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Putin in Belgrad
Slawische Brüder und europäische Wege

Hoher Besuch bei der ersten Militärparade in Serbien seit Jahrzehnten: Wladimir Putin wird heute in Belgrad der Befreiung vor 70 Jahren gedenken. Eigens für den russischen Präsidenten wurde die große Parade sogar vorgezogen. Im Westen wird Putins Besuch argwöhnisch beäugt. Denn Serbien betreibt eine Schaukelpolitik.

Von Stephan Ozsváth |
    Seit Tagen schon donnern die Kampfjets über Belgrad. Sie üben für die große Militärparade, die erste seit 29 Jahren. Flugzeuge, Panzer und mehrere Tausend Soldaten sollen an die Befreiung Belgrads von den deutschen Besatzern vor 70 Jahren erinnern. 6000 Tito-Partisanen waren bei den Kämpfen damals ums Leben gekommen, aber auch etwa tausend Sowjet-Soldaten. Sie will der hohe Staatsgast ehren, der russische Präsident Wladimir Putin. Serbiens Premier Aleksandar Vucic sagte im Vorfeld der Sechs-Stunden-Visite des Russen.
    "Für uns ist der 70. Jahrestag der Befreiung Belgrads ein sehr wichtiges Ereignis. Wir schämen uns nicht wegen unserer Gäste. Wir wollen auch mit Russland eine gute Zusammenarbeit. Aber ich wiederhole – auch vor Putin: Serbien befindet sich auf dem europäischen Weg."
    Damit Putin dabei sein kann, war die Parade eigens um vier Tage vorverlegt worden. Zuviel Anbiederung, findet der ehemalige Verteidigungsminister Dragan Schutanovac von den oppositionellen Demokraten.
    "Es ist völlig unnatürlich, dass die Parade zu Ehren eines Staatsmannes vier Tage vor dem eigentlichen Gedenktag zur Befreiung Belgrads organisiert wird. Am 16. Oktober 1944 war das serbische Parlamentsgebäude noch nicht befreit, was beweist, dass wir unnötig schmeicheln. Denn ich bezweifle, dass man in Moskau aus irgendeinem Grund die grandiose Parade vom 9. Mai auf den 5. Mai verlegen würde, nur irgendein Staatsmann kommt."
    Mehrheit begrüßt Putins Besuch
    Auf großen Plakaten – finanziert vom russischen Energie-Riesen Gazprom – wird in Belgrad vor allem die Freundschaft Serbiens und Russlands beschworen. Straßenverkäufer bieten T-Shirts mit Putin-Motiven feil. Zwei von drei Serben finden den Besuch Putins in der serbischen Hauptstadt nach einer aktuellen Umfrage gut, diese Belgrader gehören dazu.
    "Es ist schön, warum nicht, sagt diese Frau. Wir mögen es, wenn Staatsmänner oder überhaupt wenn Gäste kommen. Ich mag Flugzeuge und so was. Und dieser Mann findet: So was sollte jedes Jahr stattfinden. Auch dieser Kioskverkäufer findet das gut. Wir sollten stolz auf unsere Geschichte sein, sagt er. Wir haben gute Beziehungen zu Russland. Und in der EU gibt es doch intelligente Leute. Die können doch nichts dagegen haben, wenn man miteinander redet."
    Nur eine Minderheit der Serben ist laut Umfrage gegen den Schulterschluss von Serben und Russen – in dieser Zeit.
    "Nichts Positives verbinde ich damit, sagt dieser Belgrader. Dumm, dass das Datum geändert wurde. Und wir verschwenden Geld, das wir nicht haben. Wir werden von Russland immer für seine Ziele missbraucht."
    Und dieser junge Serbe hat nicht vergessen, welchen Kurs Putin im eigenen Land und in der Ukraine verfolgt. Er sagt:
    "Ehrlich. Da kommt ein Diktator, wir kriechen ihm hinten rein. Eine Parade nach der anderen. Die meisten sehen das hier vielleicht anders. Aber das riecht alles nach Rückkehr in die Sowjetunion."
    Serbien als lachender Dritter?
    Auch im Westen wird der Putin-Besuch in Belgrad argwöhnisch beäugt. Denn Serbien betreibt eine Schaukelpolitik. Einerseits betont Serbiens Premier Vucic immer wieder den "europäischen Weg" Serbiens. Andererseits pflegt man die Nähe zum slawischen Bruder Russland. Und unterläuft zum Beispiel Sanktionen. So hofft Serbien, im Wirtschaftskrieg zwischen EU und Russland der lachende Dritte zu sein und heimische Agrarprodukte verstärkt nach Russland zu liefern. Der serbische Präsident Nikolic begründet das so.
    "In unserem Budget fehlen 600 Millionen Euro und wir haben beschlossen, Renten und die Löhne der Beschäftigten in der Verwaltung zu senken, einen Teil zu entlassen. Damit werden wir politische Instabilität im Lande schaffen. Wir haben keine Wahl. Wenn wir Sanktionen gegen Russland verhängen, brauchen wir noch einmal 800 Millionen. Das würde dann schon das Ende Serbiens bedeuten."
    Wirtschaftlich erhoffen sich die Serben außerdem stärkere Investitionen der Russen in die maroden Staatsbetriebe. Für die Russen wiederum ist Serbien ein wichtiger Brückenkopf auf dem Balkan – und wichtigster Partner beim Pipeline-Projekt South Stream. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. So fördert Moskau mit 30 Millionen Euro Ikonen für die größte serbisch-orthodoxe Kirche in Belgrad. Die Serben bedanken sich mit einer Statue des russischen Zaren Nikolaus des Zweiten, die in der Hauptstadt Belgrad aufgestellt wurde.