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Programmwechsel auf dem Wertstoffhof

Die Entsorgung und Wiederverwertung von Elektroschrott ist hoch kompliziert. Beim Recyceln von PCs, Handys und Fernsehgeräten verschieben sich derzeit die Schwerpunkte. Das wird vor allem am Beispiel von Röhrenmonitoren und Flachbildschirmen deutlich.

Von Manfred Kloiber | 11.09.2012
    So hört sich das traurige Ende eines Fernsehgerätes an. Wenn eine Bildröhre implodiert, dann ist das nicht nur mit sehr viel Lärm verbunden, sondern auch mit viel Gift. Denn in den Kathodenstrahlröhren stecken jede Menge Schwermetalle, vor allem Blei. Etwa 230.000 Tonnen Schrott fallen dieses Jahr in Deutschland voraussichtlich an alten Fernsehgeräten und Computermonitoren mit Bildröhren an. Und wer meint, nur weil in den Regalen der Elektronikmärkte Bildröhren so gut wie gar nicht mehr zu finden sind, müssten sie auch auf dem Recyclinghof längst out sein, der irrt. Das hat Dr. Perrine Chancerel von der Technischen Universität Berlin herausgefunden.

    "Bildröhrengeräte werden noch lange in den Abfall kommen, weil die Lebensdauer so lang ist. Es wird abgeschätzt, dass Fernseher ungefähr 15 Jahre lang genutzt werden. Benutzt heißt nicht nur, dass sie im Wohnzimmer stehen oder in anderen Räumen, sondern auch, dass sie ungenutzt gelagert werden."

    Die Expertin für Nachhaltige Technologien hat aber errechnet, dass es ab nächstem Jahr auch mit dem Bildröhrenschrott langsam bergab geht. Doch für viele Jahre noch stehen genügend Bildröhrengeräte bei den Verbrauchern zur Entsorgung an, um die dafür aufgebauten Recyclinganlagen auszulasten. Während früher allerdings das bleibelastete Glas der Bildröhren eingeschmolzen und für neue Bildröhren wiederverwendet werden konnte, ist es heute kaum noch zu gebrauchen. Und langsam aber sicher wird es für die Recyclingunternehmen wichtig, sich auf die LCD-Bildschirme einzustellen. Die fielen bislang beim Elektronikschrott im wahrsten Sinne des Wortes kaum ins Gewicht, stellt Perrine Chancerel fest:

    "Ich habe abgeschätzt, dass ungefähr 2017 erst nennenswerte Mengen an Flachbildschirmen als Altgeräte ankommen. Das heißt nicht, dass man nicht die Behandlung vorbereiten muss, damit wir schon die Strukturen haben, um die sorgfältig behandeln zu können. Aber die Mengen sind noch nicht da."

    2020 etwa werden Bildröhren- und LCD-Monitore mit jeweils 100.000 Tonnen gleichauf liegen. Zwar ist die Lebensdauer eines LCD-Fernsehgerätes mit zehn Jahren deutlich kürzer, dafür aber bringt das LCD-Gerät insgesamt weniger Kilos auf die Schrottwaage. Und während für das fachgerechte Entsorgen von Bildröhrengeräten jeder Handgriff erprobt und die Materialflüsse optimiert sind, stehen die Umweltexperten beim LCD noch ziemlich am Anfang, meint Dr. Nils Nissen vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration in Berlin:

    "Also wir kennen keine vereinheitlichten Prozesse für das LCD-Recycling. Es gab Projekte, wo zum Beispiel versucht wurde, sie so zu erhitzen, dass sie von alleine aufgehen und Ähnliches. Aber bisher muss man LCDs separat demontieren und dann die einzelnen Fraktionen, also das Panel, das Backlight, die Glasscheiben, in einzelne Entsorgungsstränge geben."

    Das kann am Anfang der LCD-Entsorgungswelle durchaus aufwendig sein. Denn ältere Displays arbeiten beim Backlight, der Hintergrundbeleuchtung, mit Leuchtstoffröhren, die Quecksilber enthalten und deshalb besonders sicher und vorsichtig behandelt werden müssen.

    Doch sobald die neue Generation von LCDs mit LED-Backlight ins Recycling kommt, werden Flachbildschime relativ unproblematisch, was Giftstoffe angeht. Dann können sich die Recyclingunternehmen auch beim Flachbildschirm dem Urban-Mining widmen. Das schwer zu beschaffende Indium ist ein Schlüsselmetall in den Flachbildschirmen. Es wird fast ausschließlich von China geliefert und gilt deshalb als politisch heikel. Entsorgungsspezialistin Ramona Götze von der TU-Berlin hat sich den gesamten Lebenszyklus eines Flachbildschirms unter einem Aspekt angesehen: Wie viel Indium könnte man später wieder einmal rausholen und mit welchem Aufwand? Die Ergebnisse sind ernüchternd: Nur 0,0195 Prozent stecken in astreinem Bildschirmschrott und der Wert beträgt nur wenige Cents. Und doch ist sich Götze sicher, dass selbst diese geringen Mengen irgendwann einmal interessant werden:

    "Hier sitzen heute sehr viele Leute und interessieren sich dafür, wie man das Indium aus Dingen zurück bekommt. Und das Problem ist, dass zurzeit noch einfach keine Infrastruktur dafür vorhanden ist und auch die Prozesse noch nicht ganz klar sind, die dazu genutzt werden können."