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Produktion via Crowdworking
Wie Kleinbus Olli autonomes Fahren lernt

Beim sogenannten Crowdworking vergeben Firmen Aufträge auf Online-Plattformen, Auftragnehmer fischen sich dort Projekte heraus. Jetzt haben sich mehrere Software-Programmierer virtuell zusammengetan, um einem Kleinbus namens Olli das autonome Fahren beizubringen.

Von Thomas Weinert | 24.05.2017
    Teilnehmer am "Battle Hack", bei dem kreative Entwicklerteams in etwa 24 Stunden ein neues Produkt schaffen
    Auch viele Lernprozesse werden in der Crowd erledigt. (picture alliance / dpa)
    "Crowdworking kommt vor allen Dingen stark in Entwicklerkreisen vor und zwar da, wo wir im hochqualifizierten Bereich unterwegs sind, wo es spezielle Herausforderungen gibt, die von einer Entwicklergemeinde gelöst werden. Es werden Probleme auf eine Plattform gestellt und die Entwicklercommunity hat einen Reiz daran, diese Probleme zu lösen. Und das ist eine starke Motivation für Entwickler, neue Lösungen zu finden."
    Joachim Bühler ist beim Branchenverband BitKom und zuständig für die neue digitale Arbeitswelt. "Wer bist du?" "Ich bin ein intelligenter selbstfahrender Schuttle namens Olli." "Schuttle, das wurde extra für die Presse gemacht."
    Christoph Menzel ist Mechatronikingenieur und hat Olli, den selbstfahrenden und sprechenden Bus auf einer solchen Crowdworking Plattform entstehen lassen. Und Damien Declercq ist der Chef von localmotors, der Firma, die Olli finanziert:
    "Wir nutzen eine große Gruppe von Talenten, das nennen wir unsere Community, das sind derzeit etwa 48.000 Menschen, die auf der ganzen Welt verteilt sind in über 130 Ländern und wir bringen die Fahrzeuge dann vor Ort auf den Markt in kleinen Produktionseinheiten, die wir Microfabriken nennen. Und diese Kombination aus diesen beiden Elementen macht uns sehr speziell verglichen mit anderen Produktionsprozessen."
    Wie eine überdimensionierte Brotdose auf Rädern
    Eine dieser Microfabriken von localmotors steht in Berlin Treptow. Ollis Einzelteile werden hier zusammengebaut. Ollis Rahmen ist aus Metall:
    "Bist du sicher?" "Mein Aluminiumrahmen macht mich stark und mächtig!" "Wer hat sich das denn ausgedacht? Ne, wir haben tatsächlich eine Aluminiumstruktur", die man Außen und Innen jedoch nicht vermutet. An Olli ist hauptsächlich Kunststoff zu sehen, die Einzelteile werden in der Crowd stets weiterentwickelt und sofort in den Produktionsprozess eingefügt: Es sind "viele Teile am Auto entweder direkt 3D gedruckt. Hier, diese Schürzen unten oder die Radkästen, die sind auch noch etwas rustikal und unbearbeitet – direkt gedruckt."
    Olli steht fahrbereit auf einem Testgelände in Berlin Schöneberg. Der Kleinbus sieht aus wie eine überdimensionierte Brotdose auf Rädern. Aber woher lernt Olli, wo er hinfahren muss und wie er auf den Verkehr reagiert? Auch dieser Lernprozess wird in der Crowd erledigt, in diesem Fall über die Firma crowdguru in Berlin Kreuzberg. Hans Speidel ist der Geschäftsführer und auf die Frage, ob er denn die Expertise seiner Mitarbeiter kenne, bevor so eine große Aufgabe zu lösen ist, antwortet er mit einem klaren:
    "Jein. Klar, wir fragen so ein bisschen ab, woher die Leute kommen, auf einer freiwilligen Basis zumindest, aber es ist dann auch bei uns so, wenn ein neuer Job zur Verfügung gestellt wird, ist es nicht so, dass sich da sofort alle draufstürzen dürfen, sondern wir machen es dann schon so, dass sich die Leute erstmal dafür qualifizieren müssen. Wir fragen erstmal ab, wer bringt ein gewisses Verständnis dafür mit um natürlich nach hinten raus die Qualität sicherstellen zu können."
    Menschen, die ihren Horizont – und den des Autos – erweitern wollen, finden sich nun also virtuell zusammen mit ihrem jeweiligen Input.
    Über Geld wird nicht geredet
    Dieser Input wird zunächst so kalkuliert, dass der Preis, den der Auftraggeber zahlen muss, runtergebrochen wird auf den einzelnen Guru, wie Speidel seine Mitarbeiter im Netz nennt. Für die Firma muss ein Gewinn übrig bleiben, für den Guru der Mindestlohn als unterste Grenze. Ist die Aufgabe komplexer, gibt es mehr Geld, aber wie so oft, wird darüber nicht geredet.
    Das Verfahren bei größeren Entwicklungsaufträgen erklärt Joachim Bühler von Bitkom: "Über die Plattform wird ein Projekt angeboten, was von einem Entwickler zu lösen ist und dann gibt es einen Zuschlag und das ist letztendlich wie eine Auftragsvergabe wie aus dem Selbstständigenbereich und einer, der es am Besten kann und am kompetentesten ist, erhält den Zuschlag und wird auf Rechnung ganz normal bezahlt".
    Bei weniger anspruchsvollen Aufgaben liegt die Bandbreite der Entlohnung zwischen Mindestlohn und zwölf Euro pro Stunde, insbesondere dann sind faire Konditionen zu erwarten, wenn der Anbieter eine Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnet hat, die die IG Metall zusammen mit Crowdworking Plattformen entwickelte. Christiane Benner ist die zweite Vorsitzende der IG-Metall:
    "Unser Prinzip ist halt: Nur, wer sich organisiert, ist stark und durchsetzungsfähig und dann letztlich auch geschützt. Wir machen Vernetzungstreffen und Workshops. Wir bieten Möglichkeiten, dass sich die Crowdworker untereinander austauschen und das Ziel ist wirklich für uns, dass wir sehen, warum machen die das, was stecken da für Chancen drinnen und wie können wir die Risiken minimieren. Dass die Bedingungen sehr unterschiedlich sind haben wir festgestellt, zum Teil unfair, aber wir haben viele Plattformbetreiber mittlerweile in unserem Netzwerk mit drin, die sich verpflichtet haben, gute Standards für Crowdworker zu etablieren."
    Noch Fragen? Eine gäbe es noch … Wo geht eigentlich die Tür zu bei Olli?
    "Jetzt bin ich mal ganz intuitiv aber mir würde jetzt nicht einfallen, wo ich hier die Tür zu kriege!?""Hier!"