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Sexismusdebatte in der Kritik
#MeToo in Überdosis

#MeToo auf der Berlinale allüberall: Erst gestern wurden auf einer Podiumsdiskussion von ProQuote Film noch mal die bekannten Argumente ausgetauscht. Doch hört man sich hinter den Kulissen um – in den Interviews zu den Filmen – hört man schon auch, dass viele genervt sind von dem Thema.

Von Sigrid Fischer | 20.02.2018
    Die spanische Regisseurin Isabel Coixet
    Die spanische Regisseurin Isabel Coixet (dpa / picture alliance / Claudio Onorati)
    Schon wenn einen im international besetzten Aufzug zum gedrückten Etagenknopf der fragende Blick trifft – will man es gar nicht aussprechen: "Me too, ja, ich muss auch in die 3." Und wenn mitten im Interview mit der spanischen Regisseurin Isabel Coixet der Kaffeeautomat just beim Thema Geräusche macht, sagt sie:
    "Sehen Sie, auch die Maschine kriegt schon zu viel."
    Auf der Berlinale machen sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar, wenn es um #MeToo geht.
    "This thing about having a black carpet? Come on!"
    Regt sich die Spanierin auf, die hier einen Film über eine couragierte Buchhändlerin in den 1950er-Jahren vorstellt. Ein medialer Overkill ist seit letztem Herbst im Gang, und auf der Berlinale treffen sie geballt aufeinander - die Filmbranche und die Presse.
    "Wir riskieren dabei nichts"
    Daniel Brühl sagt:
    "Ich versuche, immer noch was Anderes oder Konstruktives dazu zu sagen, ohne in irgendwelche Plattitüden zu verfallen."
    Daniel Brühl weiß auch, dass eigentlich schon alles zum Thema gesagt ist. Ein Festival wie die Berlinale muss sich dennoch positionieren. Mit einer Podiumsdiskussion, mit Kontaktangeboten zu Beratungsstellen und der gerade lancierten Speak-up-Webseite, die Betroffene von sexueller Belästigung in der Filmbranche ermutigen will, ihre Stimme zu erheben. Und auch Daniel Brühl, der fast mehr in den USA arbeitet als in Europa, kann sich schon noch ereifern:
    "Es hat mich ehrlich gesagt schockiert, was ich alles lesen musste über die Männer. Es hat eigentlich nur die Schwäche des Mannes offenbart für mich, das ist absolut unmännlichstes Verhalten. Das hat mich zutiefst irritiert."
    Nicht, dass jemand die Notwendigkeit der Debatte an sich bestreiten würde, aber mit bloßer Symbolik wie bei den Golden Globes, als die Frauen in schwarzen Kleidern antraten, haben viele ein Problem - auch Isabel Coixet.
    "Entschuldigung, ein schwarzes Kleid für 10.000 Dollar, was soll das denn für ein Protest sein? Darüber kann ich nur lachen. Wirklicher Protest ist, wenn die Frauen im Iran ihren Schleier in den Baum hängen und dafür ins Gefängnis gehen. Das ist mutig. Die Proteste hier stoßen eine Debatte an, das ist toll, aber wir riskieren dabei doch nichts."
    Rosamund Pike mit Time-is-up-Button
    Gegen die Debatte an sich hat, wie gesagt, niemand was - wenn sie auch manch einer als geheuchelt empfindet. Das schwedische Regieduo Månsson/ Petersén hat auf die Sexszene mit ihrer 68-jährigen Hauptdarstellerin im Wettbewerbsbeitrag "Real Estate" viel negative Kritik geerntet. Axel Petersén sagt:
    "Verstörend, ekelhaft hieß es da. Aber auf der anderen Seite beklagen sich die gleichen Leute, dass Frauen ab 40 keine interessanten Rollen mehr bekommen. Wir finden sie schön, sie ist 68, genauso alt wie das Festival."
    Die Haltung, dass sich all die Bekenntnisse, die jetzt so kursieren, letztlich in der Praxis bewähren müssen, hört man häufig. Schauspielerin Rosamund Pike - mit Daniel Brühl spielt sie eine der Entebbe-Entführer und Bond-Girl war sie auch schon – sie trägt einen Time-is-up-Button am Pullover und hat sich genau das vorgenommen:
    "Ich würde immer versuchen, wenn jüngere Schauspielerinnen am Set sind und ich die Hauptrolle habe, darauf zu achten, dass sie sich wohl fühlen, zum Beispiel wenn sie eine Nacktszene drehen müssen. Reden ist wichtig."
    Kim Ki-duk zeigt sich reuig
    Geredet wurde, als der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk auftrat. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er eine Schauspielerin geohrfeigt hat - der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs war aber nicht nachweisbar. Er bedaure den Vorfall, trage die Verantwortung und finde #MeToo auch wichtig, sagte er auf der Pressekonferenz zu seinem Festivalfilm.
    Wichtig finden und richtig handeln sind manchmal vielleicht zweierlei. Bis Samstag werden sicher noch viele solcher Bekenntnisse über den Potsdamer Platz wehen. Einer ganz anderen Debatte hat Rosamund Pike hoffentlich ein Ende gesetzt - mit diesem Bekenntnis:
    "James Bond ist definitiv ein Mann."