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Rassismus in den USA
"White Supremacy dominiert die amerikanische Gesellschaft"

Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten hat eine Protestwelle in den USA und vielen anderen Ländern ausgelöst, wie es sie seit den 60er-Jahren nicht mehr gab. In gewisser Weise setze sich hier die Lynchjustiz fort, sagte die Historikerin Christine Knauer im Dlf.

Christine Knauer im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Demonstrierende am Washington Square in New York
Demonstrierende am Washington Square in New York (imago)
Die Gewalt gegen Afroamerikaner habe auch in der Polizei eine lange Geschichte, sagte die Historikerin Christine Knauer im Deutschlandfunk. Christine Knauer forscht speziell zur amerikanischen und afroamerikanischen Geschichte. Da müsse man bis zur Sklaverei zurückgehen, bis zu den Slave Patrols, die entlaufene Sklaven aufspüren sollten. "Diese sind nicht zimperlich vorgegangen." Das habe sich auch nach dem Bürgerkrieg fortgesetzt, obwohl die Sklaverei im Zuge des Civil War 1865 abgeschafft wurde. Trotzdem wurde gezielt gegen Afroamerikaner, die kriminalisiert wurden, vorgegangen, auch die Lynchmorde seien Teil dieses Unterdrückungsapparates gewesen. Polizeigewalt und Lynchjustiz liefen parallel.
Christine Knauer ist Lehrbeauftragte für nordamerikanische Geschichte an der Universität Tübingen. Sie forscht derzeit über Lynchings in den USA im 20. Jahrhundert, sowie über das Koreakriegsdenkmal und der öffentlichen Erinnerung an den Koreakrieg in den USA. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. Equal Rights, Feminismus, Schwarze im US-Militär (am Beispiel Korea-Krieg).
Dossier: Rassismus
Dossier: Rassismus (picture alliance / NurPhoto / Beata Zawrzel)
"White Supremacy", die Ideologie der weißen Vorherrschaft, "dominiert noch immer die amerikanische Gesellschaft", so Christine Knauer. Das sehe man exemplarisch eben auch an der Polizei, die weiß dominiert sei. Und an Donald Trumps Politik, die auf Spaltung ziele. Afroamerikanische Stereotype setzten sich in Institutionen und Organisationen immer noch durch. Oft würden diese aber durch den strukturellen und systemischen Rassismus wiederum bestätigt, denn Schwarze hätten weniger Zugang zu guten Schulen, zum Gesundheitswesen, zu Wohnungen in den besseren Gegenden. Das sehe man auch in Minneapolis, der Stadt im Norden der USA, in der George Floyd lebte. Rassismus sei nie nur ein Problem des Südens der Vereinigten Staaten gewesen, sondern ein gesamtamerikanisches.
Demonstranten haben "die Nase voll von dieser Polizeigewalt"
Keine Gerechtigkeit für Afroamerikaner in den USA. Dieses Gefühl bringe viele Demonstrierende jetzt auf die Straße, sagte der Vizevorsitzende der Democrats Abroad Germany Kenton E. Barnes im Dlf. Auch er habe schon Rassismus durch die Polizei erfahren.
"Der amerikanische Traum, der immer wieder gepusht wird, der ist für Afroamerikaner*innen sehr schwer zu erreichen", so Knauer. Die Geschichte Amerikas würde auch heute noch immer als weiße Geschichte erzählt, trotzdem es seit knapp 100 Jahren die Black History Week bzw. den Black History Month gäbe. Die Aufarbeitung der Sklaverei sei immer noch nicht erfolgt. Außerdem müsse man auch reflektieren, was es bedeute, weiß zu sein. "Wir sollten uns unserer Privilegien bewusst werden und was strukturell uns schon von Grund auf gegeben ist", sagte die Historikerin. Das gelte im Übrigen auch für Deutschland.
Rassismus – das Erbe der Sklaverei
Die Zeit der Sklaverei ist ein dunkles Kapitel, mit dem sich die USA bis heute schwer tun. Zwar sind Sklaverei und Rassentrennung längst abgeschafft, doch der Virus des Rassismus grassiert weiterhin, kritisieren Menschenrechtler. Die Gewalt der extremen Rechten nimmt zu.