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Regierungsbündnisse
"Die FDP ist eine Partei der Mitte"

In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen wurden Regierungsbündnisse geschlossen - unter Beteiligung der Liberalen. Die FDP müsse grundsätzlich bereit sein, mit allen demokratischen Parteien zu reden, zu verhandeln, sagte der Konstantin Kuhle, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen (JuLis), im Dlf. Am Ende komme es darauf an, was von gemeinsamen Projekten umgesetzt werden könne.

Konstantin Kuhle im Gespräch mit Silvia Engels | 14.06.2017
    Konstantin Kuhle, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen blickt zum Fotografen.
    "Der Einzug der FDP in den Deutschen Bundestag ist nicht sicher", sagte Kuhle im Dlf und gab damit seinem Parteivorsitzenden Recht. (Uwe Zucchi /dpa )
    Silvia Engels: Mitgehört hat Konstantin Kuhle. Er ist Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, kurz JuLis. Guten Tag, Herr Kuhle!
    Konstantin Kuhle: Schönen guten Tag, Frau Engels, hallo!
    Engels: Das Wahlprogramm der JuLis beginnt mit dem Spruch "Nie war mehr Anfang als jetzt". Wie passt das dazu, dass die FDP, wie man es immer kannte, zügig in Regierungsbündnisse mit der CDU steigt.
    Kuhle: Ach, na ja, so ganz, wie das in der Vergangenheit gewesen ist, kann ich das hier nicht beobachten. Es ist so, dass man unterm Strich feststellen muss, dass die FDP jetzt wieder an drei Landesregierungen beteiligt ist, und darunter ist ja neben der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein und Schwarz-Gelb in NRW auch die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz. Also, das, was uns als junge Liberalen immer wichtig war, dass die FDP eben nicht nur ein Arbeitskreis Freiheit der CDU/CSU ist, das haben wir jetzt eigentlich auf Landesebene jetzt schon verwirklicht, und insofern sind wir damit eigentlich ganz zufrieden.
    "Ein florierendes Land braucht auch eine vernünftige Infrastruktur"
    Engels: Dann haben wir aber, wenn wir auf die Inhalte gucken, allerdings auch wieder die altbekannten Themen. Mehr Liberalität für die Wirtschaft, bei der inneren Sicherheit versucht man ein bisschen, die CDU nicht ganz so davonziehen zu lassen, und Infrastruktur will man ausbauen. Das klingt wie die FDP vor zehn Jahren.
    Kuhle: Das ist nicht ganz richtig. Die Themen, für die die FDP steht und für die sie übrigens auch im Deutschen Bundestag fehlt, müssen natürlich in solchen Landesregierungen berücksichtigt werden. Wenn man sich anschaut, dass dort ganz aktive Verhinderung von Infrastruktur betrieben worden ist, unter Rot-Grün, ob das in Schleswig-Holstein oder in NRW der Fall ist. Und es ist schon richtig, deutlich zu sagen, ein florierendes Land braucht auch eine vernünftige Infrastruktur. Und wenn da als Einziges die FDP drauf achtet, dann ist es auch gut, dass sie wieder dabei ist. Aber diese Themen sind eben ergänzt um einen weiteren Aspekt, oder besser gesagt, um zwei weitere Aspekte. Das ist mehr Wahlfreiheit bei der Bildung. Wir haben gemeinsam mit den Koalitionspartnern in NRW und in Schleswig-Holstein durchgesetzt, dass es hier eine Rückkehr gibt zu G9, dass aber Schulen, bei denen das Ganze gut funktioniert, weiterhin auch G8 machen können. Diese Wahlfreiheit, dieses Verständnis von Wettbewerb ist auch so ein bisschen eine neue Idee der FDP, dass es eben manchmal auch auf die Menschen vor Ort ankommt und man sich hier nicht über sie erheben sollte.
    Engels: Da sind Sie aber nicht die Einzigen, die das gefordert haben, bei G8 oder G9.
    Kuhle: Umso besser. Dann war es ja auch einfacher, sich zu einigen. Und das Ganze wird ergänzt um das Thema Gründerförderung, um das Thema Digitalisierung, also zwei ganz wesentliche Punkte, für die die neue FDP auch steht. Man muss sich schon entscheiden. Entweder ist es gut, wenn die FDP für einzelne Themen alleine steht und sich stark macht, also der Liberalität in der Wirtschaft. Ich erkenne da zum Beispiel ganz deutlich das Thema Ladenöffnungszeiten. Wir haben da gerade eine sehr lebhafte Debatte, ob es nicht die Chancen des stationären Handels eher schmälert, wenn man es ihnen verbietet, am Sonntag auch das Geschäft auf zu machen. Das gehen wir jetzt in NRW an. Oder ob man der Meinung ist, es ist gut, wenn die FDP auch sich im Konsens findet mit anderen Parteien. Und wenn das beim Thema Digitalisierung, Gründerförderung nun mal der Fall ist, na umso besser. Ich glaube, die FDP ist eine Partei der Mitte. Sie muss grundsätzlich bereit sein, mit allen demokratischen Parteien zu reden, zu verhandeln, und wenn man dann zu gemeinsamen Projekten kommt, dann kommt es darauf an, was setzt man am Ende um, und nicht, was schafft man im Überschuss.
