolitiker Thomas Jarzombek begrüßt das EU-Urteil gegen die geplante Pkw-Maut. (Jan Woitas / dpa-Zentralbild / dpa )
Silvia Engels: Viele Beobachter hatten erwartet, dass sich der Europäische Gerichtshof in Sachen Pkw-Maut dem Generalanwalt anschließen würde. Der hatte sich im Februar in seinem Schlussantrag dafür ausgesprochen, die deutschen Mautpläne für zulässig zu erklären. Doch die Richter entschieden am Vormittag überraschend anders. Sie haben diese Abgabe verworfen und damit scheitert ein großes Prestigeprojekt der CSU. Die Klage gegen die Maut in Deutschland hatte Österreich geführt. Die Regierung dort hatte eine Diskriminierung ihrer Bürger gesehen, weil in Österreich alle Bürger die Autobahn-Maut entrichten müssen, In- wie Ausländer. Eine Maut nur für Ausländer in Deutschland hätte Österreicher stark belastet. Entsprechend zufrieden zeigte man sich deshalb in Wien mit dem Richterspruch. Wir haben es gerade noch mal gehört: Die CSU war sich im Gegensatz zu der österreichischen Meinung sicher, dass die Pläne, alle EU-Bürger mit einer Autobahnmaut zu belegen, die deutschen Steuerzahler aber in gleicher Höhe zu entlasten, vor Gericht Bestand hätten. Es war ein großes Projekt der CSU. Die CDU hatte die Pläne nach einigem Widerwillen eher skeptisch mitgetragen. Am Telefon ist Thomas Jarzombek. Er sitzt für die CDU im Verkehrsausschuss. Guten Tag, Herr Jarzombek!
Thomas Jarzombek: Schönen guten Tag.
Engels: Sind Sie nun enttäuscht oder erleichtert?
Jarzombek: Weder noch, sondern am Ende müssen wir jetzt das Urteil, wie es ist, akzeptieren und damit auch umgehen. Und wenn man sich zurückerinnert an die Zeit, als wir über die Pkw-Maut diskutiert haben, vor etwa sechs Jahren, gab es ja auch aus der CDU reichlich Zweifel an der Europarechtskonformität dessen. Aber was man jetzt auch dazusagen muss, ist: Wir sind dazu gekommen, dass das Ganze erst mal von der Europäischen Kommission notifiziert wird. Und dass das Notifizierungsverfahren positiv abgeschlossen wurde, aber der EuGH jetzt negativ urteilt, ist natürlich schon etwas, wo ich auch ein leichtes Fragezeichen auf der Stirn habe.
Keine Pkw-Maut, kein Schaden
Engels: Das mag sein. Aber die CDU-Skepsis - Sie haben es angesprochen -, dass das rechtlich nicht konform sei, was die CSU da so vorhabe, die ist ja auch schon uralt. Muss Alexander Dobrindt, der das ja maßgeblich in seiner Zeit als Verkehrsminister vorangetrieben hat, sich diese Verantwortung anziehen?
Jarzombek: Gut, darüber wird das Publikum entscheiden, wer das am Ende verursacht hat oder nicht. Es ist ja zunächst erstmal kein Schaden entstanden, das muss man auch dazu sagen, denn diese Pkw-Maut ist nicht eingeführt worden. Sie hat natürlich schon viele Ressourcen auch im Bundesverkehrsministerium in Anspruch genommen und unter dem Strich kann man natürlich jetzt auch über andere Modelle nachdenken, die vielleicht viel sinnvoller wären als das Modell, was da zuletzt in Rede gestanden ist.
Engels: Das werden wir gleich noch besprechen, welche Modelle jetzt in Frage kommen. Aber wenn ich Ihnen so zuhöre, hat die CSU diese Ressourcen im Verkehrsministerium nicht sehr sinnvoll eingesetzt, oder?
