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Polnische Kirche zu Flüchtlingen
Grundsätzlich hilfsbereit

In Polen versuchen die rechtskonservativen Parteien, mit Ressentiments die Flüchtlingskrise für ihren Wahlkampf zu nutzen. Dabei stützen sie sich auch auf "christliche Werte". Doch gerade die zu verteidigen, fällt schwer: Denn die katholische Kirche in Polen kämpft bei dieser Thematik nicht uneingeschränkt an ihrer Seite.

Von Hendryk Jarczyk |
    Eine Familie aus der Ukraine kommt in einem Militärflughafen in Polen an.
    Flüchtlinge an einem Militärflughafen in Polen: "In diesem Teil Europas sind Menschen fremder Kulturen unbekannt," sagt der Warschauer Politologe Aleksander Smolar. (dpa / picture alliance / Adam Warzawa)
    "Diejenigen, die zu uns kommen und bei uns eine Wohnung, und Arbeit suchen, müssen aufgenommen werden. Und wir dürfen nicht danach fragen, welchen Glaubens sie sind. Wir müssen bereit sein, allen zu helfen, nicht nur den Christen, nicht nur den Katholiken."
    Starke Worte. Und dennoch fand die Predigt von Kardinal Nycz sowohl in Polen als auch im Ausland nur mäßig Beachtung. Kein Wunder, denn gehalten wurde sie nicht vor ein paar Wochen, sondern bereits im Januar 2015. Also lange bevor die Flüchtlingskrise das gigantische Ausmaß von heute angenommen hatte. Dann folgte lange Zeit des Schweigens. Erst als in Polen Regierung und Opposition im Sommer dieses Jahres immer heftiger darüber zu streiten begannen, wie sich das Land in der Frage der Flüchtlingsaufnahme verhalten sollte, da meldete sich Polens katholische Kirche noch vor Papst Franziskus erneut zu Wort. Und erinnerte die polnische Gesellschaft an die christliche Pflicht, Flüchtlingen zu helfen. Und zwar unabhängig von deren Konfession. Die Bemerkung kam nicht von ungefähr. Zu diesem Zeitpunkt wurden in Polen ernsthaft Vorschläge unterbreitet, ausschließlich Christen aus Syrien Zuflucht zu gewähren. Der einfacheren Integration und der geringeren Terrorismusgefahr wegen. Argumente, die an Zynismus zwar kaum zu überbieten waren. Gleichwohl, sagt der Warschauer Politologe Aleksander Smolar, seien sie gerade in Polen durchaus nachvollziehbar:
    "In diesem Teil Europas sind Menschen fremder Kulturen unbekannt. Hier gibt es keine Tradition in Bezug auf Kolonien. In Westeuropa wurden die Menschen über Jahrhunderte an andere Kulturen und andere Religionen gewöhnt. Und auch nach dem Krieg, als nach Deutschland, Frankreich oder Großbritannien die Gastarbeiter massenweise kamen, hat es hier keine solche Welle von Migranten gegeben. Das kommunistische Lager war hermetisch geschlossen. Ähnlich wie in Ostdeutschland übrigens."
    Kirchenvertreter sind sich uneins
    Eine Situation, die von extrem konservativen Politikern gerne ausgenutzt wird, wenn es darum geht, wahlkampftechnisch zu punkten. Und Polen steckt mitten im Wahlkampf. Am 25. Oktober wird abgestimmt. Die liberalkonservative Regierungskoalition fürchtet um ihre Existenz. Die größte Oppositionspartei des Landes "Recht und Gerechtigkeit" - mit Jaroslaw Kaczynski an der Spitze - reibt sich ob der günstigen Umfragewerte bereits genüsslich die Hände. Allerdings scheint sich hier niemand Gedanken darüber gemacht zu haben, ob die den Erzkonservativen stets wohlgesonnene Kirche bei der Anti-Flüchtlingskampagne mitmacht. Ein Fehler, wie sich zeigt. Vor allem wenn man die jüngste Stellungnahme des polnischen Primas Wojciech Polak, berücksichtigt:
    "Wir haben in Polen sehr gute Beziehungen zu Muslimen und wissen, dass sie nicht zwangsläufig extrem radikal sein müssen und die Ideen eines islamistischen Staates verbreiten."
    Das hört Jaroslaw Kaczynski sicher ungern. Ist er doch fest davon überzeugt, dass Flüchtlinge in Polen alsbald die Scharia einführen würden, wenn man sie nur ins Land lässt. Ansichten, die auf Führungsebene innerhalb der katholischen Kirche in Polen nur wenige teilen. Zumindest öffentlich. Bis auf den Warschauer Erzbischof Henryk Hoser, der ähnlich wie erzkonservative Politiker medienwirksam und lautstark den Zusammenbruch des Abendlandes herannahen sieht:
    "Wahrscheinlich wird Europa muslimisch werden. Es besteht kein Zweifel. Wenn sich die Tendenzen nicht ändern werden, wenn die Europäer weiterhin so wenige Kinder kriegen, dann wird es ein muslimisches Europa werden, in dem die Christen nur noch eine Nebenrolle spielen, wie im Nahen Osten."
    Worte des Papstes haben Gewicht
    Äußerungen, die das polnische Episkopat offenbar aufhorchen ließen. Henryk Hoser schweigt zumindest seitdem. In Fragen der Nächstenliebe - so heißt es offiziell - lasse die katholische Kirche keinerlei politische Interpretationen zu. Weshalb Pawel Guzynski, Dominikanerpater in Lodz, recht zuversichtlich bleibt:
    "Viele Pfarrgemeinden werden ganz bestimmt Flüchtlinge aufnehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es anders sein könnte. Selbstverständlich werden einige Angst haben, aber auch das muss man verstehen."
    Sätze ganz im Sinne von Papst Franziskus. Was im katholisch geprägten Polen besondere Bedeutung entfaltet. Und den Extremkonservativen erhebliche Argumentationsprobleme bereiten dürfte.