    Engels: Aber Nordrhein-Westfalen ist ein gutes Beispiel, Stichwort Ladenöffnungszeiten, Thema auch Verkehr oder innere Sicherheit. Das ähnelt, sagen Beobachter, doch sehr stark dem, was auch schon im letzten schwarz-gelben NRW-Bündnis 2005 angestrebt war. Wo ist da das Neue?
    Kuhle: Wenn man heutzutage in NRW mit den Hochschulen spricht, dann erinnern die sich sehr gern zurück an das Hochschulfreiheitsgesetz des damaligen Wissenschaftsministers Pinkwart. Das, was die schwarz-gelbe Landesregierung, die nun entstehen wird, in Nordrhein-Westfalen verhandelt hat, ist die Schaffung eines Schulfreiheitsgesetzes, also da zieht sich die Idee, mehr Freiheit für alle Bildungseinrichtungen vor Ort durch, und ich kann eigentlich nicht erkennen, warum das schlecht sein soll, sich da an Gutem zu orientieren. Mitnichten. Gerade, was die Stärkung der Kommunen angeht, gerade, was die Stärkung der inneren Sicherheit angeht, glaube ich, ist einiges richtig gemacht worden in dieser Zeit. Und nur weil man sich im Bund hat zwischen 2009 und 2013 von der Union unterbuttern lassen, was ein großer Fehler war und was nicht wieder passieren darf, heißt das nicht, dass man nicht mit der Union auch eine vernünftige Regierung zimmern kann.
    "Der Einzug der FDP in den Deutschen Bundestag ist nicht sicher"
    Engels: Im Moment steht die FDP in bundesweiten Umfragen relativ gut da. Ihr Parteichef Christian Lindner hatte allerdings auch selbst kurz nach der Wahl in NRW darauf verwiesen, dass sich seine Partei nicht dem Verdacht aussetzen solle, wieder auf Ämter oder Dienstwagen zu schielen. Wie wollen Sie das angesichts dieser zwei nun so rasch geschlossenen Regierungsbündnisse vermeiden, diesen Eindruck.
    Kuhle: Er hat recht: Der Einzug der FDP in den Deutschen Bundestag ist nicht sicher. Ich glaube, viele Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn Politikerinnen und Politiker breitbeinig auftreten und dann nichts dahinter ist. Diesen Eindruck muss die FDP unbedingt vermeiden, wenn sie im Herbst wieder in den Bundestag zurückkehren will. Und deswegen war ich positiv gestimmt, als ich gesehen habe, wie viel inhaltlich man bei diesen Koalitionsverhandlungen kommuniziert hat und wie wenig es dann doch um Posten ging. Wir haben bis heute nichts darüber gehört, wie die Ressortzuschnitte gelaufen sind, weil es eben in erster Linie um Inhalte ging. Aber wenn es um Inhalte ging, dann geht es eben erst in zweiter Hinsicht um das Personal. Und insofern bin ich da eigentlich ganz optimistisch. Es muss ja immer der Anspruch einer politischen Partei sein, zu gestalten. Wir haben Mitbewerber im Herbst bei der Bundestagswahl, die Linkspartei und die AfD, deren Spitzenkandidaten Sara Wagenknecht und Alexander Gauland ganz offen sagen, wenn sie uns wählen, dann werden wir ohnehin nicht regieren. Wir sagen als FDP, wir haben unsere Lektion gelernt. Wenn es für eine Mehrheit reicht, dann sind wir für Verhandlungen bereit. Wir werden sehr darauf achten, dass wir nicht wieder untergebuttert werden. Aber eine Partei der Mitte muss natürlich in der Lage sein, Verantwortung zu übernehmen. Das ist unser Job.
    Engels: Hätte es der FDP dann nicht noch besser angestanden, noch länger, noch intensiver, noch härter zu verhandeln, in Kiel und in Düsseldorf.
    Kuhle: Das kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen, weil ich bei den Verhandlungen persönlich nicht dabei gewesen bin. Aber ich habe schon den Eindruck, dass gerade in Schleswig-Holstein, wo es ja letzte Woche auch mal zu einer Unterbrechung der Koalitionsverhandlungen gekommen ist, sehr hart verhandelt worden ist. Aber das wäre vermessen, wenn ich das beurteilen wollte.
    Engels: Wir sprachen mit Konstantin Kuhle. Er ist Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, kurz JuLi. Danke für Ihre Zeit, und wir bitten die kleinen technisch bedingten Aussetzer in der Telefonleitung zu entschuldigen.
    Kuhle: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.