Mittwoch, 08. Mai 2024

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Raumklima in der Forschung
Auf der Suche nach Behaglichkeit

Zu warm, zu kalt, zu feucht: Wenn das Klima nicht stimmt, reagiert der Mensch mit Unwohlsein. In Weimar arbeiten Wissenschaftler an der Optimierung des Raumklimas, etwa in Büros. Bei minimalem Energieaufwand sollen individuelle Wärme-Bedürfnisse befriedigt werden.

Von Henry Bernhard | 06.08.2016
    Bauphysik an der Bauhaus-Universität in Weimar: Ein Dummy mit Messgeräten, die jeweils Temperatur, Feuchtigkeit, Luftströmungen messen, unterstützt die Erforschung des Raumklimas.
    Bauphysik an der Bauhaus-Universität in Weimar: Ein Dummy mit Messgeräten, die jeweils Temperatur, Feuchtigkeit, Luftströmungen messen, unterstützt die Erforschung des Raumklimas. (Deutschlandradio / Henry Bernhard)
    Conrad Völker schließt die unscheinbare Tür auf. Dahinter folgt gleich die nächste Tür.
    "So, das ist unsere Klimakammer, auf die wir recht stolz sind, weil wir alle sechs Flächen, also eins, zwei, drei, vier Wände plus Decke und Fußboden separat heizen und kühlen können, in einem Spektrum von etwa 10 bis 40 Grad. Die Lüftung kommt noch dazu, die wir auch hinsichtlich der Temperatur und der Einströmgeschwindigkeit steuern können."
    Conrad Völker bekleidet eine der wenigen Bauphysik-Professuren weltweit, die sich mit dem Raumklima beschäftigen. In der Klimakammer an der Bauhaus-Universität in Weimar, drei mal drei Meter groß, sitzt ein gelber Dummy, fast wie eine Schaufensterpuppe. Vor ihm Messgeräte von Kopf bis Fuß, die jeweils Temperatur, Feuchtigkeit, Luftströmungen messen.
    Auch der Mensch beeinflusst das Raumklima
    "Herzstück unserer Anlage ist das thermische Manikin Feelix, also von to feel – fühlen, welches die Wärmeabgabe des menschlichen Körpers simulieren kann. Es hat nämlich Heizdrähte unter der Hautoberfläche und kann damit die Wärmeabgabe zum Beispiel eines sitzenden Menschen – was ungefähr 120 Watt entspricht – simulieren, womit wir den Einfluss des Menschen auf das Raumklima untersuchen können und aber auch andererseits den Einfluss des Raumklimas auf den Menschen. Wir können also schauen, ob sich gewisse Körperteile von anderen unterscheiden, ob die zu kalt werden, ob die zu warm werden, wie es hinsichtlich der thermischen Behaglichkeit aussieht."
    Feelix kann sogar atmen – die Raumluft mit seinem Atem bewegen und anfeuchten. Völker sieht hier nicht etwa eine gelbe Puppe in einem fensterlosen Raum vor sich, verdrahtet und angepustet von einem Schlauch, sondern einen Angestellten, dem es im Sommer im Büro zu warm wird, oder im Winter zu kalt. Aber nicht einfach, weil die Klimaanlage falsch eingestellt ist, sondern zum Beispiel weil die Außenwand nicht gedämmt ist und eine unangenehme Kühle ausstrahlt. Oder weil es permanent zieht. Oder zu feucht ist. Das alles kann die Kammer simulieren. Es geht – so viel Ehrlichkeit muss sein – im Großen und Ganzen um Büroräume.
    "Das Ziel ist es, den Raum möglichst so zu klimatisieren, dass wir einerseits das Ganze möglichst energieeffizient hinkriegen – und zwar im Sommer, aber auch im Winter – und andererseits soll aber auch die thermische Behaglichkeit gewährleistet sein."
    Oder noch knapper: Der Mensch soll sich – bei minimalem Energieeinsatz und damit geringen Kosten – im Büro wohlfühlen. Dafür forscht Völker in Weimar. Ob es sinnvoll ist, den Boden zu beheizen oder vielleicht sogar die Wände, ob man im Sommer einen Raum auch über die Fußbodenheizung kühlen kann – oder ob Feelix dann kalte Füße bekommt.

    Die Auswertung erfolgt nebenan am Computer. Dort sieht man Feelix, sein Körper in 20 Segmente eingeteilt, die, je nach Temperatur, in verschiedenen Rot-, Gelb- oder Grüntönen erscheinen. Davor sitzt Völkers Assistent Hayder Alsaad. Thema seiner Promotion, an der er arbeitet: die Personalisierung des Raumklimas.
    Im Auto kennt man die Sitzheizung
    Warum einen ganzen Raum, warum hundert Kubikmeter heizen, wenn die zu temperierende Person nur ein paar Kubikmeter nutzt? Dort soll die Temperatur und die Luftqualität stimmen, meint der Iraker Alsaad. Im persönlichen Raumklima sehen sie die Zukunft der Büroklimatisierung. Und wem das zu absurd erscheint, den verweist Völker gern auf das Beispiel Auto:
    "Im Automobilbereich ist das – kann man fast sagen – gang und gäbe, dass da teilweise die Temperierung für den Fahrer anders ist als für den Beifahrer. Man hat Kühlung als auch Heizung; man kann seine einzelnen Körperteile auch unterschiedlich temperieren; ich habe Sitzheizung. Davon sind wir noch weit entfernt im Gebäudebereich. Aber wir arbeiten hart daran, wir forschen daran, das in Zukunft zu ändern."
    Dann könnte im Büro auch der Streit darüber aufhören, ob im Winter die Heizung, im Sommer die Klimaanlage zu hoch eingestellt ist, ob das Fenster offen oder geschlossen sein soll. Am Streit, ob und wie sich in diese Kampf an Geschlechterfronten abspielt, möchte sich Conrad Völker ausdrücklich nicht beteiligen.
    "Wir simulieren im Moment den Durchschnittsmenschen – und damit simulieren wir Unisex!"