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Riesig reicht nicht
Londons Flughäfen haben Platzmangel

Der größte Flughafen Europas wird zu klein: In London droht der Luftverkehrskollaps, weil die Kapazitäten von Heathrow und den fünf weiteren Airports ausgeschöpft sind. Kann man erweitern, muss man neu bauen? Die Debatte ist entbrannt und hat inzwischen den Premierminister erreicht.

Von Friedbert Meurer |
    Blick auf den Londoner Flughafen Heathrow
    Diskutiert wird der Bau einer weiteren Startbahn in Heathrow (picture alliance / dpa / Tim Ockenden)
    Der Londoner Westen in der Einflugschneise von Heathrow. Täglich starten und landen hier im Schnitt fast 1300 Flugzeuge. An Spitzentagen im August nutzen eine Viertelmillion Passagiere den Airport. Die Vertreter aus den westlichen Londoner Boroughs, der Stadtbezirke, werden heute im Parlament die Empfehlung der Davies-Kommission ablehnen. Sir Howard Davies, eine wirtschaftswissenschaftliche Autorität im Land und Chef einer Findungskommission, will erläutern, warum das fünfköpfige Gremium einstimmig den Bau einer dritten Startbahn in Heathrow empfiehlt:
    "Wir halten zwar den Ausbau von Gatwick auch für praktikabel und finanziell machbar. Aber wir empfehlen ganz klar und eindeutig die Option einer dritten Startbahn für Heathrow."
    Seit Jahrzehnten wird um den Ausbau von Heathrow gestritten, dem größten Flughafen Großbritanniens, die Nr. 3 weltweit. Aber die Empfehlung der Davies-Kommission setzt mitnichten einen Schlusspunkt in der Debatte. Das Stadtparlament wird den Bericht kontrovers diskutieren, aber die letzte Entscheidung trifft nicht die Stadt London, sondern die britische Regierung.
    "Wir müssen uns den Bericht ganz genau anschauen, erklärte Premierminister David Cameron zum Davies-Bericht. Wir müssen voreilige Schlussfolgerungen meiden. Eines kündige ich nur an: Die Entscheidung fällt Ende dieses Jahres."
    Startbahn statt Autobahn
    Trotzdem hat die Empfehlung der Kommission Gewicht. Sie schlägt vor, Heathrow nach Norden hin auszubauen. Die Startbahn soll eine Länge von 3,5 km haben und: Umgerechnet mehr als 21 Milliarden Euro kosten, die privat finanziert werden sollen. Für die Infrastruktur, zum Beispiel muss die Autobahn M 25 in einen Tunnel verlegt werden, muss der Steuerzahler zusätzlich geschätzt 8,5 Milliarden Euro hinblättern.
    Gatwick wäre da deutlich billiger: Der Bau einer Startbahn dort wäre nur halb so teuer. Gatwick südlich von London liegt außerhalb des Stadtgebiets und ist mit Zug oder per Autobahn gut an London angebunden. Londons Bürgermeister Boris Johnson hat deswegen vor der Debatte im Stadtparlament noch einmal eine volle Breitseite auf die Davies-Empfehlung abgefeuert:
    "Der Ausbau von Heathrow bringt jede Menge Lärm für die Einwohner von London. Das ist doch katastrophal für die Umwelt. Das ist doch so klar, dass ich mich gar nicht als lebende Blockade vor die Bulldozer werfen muss."
    Findungskommission bevorzugt Heathrow-Ausbau
    Die Findungskommission räumt das alles ein: Aber gesamtwirtschaftlich sei ein Ausbau von Heathrow klar die bessere Variante. Bis Ende 2030 entstünden 77.000 neue Jobs, in Gatwick keine 10.000. Heathrow ist ein internationales Luftverkehrskreuz, Gatwick fast gar nicht. Standsted, Luton und City Airport - die weiteren Flughäfen der Achtmillionen-Einwohner Metropole ergänzen weiter die beiden großen.
    Letztlich wird es eine politische Entscheidung geben. Fünf Minister im Kabinett Cameron haben ihre Wahlkreise rund um Heathrow. Boris Johnson gilt zudem als nationales Superschwergewicht der Tories. Er hängt weiter der Idee eines nagelneuen Megaflughafens im Mündungsgebiet der Themse nach, die von der Kommission aber verworfen wurde. Cameron muss einen Aufstand von Teilen der eigenen Partei fürchten - so oder so. Der Bau einer dritten Startbahn in Heathrow ist also trotz klarer Expertenempfehlung noch lange nicht in trockenen Tüchern.