Jarzombek: Ja, am Ende ist das ein klarer Urteilsspruch und da gibt es auch nichts dran zu deuteln, und damit ist aus meiner Sicht das Thema jetzt auch erst einmal erledigt.
Engels: Da sind wir beim Stichwort. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol hat gesagt, die Pkw-Maut der CSU werde so nicht kommen. Zitat: "Die Bedingungen der SPD für eine Einführung der Pkw-Maut sind nicht mehr gegeben." - Ist das komplett vom Tisch? Ist das auch die Meinung der CDU?
Jarzombek: Na gut, wenn man an die Koalitionsverhandlungen zurückdenkt, muss man ja sagen, wir waren da skeptisch, die SPD auch - aber die SPD hat es auch damals mitgetragen. Das gehört auch zur Wahrheit mit dazu. Und eine Sache, die auch die Kanzlerin damals immer klar gesagt hat, war: Es darf nicht dazu führen, dass Mobilität teurer wird, dass Leute belastet werden und dass am Ende auf einmal auch Menschen nicht mehr mobil sind, gerade auch im ländlichen Raum. Und das gilt weiterhin. Ein Pkw-Mautmodell, was dazu führen würde, dass Mobilität teurer wird und die Autofahrer belastet werden, das ist mit der CDU jedenfalls nicht zu machen.
Engels: Sie sind ja aus Nordrhein-Westfalen. Gerade hier hatte man sich ja über Jahre Sorge gemacht, dass eine Abgabe, die die EU-Ausländer belasten würde, nicht nur den Grenzverkehr beeinträchtigen würde, sondern auch den Handel. Deswegen hatten Sie extra noch Ausnahmen für Bundesstraßen festgelegt. Die brauchen Sie nun nicht. – Hand aufs Herz: Sie sind doch mehr erleichtert, oder?
Jarzombek: Das hat natürlich seine positiven Aspekte und es war auch ein Modell, was natürlich auch hinreichend kompliziert war. Darum kann man auch gar nicht herumreden. Ich war nie ein großer Freund davon, zumal – über die Frage haben Sie noch gar nicht gesprochen - am Ende sich ja immer die Frage stellt, warum macht man so was, kann man eigentlich Geld damit verdienen. In den Diskussionen, die wir damals geführt haben, wurde relativ schnell klar, dass in anderen Ländern wie in Österreich die Systemkosten, die Kosten der Erhebung für die Maut bei sechs, sieben, acht Prozent ungefähr liegen, tatsächlich aber die Fahrten von ausländischen Fahrern ungefähr auch nur bei sechs, sieben, acht Prozent liegen. Das heißt, wie man von der Grundannahme darauf kommen konnte, dass man mit so einem Modell Geld verdienen kann, das war mir bis zuletzt komplett unklar. Nicht ohne Grund sind auch Einnahmen aus der Pkw-Maut für die nächsten Jahre aus der mittelfristigen Finanzplanung gestrichen worden, weil der Finanzminister auch nicht mehr daran geglaubt hat, dass man damit Geld verdienen kann. Insofern: Ein Modell, womit man alleine Geld wechselt, macht natürlich für den Staat auch nicht wirklich Sinn.
Suche nach neuen Steuerungsmodellen
Engels: Sollte es denn nun ein ganz anderes Mautmodell geben und wie sollte es aussehen?
