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Schweizer Maler vor 150 Jahren geboren
Giovanni Giacometti - ein Vorbild für Avantgarde-Künstler

Den Großteil seines Lebens verbrachte der Maler Giovanni Giacometti im Schweizer Hinterland. In einem abgeschiedenen Bergdorf experimentierte er mit leuchtenden Farben und führte mit seinen atmosphärisch dichten Bilden die Malerei in der Schweiz vom Impressionismus in die Moderne.

Von Anne Quirin |
    epa05302245 A Christie's employee adjusts the painting 'Alberto Giacometti painting' by Swiss painter Giovanni Giacometti, which is estimated to be sold between 392,000 to 515,000 US dollars, during a media preview at the auction house Christie's, in Geneva, Switzerland, 12 May 2016. The auction will take place in Zurich on 30 May. EPA/MARTIAL TREZZINI |
    Heute werden Gemälde Giovanni Giacomettis zum Teil für hunderttausende Euro gehandelt. Hier hat er seinen Sohn Alberto gemalt, der ein noch berühmterer Künstler wurde (KEYSTONE)
    Von einem abgeschiedenen Tal aus hat Giovanni Giacometti der Schweizer Kunst des frühen 20. Jahrhunderts zu einem gehörigen Schub verholfen. Er experimentierte mit leuchtenden Farben, übersetzte Empfindungen in atmosphärische Bilder und führte so die Malerei vom Impressionismus Richtung Moderne. Seine Söhne führten diesen Weg fort. Allen voran der älteste Sohn Alberto Giacometti, der mit seinen hageren Bronze-Skulpturen weltberühmt werden sollte.
    "Man kann es so sagen, dass Giovanni Giacometti gleichsam der Begründer war des sogenannten Phänomens Stampa. Stampa ist ein ganz kleines Dorf im bündnerischen Bergell, italienischsprachig, protestantisch, sehr karg, und aus diesem kleinen Dorf gingen einige großartige Künstler hervor, und leider nur, in Anführungsstrichen, Alberto Giacometti ist zu Weltruhm gelangt", so der Kunsthistoriker Beat Stutzer.
    Während Alberto die Kunst sprichwörtlich in die Wiege gelegt worden war, musste Giovanni Giacometti sich den Weg dorthin erst erarbeiten. Er wurde als viertes von acht Kindern in eine Konditorenfamilie geboren – am 7. März 1868. Mit 18 Jahren brach er die Mittelschule ab, um in München eine künstlerische Ausbildung zu beginnen. Dort lernte er Cuno Amiet kennen, ebenfalls ein Schweizer mit der festen Absicht, Künstler zu werden. Der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Beat Stutzer:
    "Schon nach kurzer Zeit in München haben sie gesehen, dass eigentlich die aufregenden Dinge in der Kunst in Paris passieren, und so haben sie sich sehr schnell entschieden, nach Paris zu übersiedeln. In einem Zimmer, haben sie sich gegenseitig gemalt, die Schulen besucht, die Museen besucht. Das war der Ausgangspunkt für ihre weitere Kunstentwicklung."
    Sinnliche Erfahrung von Licht, Farbe und Linien
    Eine andere einschneidende Begegnung war die mit dem zehn Jahre älteren Maler Giovanni Segantini. Er war 1894 nach Maloja, ganz in die Nähe von Giacometti, gezogen. Segantini trug die Farben in feinen Pinselstrichen unvermischt auf die Leinwand auf, um ihre Leuchtkraft zu steigern. Giacometti war von der Wirkung der "divisionistischen" Malweise beeindruckt und wurde Segantinis Schüler.
    "In seiner Malerei empfand ich dieselbe Andacht vor der Natur und dieselbe Vertrautheit, wie ich sie auch in meiner Seele spürte", schrieb Giacometti 1918 in einem Rückblick.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich allerdings längst von Segantinis Einfluss gelöst. Nach dessen Tod 1899 orientierte er sich mehr an der französischen Malerei des Post-Impressionismus, an van Gogh und Cézanne. Er rückte die sinnliche Erfahrung von Licht, Farbe und Linien gegenüber dem Gegenstand in den Vordergrund:
    "Der Wert eines Kunstwerkes steht im direkten Verhältnis zu der Stärke der inneren Erregung, mit der der Künstler sein Motiv erlebt hat, und zu der Fähigkeit des Künstlers, diese Erregung dem Beschauer zu übermitteln."
    Eine erfolgreiche und glückliche Zeit brach an. Giacometti ließ sich endgültig im Bergell nieder. Er heiratete, gründete eine Familie und richtete sich in einem ehemaligen Stall ein Atelier ein. Er malte die Landschaft, die Bewohner des Tals, seine Frau und die vier Kinder.
    Vorbild für "Die Brücke"
    Dass Giovanni Giacometti den Großteil seines Lebens im Schweizer Hinterland verbrachte, bedeutete nicht, dass er vom Rest der Welt abgeschnitten lebte. Durch Ausstellungsbesuche, Zeitschriften und Briefwechsel hielt er sich auf dem Laufenden und pflegte Beziehungen zur internationalen Kunstszene. Beat Stutzer:
    "Man muss sich vorstellen, dass die Künstler der Gruppe 'Die Brücke' in Dresden, das ist ja eine der großen Keimzellen des deutschen Expressionismus, in ihm ein Vorbild gesehen haben und ihn dann auch eingeladen haben, 1908 an einer ihrer Ausstellungen in Dresden sich zu beteiligen. Da hatte er also bereits Kontakte zur internationalen Avantgarde, und wenn das weitergegangen wäre, hätte er auch den internationalen Rang, der ihm eigentlich zusteht, erreichen können."
    Der Erste Weltkrieg brachte den Austausch zum Erliegen. In der Schweiz aber genoss Giacometti weiter Anerkennung. Er fand Sammler, wurde Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission, erlebte in Bern und Basel eine Retrospektive.
    Am 25. Juni 1933 starb Giovanni Giacometti im Alter von 65 Jahren an einer Gehirnblutung. Sein Sohn Alberto entwarf den Grabstein.