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Pressefreiheit
Großer Verlierer Europa

Einige europäische Länder sind in der neuen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter Ohne Grenzen stark abgerutscht. Für den Medienjournalisten Daniel Bouhs spielen dabei Oligarchen eine große Rolle. Die sammelten aktuell Zeitungen wie Yachten, um damit eigene Wahrheiten zu publizieren.

Daniel Bouhs im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 25.04.2018
    Ein Demonstrant reckt ein Plakat mit der Aufschrift "Journalisten sind keine Terroristen" in die Höhe.
    Bei einer Demonstration für Pressefreiheit hält ein Demonstrant ein Plakat mit der Aufschrift "Journalisten sind keine Terroristen" in die Luft. (EPA/SEDAT SUNA)
    In der Rangliste der Pressefreiheit 2018 von Reporter Ohne Grenzen gibt es einen großen Verlierer, und der heißt nicht wie in den letzten Jahren Ägypten, Syrien oder Jemen - sondern Europa. Dort seien Journalistinnen und Journalisten zunehmend medienfeindlicher Hetze durch Regierungen und führende Politiker ausgesetzt, so die Vorstandssprecherin Katja Gloger bei der Vorstellung der Rangliste in Berlin:
    "Hass und Verachtung gegen Journalistinnen und Journalisten zu schüren, ist in Zeiten des Vormarschs populistischer Kräfte ein Spiel mit dem Feuer. Leider erleben wir das zunehmend auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union."
    Verlierer vor allem im Osten Europas
    Das spiegelt sich in den Platzierungen der Rangliste der Pressefreiheit wider, in der die EU-Länder Malta, Tschechien, Slowakei und Serbien zu den größten Verlierern gehören. In diesen Ländern seien Spitzenpolitiker durch verbale Anfeindungen, Beschimpfungen und juristische Schritte gegen Journalistinnen und Journalisten aufgefallen.
    Und auch in europäische Ländern wie Polen oder Ungarn würden kritische Medien von demokratisch gewählten Staats- und Regierungschefs unverhohlen als Feinde bezeichnet werden, so Reporter Ohne Grenzen.
    Eigene Zeitung, eigene Wahrheit
    Der Journalist Daniel Bouhs ist im vergangenen Jahr durch einige dieser von Reporter Ohne Grenzen kritisierten Länder gereist - u.a. durch Polen, Ungarn und Bulgarien, die damals die Schlusslichter der EU-Staaten im Pressefreiheits-Ranking gebildet haben. Zwar sehe er anders als Reporter Ohne Grenzen beispielsweise die Pressefreiheit in Ungarn eingeschränkter als in Bulgarien, aber die Tendenz der Rangliste sei auch seinen Erfahrungen nach korrekt. Der Großteil der Medienlandschaft in diesen Ländern bewege sich mittlerweile oft im Bereich von Fake News und Desinformation.
    "Wir waren schon überrascht, als die Kollegen erzählt haben, dass es zwar extrem viele kleine Zeitungen dort gibt - das also erstmal nach Vielfalt aussieht. Diese Zeitungen gehören aber überwiegend Oligarchen, die letztlich Zeitungen sammeln, wie sie Yachten sammeln, und damit prahlen und Instrumente haben, um ihre Wahrheit zu publizieren - institutionalisiert durch das alte, etablierte Medium Zeitung."
    Das schwierige daran sei für die Konsumenten vor Ort, Wahrheit zu erkennen durch die Vielfalt der verschiedenen alternativen "Wahrheiten", die es gebe. Laut Bouhs würde die Pressefreiheit in diesen Ländern deshalb am Ende auch nicht durch staatliche Sanktionen oder Zensur von gewissenhaft arbeitenden Journalistinnen und Journalisten gefährdet. Stattdessen würden deren Recherchen erstickt durch eine Flut von anderen "Wahrheiten".