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Russische Banken in der Ukraine
Kiew plant Sanktionen

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine laufen auf einen neuen Tiefpunkt zu. Erst waren es nur nationalistische Gruppen, die gegen russische Banken in der Ukraine protestierten und ihre Verstaatlichung forderten. Aber jetzt will auch die Regierung in Kiew gegen die ukrainischen Töchter von russischen Staatsbanken vorgehen.

Von Florian Kellermann | 24.03.2017
    Eine mit Graffiti überdeckte und zugemauerte Filiale der russischen Sberbank in Kiew.
    Eine mit Graffiti überdeckte und zugemauerte Filiale der russischen Sberbank in Kiew. (imago / ZumaPress)
    Zunächst waren es einige nationalistische Gruppen, die gegen Banken mit russischem Kapital vorgingen. Sie übergossen die Fassaden von Filialen mit roter Farbe und schmierten das Wort "Okkupant" an die Tür. Besonders radikal gingen sie in Ternopil in der Westukraine vor. Dort mauerten sie den Eingang zu einer Filiale der Sberbank mit Betonbausteinen zu. Russische Medien beklagten, dass die Polizei nur in den wenigsten Fällen einschritt.
    Die Ukraine hätte schon viel früher gegen russische Banken vorgehen sollen, meint Serhij Sternenko von der Organisation "Rechter Sektor", die an den Aktionen maßgeblich beteiligt war:
    "Wir hätten das schon vor drei Jahren machen sollen, als Russland die Halbinsel Krim annektiert hat und als uns es den Krieg im Donezbecken aufgezwungen hat. Eigentlich hätten wir sofort das gesamte russische Kapitel in der Ukraine verstaatlichen müssen."
    Von Verstaatlichen spricht die ukrainische Regierung nicht. Aber sie hat Sanktionen gegen fünf Banken erlassen, die russischen Staatsbanken gehören, darunter die Sberbank und die Bank WTB. Die Regierung erklärt, nicht die Aktionen der nationalistischen Gruppen hätten sie dazu bewogen. Grund sei vielmehr, dass die Mutterhäuser dieser Banken in Russland seit kurzem auch Dokumente der sogenannten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk anerkennen. Also der weltweit nicht anerkannten Pseudo-Staaten in der Ostukraine, die von prorussischen Separatisten ausgerufen worden waren. Zuvor hatte der russische Staat entschieden, er betrachte diese Dokumente als echte Ausweispapiere.
    Russische Banken denken über Rückzug nach
    Die Gläubiger der Banken könnten trotz der Sanktionen ruhig schlafen, versicherte die stellvertretende Direktorin der ukrainischen Nationalbank Kateryna Roschkowa:
    "Die Sanktionen sollen diejenigen schützen, die Guthaben bei den Banken haben. Sie verbieten den Töchtern von russischen Banken, Geld ins Ausland zu transferieren. Sie dürfen keine Zinsen zahlen oder Darlehen zurückzahlen oder etwas dergleichen. Wir handeln damit im Interesse der Bankkunden."
    Damit sei aber auch klar, dass die russischen Banken kaum mehr eine Perspektive in der Ukraine hätten, sagte Roschkowa. Alle sondierten bereits den Markt, um ihre ukrainischen Töchter abzustoßen:
    "Es ist schwer zu sagen, wann sie einen Käufer finden. Aber die russischen Banken denken ja schon länger darüber nach, den ukrainischen Markt zu verlassen."
    Die Experten sind sich einig, dass dies der ukrainischen Wirtschaft zumindest kurzfristig schaden wird. Die russischen Tochterbanken haben einen Anteil von rund zwölf Prozent an den in der Ukraine vergebenen Krediten. Für die Wirtschaft ist ihre Bedeutung noch größer: Denn die ukrainischen Privatbanken finanzieren vor allem die Unternehmen der Oligarchen, denen sie gehören. Die Banken mit russischem Kapital dagegen standen allen offen.
    Ukrainischer Bankensektor seit Monaten in Aufruhr
    Auch die kleinen Kunden würden darunter leiden, wenn das russische Kapital die Ukraine verlässt, sagt Eduard Karaschija, Wirtschaftsprofessor aus Odessa:
    "Vor allem die Ukrainer, die in Russland arbeiten, haben bei ihnen Konten. Wenn sie Geld in ihre Heimat schicken wollen, führt der einfachste und billigste Weg über diese Banken. Dieser Transfer nützt auch der Ukraine, denn das Geld fließt aus der russischen in die ukrainische Volkswirtschaft."
    Der ukrainische Bankensektor ist ohnehin seit Monaten in Aufruhr. Ende des vergangenen Jahres verstaatlichte die Regierung die bis dahin größte private Bank des Landes, die "Privatbank" des Oligarchen Ihor Kolomojskyj. Sie sei nicht mehr zahlungsfähig gewesen, so die Begründung. Der Staat übernahm eine 100-prozentige Garantie für die Einlagen der Sparer. Wie sehr das den ukrainischen Haushalt belasten wird, ist noch unklar.
    Nicht nur deshalb fordern einige Politiker, Sanktionen gegen die russischen Tochterbanken seien nicht genug, so der Parlamentsabgeordneter Vitalij Kupriy von der Partei "Ukrop":
    "Die Ukraine hat allein durch die Annexion der Krim Kapital von vielen Milliarden US-Dollar verloren. Das Land versucht derzeit, bei Schiedsgerichten und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Kompensation zu erstreiten. Aber selbst wenn wir recht bekommen: Wenn wir das Kapital der russischen Banken nicht beschlagnahmen, werden wir diese Kompensation nie erhalten."