Archiv

Reportage
Angst im Job

Von Martin Winkelheide |
    Werner: Mein Name ist Werner. Ich arbeite in der Produktentwicklung einer größeren Firma. Es hat sich so über die Jahre entwickelt, dass ich immer mehr Probleme bei der Arbeit bekommen habe. Zuerst fing es an, morgens wollte ich nicht mehr so wirklich aufstehen, und abends war ich froh, wenn es dann 16, 17 Uhr war, und ich konnte nach Hause.
    Mein Chef wurde dann immer unzufriedener mit meiner Arbeitsleistung, auch weil er erwartet hatte, dass ich auch ein, zwei Überstunden mache am Tag oder in der Woche. Unser Verhältnis verschlechterte sich dann dadurch, ich wurde nicht besonders gelobt.
    Die nächste Steigerung war dann: Ich konnte dann auch am Wochenende nicht mehr abschalten, ich hatte dann ständig Angst. Dann kam wirklich die Angst.
    Wo ich dann wirklich sagte: Ich habe Angst zur Arbeit zu gehen. Das wurde dann ganz dramatisch.
    Autor: Gab es für die erste Phase eigentlich einen Auslöser?
    Werner: Es gingen Mitarbeiter und die Arbeit blieb natürlich gleich. Projekte wurden dann nicht mehr zeitgerecht fertig, und dann kam der Druck. Die Arbeit, die man tut, ist dann nicht mehr gut genug und nicht schnell genug, aber perfekt sollte sie dann doch sein. Das schafft man irgendwann nicht, dass man in kürzerer Zeit noch bessere Arbeit abliefert, das führt dann zu einem Teufelskreis, dass man irgendwann gar nichts mehr richtig hinbekommt.
    Dann blieb auch alles zuhause liegen, ich war früher in drei Vereinen relativ aktiv, hab einen Verein nach dem anderen aufgegeben.
    Autor: Es hat sich schon verschärft. Irgendwann im Laufe der Zeit kam auch die Angst. Wie hat die sich geäußert?
    Werner: Ich hatte Angst vor dem Arbeitsplatz, Angst vor Kollegen, vor dem Chef. Egal, mit was ich von der Arbeit konfrontiert wurde - das löste in mir regelrechte Panik aus. Die Kollegen haben auch gemerkt, dass was nicht stimmt, aber das hat nicht wirklich interessiert, bis dann der Betriebsarzt interveniert hat: So kann das nicht mehr weiter gehen. Dann ging es wirklich nicht mehr.
    Dann ist privat noch ein Todesfall eingetreten. Dann hab ich gesagt: Dann muss ich einfach diese Chance wahrnehmen, sonst werde ich mein Leben nicht mehr glücklich.
    Mir geht es heute auch schon viel besser als vor zwei Monaten.
    Man wird seine Persönlichkeit nicht ändern, aber die Ansicht zu bestimmten Dingen. Bestimmte Dinge an mir versuche ich auch zu ändern, und dann merkt man schon: Es geht aufwärts.
    Autor: Was spielt denn da eine Rolle? Geht es darum, eigene Interessen zu formulieren? Oder geht es um: Wie geht man mit Konflikten um?
    Werner: Wie geht man mit Konflikten um. Aber so weit ist es bei mir meistens gar nicht gekommen. Sondern es war eher im Vorfeld: Ich habe den Konflikt gemieden, habe etwas gemacht oder nicht gemacht, obwohl es mir dann schlecht ging. Nur aus Rücksicht auf das Gegenüber. Ich wollte ihn nicht verletzen und habe das dann quasi auf mich genommen.
    Hier in dieser Klinik arbeitet man nun genau an diesem Problem: Sag Deine Bedürfnisse und tu nicht Dinge, die Du nicht willst und Dir selbst Schaden zufügen. Es ist schwer, aber ich bin zuversichtlich, dass es machbar ist. Ich bin ja noch nicht so lange hier. Ich habe ja noch ein paar Wochen Zeit das zu erarbeiten.
    Autor: Können Sie sich vorstellen, wieder zu arbeiten, 40 Stunden die Woche?
    Werner: Ja, natürlich. Ich bin immer gerne zur Arbeit gegangen, ich geh gerne arbeiten. Ich möchte mein Wissen auch anbringen, und ich denke, dass ich gut sein kann in meinem Job.
    Ich habe auch meine Lebensfreude durchaus wieder zurück gefunden. Die Gedanken – "Ich möchte nicht mehr leben" - die sind in der Zwischenzeit weg.
    Auch weil ich erfahren habe: Das Leben kann schön sein. Man muss es sich natürlich auch schön machen, und man muss zulassen, dass es schön ist.