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Radioaktives Erbe
Altlasten des Uran-Bergbaus bedrohen Kirgisistan

In Mailuu-Suu wurde bis in die 1960er-Jahre Uran für das sowjetische Nuklearprogramm abgebaut. Die Kleinstadt in Kirgisistan zählt heute zu den am stärksten mit Giftstoffen belasteten Regionen der Erde. Mit internationaler Hilfe sollen die uranhaltigen Altlasten nun saniert werden.

Von Dagmar Röhrlich |
Ziegen grasen auf dem Absetzbecken Nr.5 in Mailuu-Suu
Ziegen grasen auf dem Absetzbecken Nr. 5 in Mailuu-Suu (Copyright: EBRD)
Den ganzen Sommer über hat es nicht geregnet. Das Gras ist längst verdorrt, doch die Hirten treiben ihre Tiere trotzdem auf die Weiden. Kühe, Schafe, Pferde, sie alle versuchen in dem weiten Hügelland irgendwie satt zu werden.
Wir sind auf dem Weg nach Mailuu-Suu, einer Kleinstadt im kirgisischen Teil des Alaigebirge. Zwischen 1946 und 1968 wurde dort Uran für das sowjetische Nuklearprogramm abgebaut. Dann waren die Vorräte erschöpft. Zurück blieben zwei Aufbereitungsanlagen, 30 Abraumhalden und 23 Absetzbecken mit sogenannten Tailings, den uranhaltigen Restschlämmen aus der Aufbereitung.
"Für Kirgistan zählen die Risiken durch uranhaltige Altlasten zu den wichtigsten Langzeitproblemen."
Tags zuvor. Eine Pressekonferenz in Osh, der zweitgrößten Stadt Kirgistans. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen haben eine kleine Gruppe Journalisten eingeladen. Staatssekretär Azamat Mambetov beschreibt die Lage.
Gefahr durch Abraumhalden und radioaktiv belastete Abwasserbecken
Insgesamt gebe es in Kirgistan mehr als 90 Tailings, in denen über 260 Millionen Tonnen uranhaltiger Abfälle steckten. Die bedrohten eine der fruchtbarsten und am dichtesten besiedelten Regionen Zentralasiens:
"Die Zukunft Zentralasiens hängt von seiner Wasserversorgung ab – im Ferghanatal beispielsweise vom Fluss Syrdarja. Die großen Uranaltlasten liegen entlang der Nebenflüsse des Syrdarja. Wenn nun durch ein Erdbeben oder einen Erdrutsch der Damm eines Absetzbeckens bricht, geraten die toxischen Abfälle in diese Nebenflüsse, werden fortgespült und gelangen so in den Syrdarja und damit ins Ferghana-Tal, wo 14 Millionen Menschen leben."
"Wir haben in der Region um das Ferghana-Tal, durch das wir gerade fahren, sieben Uran-Altlasten identifiziert, die vordringlich saniert werden müssen."
Blick auf Mailuu-Suu, eine Industriestadt mit etwa 23.000 Einwohnern im Gebiet Dschalalabat im Süden Kirgisistans
Blick auf Mailuu-Suu, eine Industriestadt mit etwa 23.000 Einwohnern im Gebiet Dschalalabat im Süden Kirgisistans (Copyright: EBRD)
Wir sind gerade unterwegs zu einer dieser Altlasten. Nach Mailuu-Suu. Die rund 200 Kilometer lange Fahrt von Osh dorthin ist holprig. Japanische Firmen wollten die Straße sanieren – doch seitdem die Teerdecke aufgerissen worden ist, geht es nicht weiter. Das Ferghana-Tal gehöre drei Ländern: Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan, beschreibt Martin Andersen von der Europäischen Kommission. Er leitet von EU-Seite ein Programm zur Sanierung dieser Altlasten.
"Das Problem mit den Uranaltlasten reicht also über die Grenzen Kirgistans hinaus. Die alten Dämme umschließen Hunderttausende, manchmal sogar Millionen Tonnen giftiger, strahlender Abfälle aus der Aufbereitung. Bricht einer von ihnen, wird dieses Material freigesetzt – und das trifft auch die Nachbarn. Die Katastrophe würde also neben den Umweltfolgen durch Konflikte zwischen den Nationen auch die geopolitische Lage verschlechtern."
