Archiv


Religionszugehörigkeit spielt große Rolle an der Elfenbeinküste

Müller: Herr Kühne, ist der Präsident das Problem?

Moderation: Dirk Müller |
    Kühne: Der Präsident ist auch das Problem, aber wie immer liegt das Problem natürlich sehr viel tiefer. Die Elfenbeinküste ist im Laufe nicht nur der letzten Jahre von einem Musterland zu einem abgewirtschafteten Land geworden. Vor allem gibt es einen massiven Konflikt, wer ist eigentlich Staatsangehöriger und wer darf eigentlich Präsident werden? Hierum geht es maßgeblich. Das ist eine komplexe Lage. Es wurde ja schon von dem Norden in dem Bericht geredet. Man muss auch vom Westen reden, wo viele Muslime sind. Diese Bevölkerung soll von Gbagbo ausgegrenzt werden. Er hat eine sehr enge Definition von Staatsangehörigkeit, was auch dazu geführt hat, dass sein Hauptkonkurrent Outtara nicht gewählt werden konnte. Als es geht eigentlich um einen ganz grundsätzlichen Kampf um politische Macht, um Zugriff auf ökonomische Ressourcen, weil mit der Staatsangehörigkeit geht auch das Eigentumsrecht einher. Also es ist ein weiterer Fall auch von Staatsversagen in Afrika.

    Müller: Warum ist die Elfenbeinküste denn so deutlich, so drastisch auf Talfahrt vor wenigen Jahren gegangen?

    Kühne: Ich glaube, man hat das lange ein bisschen schöngeredet. Natürlich war die Elfenbeinküste stabiler als andere afrikanische Staaten, nicht zuletzt auf Grund der starken französischen Präsenz - das war ja immer das mit Frankreich am engsten verbundene Land. Das hat man schöngeredet und man hat übersehen, dass es eben doch wirtschaftlich ausgezehrt ist. Gleichzeitig ist es aber schon eine längere Geschichte. Die Zahl der Zuwanderer aus den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso im Norden und Nordwesten hat immer mehr zugenommen, so dass plötzlich ein Kampf um die Ressourcen und um die politische Macht immer aktueller geworden ist. Gleichzeitig hat schon - das liegt auch in der Zeit zurück - ein Präsident dann plötzlich diesen nationalistischen Slogan ins Rennen gebracht, der die Emotionen geputscht hat und noch immer putscht. Es gibt noch ein weiteres Problem, was vielleicht nicht genug besprochen wird. Es gibt eine massive Krise der Jugend - das ist in ganz Westafrika. Man muss einfach wissen, dass 90 Prozent der Jugendlichen keine Aussicht auf Arbeitsplätze haben, und das sind genau diese Jugendlichen, die jetzt, instrumentiert von dem Präsidenten, diese Unruhen machen, die Gewalt machen. Das sind diese so genannten "neuen Patrioten". Das sind Zehntausende, und das ist ein Hauptproblem, weil das sind diejenigen, die es eigentlich fast unmöglich machen, die öffentliche Ordnung wieder in den Griff zu kriegen.

    Müller: Welche Rolle spielen ethnische Spannungen?

    Kühne: Die spielen eine Rolle, aber nicht eine so große, wie man denkt. Natürlich als Teil des Konflikts die Zugehörigkeit zu Ethnien, vor allen Dingen aber auch Zugehörigkeit zur Religion. In Abidjan und im Süden ist es eher christlich, im Norden sind sehr viele Muslime. Das wird natürlich zu einem Teil des Konflikts, und es wird auch instrumentiert, aber es ist nicht der eigentliche Grund.

    Müller: Steht das Militär hinter der offiziellen politischen Führung?

    Kühne: Es kommt darauf an, von welchem Militär man spricht. Ein maßgeblicher Teil der Rebellen im Norden sind ehemalige Angehörige der Armee, die da mal geputscht haben und sozusagen aus der Armee raus sind. Aber die Armee, die jetzt im Kernland ist, steht weitgehend hinter der gegenwärtigen Regierung, weil sie auch dieselben Interessen hat.

    Müller: Spielen die Franzosen als ehemalige Kolonialmacht eine tatsächlich konstruktive Rolle in diesem Konflikt?

    Kühne: Die Franzosen geraten in eine ganz schwere Lage. Sie sind ja auch mit sehr vielen Staatsbürgern da vertreten. Sie sind wirtschaftlich stark vertreten; die Elfenbeinküste ist weiterhin ein wirtschaftlich interessantes Land. Sie sind auch militärisch stark vertreten. Andrerseits besteht auch nur wenig Chance, den Konflikt schnell zu beruhigen - sie sind da mit über 4.000 Soldaten. Also Frankreich ist in einer ziemlichen Klemme, spielt aus meiner Sicht inzwischen tatsächlich eine ziemlich konstruktive Rolle, aber eine Rolle, die die Regierung nicht will, weil es eine Rolle sozusagen auf Ausgleich mit der UNO ist, weil Gbagbo keinen Ausgleich will, sondern er will die Macht erhalten.

    Müller: Wie wichtig sind denn für Paris die wirtschaftlichen Interessen?

    Kühne: Das ist wichtig. Wie gesagt, die Elfenbeinküste ist für Frankreich traditionell eines der wichtigsten Länder, aber ich nehme an, das wird sich im Laufe der nächsten Jahre ändern, weil eben die Elfenbeinküste aus meiner Sicht eben nicht so schnell zur Ruhe kommen wird und damit natürlich an wirtschaftlicher Attraktivität verlieren wird. Es ist zu vermuten, dass ja ein Teil der Europäer, von dem die Rede war - es sind hauptsächlich Franzosen, die da angegriffen worden sind, dass sie das Land verlassen werden.

    Müller: Es sind 4000 französische Soldaten, 6000 andere UNO-Soldaten innerhalb dieses Friedenkontingentes im Einsatz in der Elfenbeinküste. 10.000, eine Truppe die groß genug ist?

    Kühne: Man hat bei der Elfenbeinküste in Analogie zu Ruanda von Völkermordgefahr geredet. Die Stimmung ist durchaus da zwischen den eher christlichen und eher muslimischen Gruppierungen. Diese Truppe ist sicher groß genug, das zu verhindern. Das hat sie auch gerade gezeigt, nicht zuletzt durch den französischen Gegenschlag. Sie ist aber vermutlich nicht groß genug, um das Land wirklich umfassend befrieden zu können, weil das nicht nur ein militärisches Problem ist.

    Müller: Der südafrikanische Präsident Mbeki will heute in der Elfenbeinküste vermitteln, mit Aussicht auf Erfolg?

    Kühne: Das glaube ich nicht. Es ist sicherlich ein weiterer Versuch, und das ist auch notwendig, aber es läuft ja schon ein längerer Friedensprozess, das so genannte "Abkommen von Marcoussis ". Es hat mehrere Friedensgespräche in Accra, Ghana, gegeben, inzwischen schon drei, um genau diese Frage der Staatsbürgerschaft und der Wahl des Präsidenten zu lösen. Also ich glaube nicht, dass auch der südafrikanische Einfluss da so groß ist, dass das gleich einen durchschlagenden Erfolg haben wird.

    Müller: Vielen Dank für das Gespräch.