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Podcast "Dirty John"
Ein Psychopath aus Kalifornien

Deborah ist Ende 50 und vier Mal geschieden. Im Internet lernt sie John kennen - ihre womöglich letzte große Liebe. Doch der vermeintliche Anästhesist führt ein gefährliches Doppelleben. Der Podcast "Dirty John" ist gerade online gegangen - gut erzählt und richtig spannend.

Von Christoph Möller | 02.10.2017
    Auf einem Smartphone-Display ist ein Audio-Player zu sehen
    Ob zu Hause oder unterwegs: Podcasts sind derzeit sehr beliebt. (REHvolution.de | photocase.de)
    "Who you marry might be the most important decision of your life. But it can also be the least rational."
    Wen du heiratest, sagt Christopher Goffard im Trailer zu "Dirty John", ist vielleicht die größte Entscheidung deines Lebens. Aber es kann gleichzeitig auch die unvernünftigste sein.
    "Er war ziemlich aufgeregt und hat die ganze Zeit gesagt, ich kann nicht warten, dich zu heiraten, ich bin so verliebt in dich, und so weiter. Ich war da schon etwas ängstlicher."
    Deborah ist 59 und wohlhabend. Sie lebt in Orange County in Kalifornien, ist vierfach geschieden und sucht nach ihrer womöglich letzten großen Liebe. Online findet sie John, "Dirty John", der dem Podcast den Namen gibt. Autor und Sprecher Christopher Goffard beschreibt John so:
    "Würdest du sein Lächeln auf einer Werbetafel sehen, du hättest gewollt, was er verkauft. Er sah ein bisschen zerzaust aus, aber er hätte einer dieser Quarterbacks auf einer Sammelkarte sein können."
    Scharf gezeichnete Figuren
    "Dirty John" erzählt eine wahre Begebenheit. John arbeitet scheinbar als Anästhesist und war für Ärzte ohne Grenzen im Irakkrieg. Obwohl er viel Geld verdienen müsste, sieht er schäbig aus. Alle Personen in "Dirty John" werden sehr detailliert beschrieben. Etwa beim ersten Treffen von John und Deborah in einer Bar.
    "John war 55, 1,90 groß mit breiten Schultern. Seine Zähne waren makellos, er hatte einen starken Kiefer und grün-braune Augen. Deborah trug Gucci-Stilettos und Designerjeans. John schien sich aus seinen Klamotten nicht sonderlich viel zu machen."
    Als Hörer hat man ein klares Bild der beiden Verliebten. So klar, dass es schmerzhaft ist, wenn im Laufe der Geschichte Johns wahres, psychopathisches Ich immer deutlicher wird. Autor Christopher Goffard:
    "Der ziemlich gefährliche Mann im Zentrum der Geschichte entspricht dem, was wir einen Psychopathen oder Soziopathen nennen würden. Eingebettet in die Geschichte ist also auch die Erforschung einer zutiefst machiavellistischen Persönlichkeit."
    Ziemlich früh bemerken Deborahs Töchter, dass irgendwas nicht stimmt. In der ersten Episode beschreibt die jüngste Tochter Tara Johns Reaktion, als sie herausfindet, dass er kein echter Arzt ist.
    "Er hat mir vorgeworfen, dass ich ihm meine Mutter wegnehmen wolle und seine Sachen durchsucht habe, was nicht stimmte! Aber weil er so sauer war, habe ich mich gefragt: Was versucht er zu verstecken?"
    Multimedial erzählt
    "Dirty John" ist ein Podcast, der nah dran ist an den Figuren. Ihre gebrochenen Stimmen, wenn sie über die Vorfälle reden, erzählen manchmal mehr als der Sprechertext von Christopher Goffard. Ein dunkles, psychopathisches Kammerspiel im sonnigen Süden Kaliforniens.
    "He definitely was trying to take control. - John: I've got a big smile on my face. You know why? - Deborah: Why, John? - John: Because trust me. Just trust me. - Deborah: That doesn't make any sense. - John: You will understand when the time comes."
    Der Podcast ist multimedial erzählt. Zeitgleich wird die Geschichte in der L. A. Times als Text veröffentlicht. Auf Twitter sieht man Videos. Etwa von John und Deborahs Hochzeit.
    "I pronounce you husband and wife. You may kiss your wife. Oh, my gosh!"
    Christopher Goffard meint, er wolle mit "Dirty John" auch aufklären über ernste Probleme wie häusliche Gewalt und "coercive control", auf Deutsch etwa: Zwangskontrolle.
    "Das ist eine Form von Manipulation und Kontrolle, die manchmal in Partnerschaften zu beobachten ist. Ich hoffe, der Podcast zeigt, dass das jedem passieren kann. Und dass es wichtig ist, die Warnsignale zu erkennen, um sich helfen zu lassen."
    Die Geschichte ist spannend und einfach erzählt. Goffard spielt mit Cliffhangern. Manchmal ist dieser erzählerische Trick allerdings etwas zu deutlich gesetzt. Doch wenn Deborahs Tochter Jaqueline am Ende der ersten Episode erzählt, wie John sich eine Waffe baut, wer will da nicht weiterhören?
    "He was trying to get different gun parts and he was adding them up!"
    Der Podcast "Dirty John" ist am 1. Oktober 2017 gestartet. Die Episoden werden bis Sonntag (8.10.) veröffentlicht und online mit zusätzlichem Material begleitet.