"It is actually not a question of if, but rather when it will happen."
Es ist tatsächlich nicht die Frage, ob so etwas passieren wird, sondern eher wann. Denn in dieser Region der Erde gibt es immer wieder Erdbeben, Überflutungen und Hangrutsche. Nachdem die drei zentralasiatischen Staaten deshalb die UNO um Hilfe gebeten hatten, hat die Weltbank ein erstes Sanierungsprojekt finanziert. In Mailuu Suu.
Unterstützung bei der Sanierung durch Firmen aus Deutschland
Durchgeführt wurde es unter der Leitung deutscher Unternehmen, die in Sachsen und Thüringen die Hinterlassenschaften des Uranbergbaus saniert haben. Sie sind auch federführend bei den sieben als vordringlich eingestuften Sanierungsfällen.
"Die in diesem Tal gelegenen Absetzanlagen sind in einer Entfernung von ein bis zwei Kilometern von dem Siedlungsgebiet entfernt."
Jürgen Hartsch von der Freiberger Ingenieurgesellschaft GEOS. Wir sind in Mailuu Suu angekommen und stehen auf einer der Altlasten – einem zugeschütteten Absetzbecken an einem der steilen Berghänge. Unten im Tal bahnt sich der Fluss Ailampa-Sai seinen Weg durch den Schotter. Auf der anderen Talseite brennt eine Mülldeponie, ein paar Ziegen suchen zwischen den Abfällen nach Fressbarem. Denn die Vegetation in diesem Gebirgstal ist spärlich.
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Ziegen in der Nähe eines mit einem roten Schild markierten Absetzbeckens (Copyright: EBRD)
Weil die Absetzbecken, die sich hier entlang der Hänge erstrecken, in den 1970er Jahren mit unkontaminiertem Boden abgedeckt worden seien, lägen die Strahlungswerte auf ihnen im Rahmen der natürlichen Hintergrundstrahlung – solange die Abdeckung intakt bleibe, erklärt Jürgen Hartsch. Die Sanierung soll genau das langfristig sicherstellen.
Fachgerechte Sicherung und Umlagerung von radioaktivem Müll
"Die neuen Abdeckungssysteme haben zum Ziel, dass keine Erosionsprozesse diese Abdeckung zerstören können und dass das Regenwasser maximal davon abgehalten wird, in die Tailings hinein zu filtrieren, sondern über entsprechende Oberflächendrainage-Systeme in seitliche Gräben abgeleitet wird."
Außerdem müssen einige der Absetzbecken, die in unmittelbarer Nähe des Ailampa-Sai angelegt worden sind, umgelagert werden. Denn der Fluss droht sie wegzuspülen. Ein weiteres Becken liegt direkt neben einem großen, aktiven Hangrutsch. Auch dessen Inhalt muss schnellstens in ein sicheres Gebiet gebracht werden.
Um die 85 Millionen Euro dürfte die Sanierung aller sieben, in Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan als vordringlich eingestuften Projekte kosten, erläutert Balthasar Lindauer von der die Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die derzeit die Gelder für die Sanierungen sammelt:
"Wir haben diesen Fund 2015 gegründet, der ist 2016 richtig betriebsbereit gewesen. Wir haben zunächst angefangen mit Beiträgen von der Europäischen Kommission, und im letzten Jahr hat die kirgisische Regierung gemeinsam mit der Kommission eine Geberkonferenz durchgeführt. Und da haben wir neue Geber dazugewonnen, und mittlerweile verfügen wir über rund knapp 35 Millionen Euro."
Neben der Europäischen Kommission zählen Belgien, die Schweiz, die Vereinigten Staaten und Norwegen zu den Geberländern. Deutschland nicht, trotz der federführenden Beteiligung deutscher Firmen. Noch fehlen 50 Millionen Euro – eine Lücke, die vielleicht bald etwas kleiner werden könnte.
"Am 15. November ist eine der regelmäßigen Geber-Versammlungen, wo wir die existierenden Geber über den Fortschritt informieren. Diese Sitzungen sind aber auch offen für potenziell andere interessierte Länder. Wir hoffen sicher, dass da auch welche kommen werden, die möglicherweise zu der Überzeugung kommen, dass sie diesem Unternehmen beitreten sollten."