Jarzombek: Ja, das Thema Maut hat natürlich immer die Implikation. Ich verstehe das gut, dass Menschen, die in Bayern wohnen und nach Österreich oder in andere Länder fahren und da unentwegt Maut zahlen müssen, da kein gutes Gefühl kriegen und sauer sind und sagen, was soll das denn. Man muss aber auch dazu sagen, dass in Österreich, in Italien, in Frankreich oder überall, wo es Maut gibt, diese Maut die Autofahrer teilweise sehr empfindlich belastet. Das ist etwas, was wir nicht haben wollen. Wir haben als Nordrhein-Westfalen Länder um uns herum, die keine Maut nehmen und wo der Grenzverkehr unproblematisch abläuft. Man muss sich überlegen, was zieht man jetzt für einen Schluss daraus. Ich glaube, wir brauchen für die Zukunft ein Modell, was auch neue Mobilitätsarten berücksichtigt. Das Thema der Energiesteuer, früher Mineralölsteuer ist etwas, da gab es schon Vorschläge. An denen kann man noch mal arbeiten, nämlich zu überlegen, kann man nicht diese Mineralölsteuer quasi abschaffen und auf einen EU-Mindestsockel herunterfahren und stattdessen eine intelligente Infrastrukturabgabe nehmen und dann auch Möglichkeiten finden wie zum Beispiel Fahrten zu Park and Ride Parkplätzen günstiger zu machen, oder beispielsweise auch bei all diesen Flotten, die in den nächsten Jahren mit selbstfahrenden Fahrzeugen kommen werden, die auch über einen Preismechanismus zu steuern, damit solche Autos nicht die ganzen Innenstädte verstopfen, wie wir die Diskussion gerade bei diesen E-Scootern haben. Das sind alles Entwicklungen, die sind schon absehbar und dafür brauchen wir ein Steuerungsinstrument, und das ist heute noch nicht vorhanden, und ich denke, so was sollte man entwickeln.
Engels: Das heißt, das wäre die Überlegung, die Steuern runter, dafür eine Maut, die alle, In- wie Ausländer zahlen, und damit kann man dann eine Richtwirkung erzielen? Ist das Ihre Idee?
Jarzombek: Ganz genau! Damit können Sie Richtwirkungen erzielen. Da kann man auch Korridorpreise nehmen und beispielsweise auch für eine Rush Hour am Montagmorgen vielleicht auch mal die Preise um zehn Prozent für die Benutzung erhöhen und um zehn Uhr, wenn der Verkehr gering ist, vielleicht auch um zehn Prozent senken, so dass beispielsweise ältere Autofahrer, die flexibel in der Zeit sind, einen Anreiz bekommen, außerhalb der Stoßzeiten zu fahren und damit vielleicht sogar am Ende Geld sparen können. Aber das sind alles Gedanken, über die man in so einem Modell diskutieren muss. Ich glaube, da kann man jetzt nicht mit einem Vorschlag kommen und sagen, das ist es. Aber es braucht auf jeden Fall einen Steuerungsmechanismus für all diese neuen Mobilitätsarten, die in den nächsten Jahren kommen werden, denn ansonsten werden wir keine Möglichkeit mehr haben, den Verkehrsfluss zu gestalten, und das wäre nicht gut.
"Autofahrer nicht zusätzlich belasten"
Engels: Das heißt, die Maut kommt, möglicherweise dann auch mehr als nur auf Autobahnen, aber dann für alle und dann mit einer Kompensation, die beispielsweise über Steuern erfolgt, die dann ja auch alle an der Tankstelle entrichten? Stellen Sie sich das so vor?
Jarzombek: Ja. Das ist jetzt das, was ich darüber denke. Ich glaube, wir als CDU und auch als CDU/CSU-Fraktion müssen uns natürlich jetzt eine neue Meinung bilden. Insofern kann ich Ihnen jetzt nur meine persönliche Meinung an der Stelle sagen. Das ist keine Fraktionssichtweise. Ich glaube aber, dass die Herausforderungen von vielen geteilt werden, die wir lösen müssen. Das Wort Maut halte ich für unglücklich, weil darum geht es an der Stelle gar nicht, sondern es geht um eine Infrastrukturabgabe, die wir heute haben, und wie man vielleicht aus einem alten Modell in ein neues kommt. Aber ganz klar, und das kann ich noch mal sagen: Für uns ist dabei entscheidend, dass Mobilität bezahlbar bleibt und dass die Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden durch so ein Modell. Wenn es an manchen Stellen zu Mehrbelastungen kommt, muss es an anderen Stellen mindestens zu einem gleichwertigen Ausgleich dann auch kommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.