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Richter und AfD-Mitglied Jens Maier
Zweifel an der juristischen Unabhängigkeit

Jens Maier ist Richter in Dresden und Bundestagskandidat der AfD. Seine öffentlichen Äußerungen stoßen auf Kritik, auch weil Richter privat zur Mäßigung angehalten sind. Ihm drohen Sanktionen - aber mit einem Einzug in den Bundestag würde sein Amt sowieso ruhen.

Von Bastian Brandau | 02.02.2017
    Jens Maier, Richter am Landgericht Dresden und Bundestagskandidat der AfD, spricht auf dem AfD-Landesparteitag in Klipphausen (Sachsen) zu den Delegierten.
    Jens Maier, Richter am Landgericht Dresden und Bundestagskandidat der AfD, spricht auf dem AfD-Landesparteitag in Klipphausen (Sachsen) zu den Delegierten. (dpa / Sebastian Kahnert)
    "Liebe Freunde, mein Name ist Jens Maier, wie Ihnen bekannt sein dürfte, meine berufliche Qualifikation: Ich bin Jurist."
    Da stand er, am vergangenen Sonntag beim Parteitag der sächsischen AfD: Jens Maier, Kandidat für den Listenplatz zwei auf der Landesliste bei der Wahl zum Deutschen Bundestag. Knapp zwei Wochen zuvor hatte Maier bereits deutlich gemacht, wo er innerhalb der AfD steht: nämlich ganz rechts. Als Vorredner von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke in Dresden. Der hatte dann kurz darauf in seiner Ansprache von einer "dämlichen Bewältigungspolitik" gesprochen und eine "erinnerungspolitische Wende" gefordert. Maier wiederum war an diesem Abend in Dresden rhetorisch kaum zurückhaltender gewesen:
    "Ich muss sagen, ich erkläre hiermit diesen Schuldkult für beendet."
    Das schien wie eine Hommage an die NPD. Die hatte in ihren acht Jahren im sächsischen Landtag die Erinnerungskultur an die Verbrechen der Nationalsozialisten immer wieder als vermeintlichen "Schuldkult" abgewertet. Maier bezeichnete die NPD an diesem Abend außerdem als "einzige Partei, die immer geschlossen zu Deutschland gestanden habe."
    Die Empörung war groß – auch und gerade bei Maiers Kollegen. Denn Maier ist Richter am Landgericht Dresden. Der Vorsitzende des sächsischen Richtervereins, Reinhard Schade:
    "Die Äußerung ist aus unserer Sicht inakzeptabel, das ist jetzt keine rechtliche Wertung, sondern aus unserer Sicht eine Wertung im gesellschaftlichen Zusammenhang. Die Frage, ob man das darf, ob man sich so äußern darf oder nicht, ist ja Gegenstand anderer Verfahren."
    Für Richter gilt auch privat das Mäßigungsgebot
    Das Landgericht Dresden prüft derzeit, ob Maier mit seiner Rede gegen das für Richter auch privat geltende Mäßigungsgebot verstoßen hat. Der Gesetzgeber gestattet Richtern zwar, sich politisch zu engagieren und einer Partei beizutreten. Der Richter hat sich aber innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.
    "Man muss sich da also immer selber fragen, ob sein Verhalten da diesen Ansprüchen genügt. Also jeder, der sich in der Öffentlichkeit äußert, sollte sich klar machen, dass er sich so verhält, dass er trotz aller Meinungsverschiedenheiten auch im politischen Raum sein Amt noch als unabhängiger und vor allen Dingen unvoreingenommener und glaubwürdiger Richter einnehmen kann."
    Daran bestanden bei Jens Maier schon vor seinen öffentlichen Reden Zweifel. Im Mai 2016 hatte er dem Extremismusforscher Steffen Kailitz von der TU Dresden per einstweiliger Verfügung untersagt, mehrere seiner Forschungsthesen über die NPD weiter öffentlich zu vertreten – auf Antrag der rechtsextremen Partei. Kailitz hatte im Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht als Experte ausgesagt. Maier verhängte gegen ihn also einen Maulkorb – der betraf Thesen, die Kailitz bereits seit Jahren vertreten hatte. Maier sah hier dennoch eine Dringlichkeit geboten. In der mündlichen Verhandlung einige Wochen später nahm er die Verfügung zurück. Er habe nicht gewusst, dass Kailitz schon lange zur NPD forsche. Der Wissenschaftler zeigte sich nach dieser Entscheidung erleichtert.
    "Ich glaube, dass man versucht hat, eine Kernaussage eines Sachverständigenvortrags vor dem Bundesverfassungsgericht praktisch mit Schlamm zu bewerfen, zu sagen: Hier, das ist eine unwahre Tatsachenbehauptung. Das ist meines Erachtens das, was hier als Strategie dahintersteckt."
    Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen
    In der vergangenen Woche erklärte sich Maier nun selbst in einem Prozess für befangen, in den ein AfD-Landtagsabgeordneter involviert ist. Im August hatte das Gericht einen Befangenheitsantrag der Gegenseite noch abgelehnt. In diesem Verfahren wird Jens Maier ebenso wenig urteilen wie im Haupt-Verfahren der NPD gegen Extremismusforscher Kailitz Ende Februar. Am Dienstag gab das Landgericht Dresden bekannt, dass Maier grundsätzlich nicht mehr für Verfahren aus dem Bereich Presserecht und Ehrenschutz zuständig sein wird.
    Die Entscheidung sei im Einvernehmen mit Maier gefallen. Sie solle "jeden Zweifel an einer Unbefangenheit des Gerichts verhindern." Über den Verlauf des Disziplinarverfahrens gegen Maier gibt das Landgericht keine Auskunft. Was Maier drohen könnte? Der Präsident des Landgerichts kann einen Verweis erteilen, eine Art Tadel. Weiterreichende Möglichkeiten hätte wiederum nur ein Dienstgericht, das im Anschluss angerufen werden könne, sagt der Sprecher des sächsischen Richtervereins Reinhard Schade.
    "Da gibt es dann die Möglichkeit ein Bußgeld zu verhängen, die Bezüge, also das Gehalt zu kürzen, weiter besteht eine Möglichkeit, den Richter auf ein anderes gleichdotiertes Amt zu versetzen. Normalerweise sind Richter nicht versetzbar, aber aus disziplinarrechtlichen Gründen ist das möglich. Und die schärfste Klinge wäre dann die Entlassung aus dem Dienst."
    Gegen Maier laufen nach seiner umstrittenen Rede bei der Veranstaltung mit Björn Höcke auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Aber geht es nach Maier selbst, dann hat er sowieso ab Herbst einen anderen Beruf. Er hat gute Chancen, für die AfD in den Bundestag einzuziehen. Sein Amt als Richter würde in dieser Zeit ruhen.