Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Reihe: Von Viren und Tieren (5/5)
Ein Virus wie ein Schlachtschiff

Seuchen bei Nutztieren kann man direkt an der Quelle im Stall bekämpfen. Die Afrikanische Schweinepest wird aber vor allem durch Wildschweine verbreitet. Im Wald bekommt man die Seuche ohne Impfstoff nicht in den Griff.

Von Sophia Wagner | 15.12.2017
    Ein Wildschwein guckt in die Kamera
    Die Afrikanische Schweinepest hat sich mittlerweile bis nach Tschechien ausgebreitet - Wildschweine sind die Überträger des Virus (Lino Mirgeler/dpa)
    "Wir haben einen Wildschweinversuch kurz vor Weihnachten gemacht und da haben wir den Schweinen diesen Weihnachtsbaum da reingestellt. Da dran hingen Apfelringe und so Maiskeimlinge, die die sehr gerne fressen.
    Sie sehen aber auch hier schon die Bache außen rechts, die war mit ASP infiziert, die hatte an dem Baum schon nicht mehr so viel Interesse."
    Sandra Blome sitzt in ihrem Büro und zeigt am Computer ein Video. Man sieht drei Wildschweine und einen Weihnachtsbaum, an dem Apfelscheiben hängen. Zwei kleinere Wildschweine schnüffeln am Baum, ein größeres steht teilnahmslos in der Ecke. Die Wildschweine waren Teil eines Versuchs am Friedrich Löffler Institut für Infektionsforschung. Hier forscht Sandra Blome nach einem Impfstoff gegen die Afrikanische Schweinepest.
    Afrikanische Schweinepest

    Erreger: komplexes DNA-Virus,
    Befällt: Schweine und Wildschweine
    Symptome: Grippeähnlich, Fieber, innere Blutung.
    Ansteckung: niedrig. Durch Blutkontakt.
    Todesrate: über 90 Prozent
    Bekämpfung: Kein Impfstoff vorhanden. Isolation und Tötung.
    Status: Vom Kaukasus über Russland ins Baltikum. Seit 2014 in den Wildschweinpopulationen von Polen und vom Baltikum. Seit 2017 auch Fälle in Tschechien
    Ein Schild warnt während einer Übung im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest an einem Sperrbezirk in Dresden.
    Die Afrikanische Schweinepest (dpa/Jan Woitas)
    Die Afrikanische Schweinepest kommt, wie der Name schon sagt, ursprünglich aus Afrika. Erst 2007 schaffte sie es in den Kaukasus und von dort in wenigen Jahren bis an die Ostgrenzen der EU. Trotz des Namens ist der Erreger nicht besonders eng mit der sogenannten klassischen Schweinepest verwandt.
    "Die Erkrankungen sehen sehr ähnlich aus und deshalb hat man sie beide Schweinepest genannt. Es sind sehr, sehr schwere Allgemeinerkrankungen und sehr gefürchtet bei der Schweineindustrie."
    Auch nach Jahren der Forschung noch rätselhaft
    Hier enden die Ähnlichkeiten dann auch schon. Denn anders als bei der gut erforschten, klassischen Schweinepest gibt der Erreger der Afrikanischen Schweinepest den Seuchenbekämpfern, auch nach Jahren des Studiums, immer noch Rätsel auf.
    "Es ist eine sehr, sehr schwere Erkrankung, die Tiere sterben daran. Es gibt keine Altersabhängigkeit und wir hätten eigentlich gedacht, wenn so etwas in eine Population rein kommt, dann gibt es eine Explosion, in Anführungsstrichen, und dann läuft sich das Ding tot."
    Ein Wildschwein
    Bisher gibt es keinen Impfstoff gegen die Afrikanische Schweinepest (AFP / Petras Malukas)
    Das ist aber nicht passiert. Stattdessen ist die Afrikanische Schweinepest 2014 über Weißrussland in die Wildschweinbestände von Lettland, Litauen, Estland und Polen eingeschleppt worden - und hat sich etabliert.
    Ein Grund für die langsame, aber stetige Ausbreitung könnte das Klima im Norden sein.
    "Das Virus hält sich extrem gut in allem was feucht und kühl ist. Und da hält es sich Jahrzehnte, wenn man Pech hat."
    So kann es sein, dass sich Wildschweine immer wieder anstecken, während sie im Boden nach Eicheln wühlen oder wenn sie mit Kadavern in Kontakt kommen. Eine Impfung, die gegen das Virus schützt, gibt es nicht. Das liegt daran, dass das Virus extrem komplex ist.
    "Ich habe es meinen Studenten immer als Schlachtschiff beschrieben. Schlachtschiff auch in dem Sinn, dass es Waffen mitbringt. Die machen da nicht ganz, was sie wollen, aber doch sehr, sehr effektiv schalten sie da Wege an und aus, sodass die Immunantwort für das Virus arbeitet."
    Wildschweine sind die Hauptüberträger
    Die Bekämpfung der Seuche ist auch deshalb schwierig, weil sie zwar immer wieder in industrielle Betriebe eingetragen wird, hauptsächlich aber durch die Wildschweine verbreitet wird. Ohne einen Impfstoff ist die Seuche im Wald nicht in den Griff zu bekommen.
    Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, müsste man die Wildschweine praktisch ausrotten. Das hält Sandra Blome aber weder für ethisch korrekt, noch für machbar.

    "Man muss dazu sagen, dass das vermutlich auch der Grund ist, weshalb die Seuche überhaupt da ist, denn Weißrussland hatte ein ähnliches Programm. Vernünftige Jagd führt nicht dazu, dass sich da eine Rotte komplett versprengt, wenn sie aber mit Helikoptern fliegen und mit Scharfschützen durch die Gegend schießen, dann ist das natürlich was anderes. Und auch ein krankes Tier würde, wenn man auf es schießt, durchaus nochmal aufstehen."
    Exportverbote als Schutzmaßnahme
    Um eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern, bleiben deshalb nur strikte Handelseinschränkungen und Exportverbote für die betroffenen Gebiete.
    Für Deutschland ist die langsame Ausbreitung durch die Wildschweine aus dem Baltikum und Polen kein Problem:
    "Wenn Sie das berechnen würden, bin ich in Rente, bis es in Deutschland ist. Dummerweise kommt da immer ein effizienter Vektor mit dazu, dass ist der Mensch selber. Und so kam es immer wieder zu Sprüngen."
    Zuletzt ist das in diesem Juni passiert, als die Schweinepest zum ersten Mal in Tschechien gemeldet wurde. Die zuständigen Behörden haben das betroffene Gebiet mittlerweile umzäunt und abgesperrt. Weil in diesem Sommer auch die Fälle in Polen zugenommen haben, hat das FLI die Warnstufe für Deutschland im Juli von gering auf hoch gesetzt
    "Und das ist, weshalb wir in Deutschland, na ja, vielleicht nicht Angst, aber schon Sorgen haben. Weil wir einfach sehr viele Wildschweine haben und wir nicht wissen, wie sich das auswirken könnte."