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Ökologischer Fußabdruck neu berechnet

Die Bevölkerungszahlen wachsen, der Mensch drängt die Natur auf den Landflächen der Erde immer weiter zurück. Den ökologischen "Fußabdruck des Menschen" hat eine Studie vor 14 Jahren untersucht. Jetzt zeigt die Nachfolgestudie: Der Fußabdruck hat sich vielerorts vergrößert.

Von Volker Mrasek | 24.08.2016
    Kongo
    Das afrikanische Kongobecken gehört noch zu den letzten, vom Menschen unberührten Flecken der Erde. Doch auch hier wird der Einfluss des Menschen langsam spürbar. (picture-alliance/dpa/Foto: Yannick Tylle)
    Die Jahre von 1993 bis 2009 - das ist der Zeitraum, den die neue Studie abdeckt. Wie stark hat sich der ökologische Fußabdruck des Menschen in diesen 16 Jahren verändert? Die Autoren ermittelten das für sämtliche Landflächen der Erde bis auf die Antarktis. Dabei nutzten sie vor allem die Daten von Satelliten-Instrumenten, die mit der Zeit immer besser geworden sind.
    Um mit dem positiven Ergebnis zu beginnen: Die Weltbevölkerung nahm in den 16 Jahren viel stärker zu als ihr ökologischer Fußabdruck, und zwar um fast 25 Prozent. Die menschlichen Eingriffe in die Natur dagegen nur um neun.
    Der Geograph Oscar Venter von der University of Northern British Columbia in Kanada, einer der Studienautoren:
    "Es gibt einige Orte, an denen der Fußabdruck des Menschen sogar schwächer geworden ist. Dort, wo es einen starken Trend zur Urbanisierung gibt und Leute in die Städte strömen. Das Wachstum von Städten ist natürlich alles andere als natürlich. Aber im Umland, wo die Menschen abwandern, nehmen die Eingriffe in die Natur ja wieder ab. Für die Umwelt kann die Verstädterung deshalb insgesamt eine gute Sache sein."
    Anteil unberührter Natur in Gebieten hoher Biodiversität sinkt
    Entlastet wird die Natur auch durch wirkungsvolle Umweltschutz-Gesetze. Kanada, den USA und vielen westeuropäischen Ländern sei es dadurch gelungen, ihren Fußabdruck zumindest nicht größer werden zu lassen, sagt Venter. Doch das war es auch schon mit den guten Nachrichten!
    Australien: Eine Straße in der Prärie - scheinbar endlos
    Die Landstraße führt direkt durch die australische Savanne - hier gibt es noch große Gebiete unberührter Natur (picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann)
    Die schlechte ist: Der Raubbau an der Natur setzt sich noch immer fort, und das ausgerechnet in besonders schützenswerten und artenreichen Ökosystemen. Die Forscher nennen sie Hot Spots der Biodiversität. Es handelt sich vor allem um Wälder in den Tropen, so Venter:
    "Uns war nicht klar, wie umfangreich die menschlichen Eingriffe in diese Biodiversitäts-Hot-Spots bereits sind. Eine ältere Studie hatte ergeben, dass 15 Prozent von ihnen noch unberührt sind. Wir haben jetzt entdeckt: Es sind gerade noch drei Prozent! Diese Ökosysteme sind also viel stärker gefährdet als wir dachten."
    Die noch unberührten Refugien der Natur liegen am Amazonas, im afrikanischen Kongo-Becken, auf der Insel Borneo und in Papua-Neuguinea im Pazifik. Erstaunlicherweise gibt es aber auch noch großflächige natürliche Savannen in Australien - auch das eine Erkenntnis aus der neuen Studie. Doch die Frage ist: Wie lange wird das noch so sein?
    "Drei Prozent unberührter Naturgebiete zu verlieren - eine Katastrophe"
    In den Tropen roden Bauern und Viehhüter noch immer große Waldflächen und verwandeln sie in Äcker und Weiden. Dazu James Watson, wissenschaftlicher Direktor der Wildlife Conservation Society, einer der größten Fachgesellschaften für Naturschutzbiologie:
    "Die Landwirtschaft spielt eine dramatische Rolle bei der Vergrößerung unseres ökologischen Fußabdrucks. In Südost-Asien zum Beispiel sind es Palmöl-Plantagen, die zu einem massiven Verlust natürlicher Lebensräume führen. Und in Südamerika, am Amazonas, immer mehr Weideflächen für Rinder, denen der Wald weichen muss."
    Sicht von oben auf Palmölplantagen und Urwald.
    Die Palmölplantagen in Indonesien verdrängen den Urwald (imago/stock&people/Xinhua)
    Ein Trend, von dem Watson und die anderen Autoren sagen, dass er unbedingt gestoppt werden müsse:
    "Wir haben es bereits mit einer Aussterbe-Welle zu tun. Tag für Tag gehen Arten verloren. Diese verbleibenden drei Prozent unberührter Naturgebiete sind die letzten auf der Erde mit einer extrem hohen Biodiversität. Wir müssen sie unbedingt schützen. Sie zu verlieren wäre eine Katastrophe."
    Die Chancen zu ihrer Rettung dürften allerdings noch kleiner geworden sein. Die Forscher haben ja nur Daten bis 2009 ausgewertet. Inzwischen sind weitere sechseinhalb Jahre verstrichen. Und es ist zu befürchten, dass der Mensch seinen Fußabdruck noch tiefer in die letzten unberührten Winkel der Natur gesetzt hat.