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Protest gegen italienische Schulreform
Lehrer kritisieren staatliche Finanzierung von Privatschulen

Rund 70 Prozent der italienischen Lehrer protestiert zurzeit gegen den geplanten Umbau ihres Schulsystems. Nach der Reform von Matteo Renzi sollen zwar viele befristet Beschäftigten eine Festanstellung erhalten - doch an der verfassungswidrigen öffentliche Finanzierung privater und kirchlicher Schulen will auch er nicht rütteln.

Von Thomas Migge |
    "Ehrlich gesagt sind wir es leid, dass jede Regierung eine Schulreform durchführen will. Auch diese Regierung will jetzt wieder alles auf den Kopf stellen."
    Mariella de Croce ist Lehrerin an einer Grundschule am römischen Stadtrand. Auch sie ist, wie Umfragen zufolge rund 70 Prozent aller italienischen Lehrer, gegen den geplanten Umbau des Schulsystems. Regierungschef Matteo Renzi kann die Proteste gegen seine Reform nicht nachvollziehen:
    "Wir haben was ganz Tolles gemacht. Sogar Brüssel hat uns dafür gelobt, das wir die europaweit größte Befragung von Lehrern durchgeführt haben, um herauszufinden, was man besser machen kann. Unsere Reform wird also nicht von oben aufoktroyiert, sondern wir realisieren nur was die Betroffen sich wünschen."
    Öffentliche Schule sollen Sponsoren suchen
    Hauptpunkt der Reform, die derzeit im Parlament heftig diskutiert wird, ist die Stabilisierung der Arbeitsverhältnisse von tausenden Lehrern mit bisher befristeten Arbeitsverträgen. 150.000 solcher Lehrer sollen bis September endlich die lang ersehnte Festanstellung erhalten. Drei Milliarden Euro will die Regierung dafür zur Verfügung stellen.
    Es soll auch ein Kollektivvertrag für alle Lehrer eingeführt werden. Lehrerbeförderung inklusive mehr Gehalt soll nach Renzis Reformprogramm auch von Leistungskriterien abhängig sein - die durch eine Benotung durch Schüler, Eltern und den Schulrektor abhängig sein wird.
    Der Person der Schulrektoren werden ganz generell mehr Befugnisse als bisher zukommen. Sie sollen auch die Möglichkeit haben, ihre Schulen mithilfe privater Geldgeber kozufinanzieren. Ein Skandal, schimpft Paolo Delvino, Gymnasiallehrer in Rom:
    "Schuldirektoren sollen Sonderrechte bekommen. Sie werden so zu Schulsheriffs! Und dann ist es doch ein mieser Witz, dass auch diese Regierung den Privatschulen 450 Millionen Euro zukommen lässt, und unsere öffentlichen Schulen vor die Hunde gehen oder sich Sponsoren suchen sollen."
    Renzi will es sich mit der Kirche nicht verscherzen
    Der Lehrer trifft damit einen wunden Punkt – der auch einer der Gründe für die Heftigkeit der öffentlichen Debatten ist. Die italienische Verfassung untersagt öffentliche Gelder für private Bildungseinrichtungen, das sind in Italien vor allem Schulen der katholischen Kirche. Trotzdem erhalten diese Schulen jedes Jahr viel Geld, obwohl dies illegal ist, aber von so gut wie keiner politischen Partei infrage gestellt wird.
    Die Folge: Das ohnehin knappe Budget für öffentliche Schulen reicht vorne und hinten nicht. Die vor allem konfessionellen Schulen, die sich auch durch das nicht zu knappe Schulgeld der Eltern finanzieren, haben diese Probleme nicht. Aber die verfassungswidrige Finanzierung privater Schulen wird von der Regierung Renzi nicht thematisiert. Auch der Sozialdemokrat will es sich mit der Kirche nicht verscherzen.
    Susanna Camusso, Chefin des größten Gewerkschaftsverbundes CGIL, begrüßt zwar den Willen der Regierung aus prekären fest angestellte Lehrer zu machen und endlich auch die Lehrerausbildung landesweit zu regulieren, damit sie endlich vereinheitlicht wird. Doch auch sie wirft Matteo Renzi vor, das Grundübel der Finanzierung privater Schulen nicht auszumerzen:
    "Die Politiker wollen nicht begreifen, dass sie mehr in die öffentliche Schule investieren müssen: in Restaurierungen, in dringend notwendige Bauarbeiten und technische Geräte. Schuldirektoren zu allmächtigen Potentaten zu machen und weiterhin Privatschulen zu finanzieren: Das ist die total falsche Richtung."
    Und so kündigt Signora Camusso weitere Streiks und Demos an, bis, droht sie Matteo Renzi, die Schulreform in eine neue, in die richtige Richtung geht.