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Sirakov: Politik wird zur Geisel gemacht

Bis Ende Februar muss sich der US-Kongress auf Sparmaßnahmen im US-Haushalt einigen. Ein Kompromiss könnte schwierig werden, weil die Demokraten eine Mehrheit im Senat halten und die Republikaner im Repräsentantenhaus, sagt David Sirakov. Beide Parteien könnten die Politik aus ideologischen Gründen zur Geisel machen, meint der US-Experte.

Peter Kapern im Gespräch mit David Sirakov |
    Peter Kapern: Die Lösung im US-Haushaltsstreit, sie ist ja im Grunde gar keine. Die Politiker in Washington haben sich mit ihrem Kompromiss lediglich mehr Zeit verschafft, bis Ende Februar muss nun geklärt werden, wo im US-Haushalt gespart werden soll. Diese Frage ist eigentlich seit eineinhalb Jahren offen, warum also soll den Kongressabgeordneten in den kommenden zwei Monaten gelingen, was sie zuvor nicht geschafft haben? Das hat meine Kollegin Petra Ensminger David Sirakov von der Atlantischen Akademie in Rheinland-Pfalz gefragt.

    David Sirakov: Das ist eine gute Frage und das ist etwas, was, glaube ich, auch alle Beobachter, alle Experten etwas beunruhigt. Weil, der Grund für diese Fiscal Cliff, für diese Fiskalklippe, war ja eine Art Damoklesschwert, was man schaffen wollte, damit ein Superkomitee eben Steuererhöhungen und Ausgabesenkungen erarbeitet. Und dieses Superkomitee ist trotz dieses Damoklesschwerts gescheitert. Insofern ist es durchaus eine berechtigte Frage, ob die Republikaner und Demokraten in zwei Monaten das Problem lösen können, was sie im Grunde in den letzten anderthalb Jahren nicht lösen konnten.

    Petra Ensminger: Was ist Ihre Prognose?

    Sirakov: Es werden sehr, sehr schwere Verhandlungen und ich vermute, dass es wiederum ein Aufschieben geben wird um wieder ein paar Monate, weil ich den Eindruck habe, dass auf beiden Seiten, aber insbesondere auf republikanischer Seite, dort auch noch nicht ganz klar ist, wo die Reise hingeht. Wenn man beispielsweise die Republikaner im neuen, im 113. Kongress betrachtet, dann sind die Fiskalkonservativen und insbesondere die Abgeordneten um Eric Cantor, dem Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, die Tee-Party-Unterstützer, die sind fast alle wiedergewählt worden. Von 55, die zur Wahl standen, haben es 51 wieder geschafft, und diese werden sicherlich ihr Programm, nämlich das Programm einer Ausgabensenkung nicht einer Steuererhöhung weiterführen. Und ich vermute, dass hinter diesem Verhandlungserfolg, in Anführungsstrichen, im Moment oder dieser ersten Runde vielleicht auch die Überlegung auf republikanischer Seite lag, dass man nun erst einmal Steuererhöhungen vom Tisch gefegt hat mit dieser leichten Steuererhöhung für die absoluten Topverdiener, 400.000 Dollar für Einzelne, 450.000 für Familien, und dass man nun mit der Regierung, mit den Demokraten im Kongress nur noch über Ausgabensenkungen sprechen möchte.

    Ensminger: Das heißt, die Hoffnung einiger Beobachter, dass möglicherweise mit dem ja jetzt neu zusammengesetzten Kongress es doch eine Lösung oder einen handlungsfähigeren Kongress geben könnte, die Hoffnung müssen Sie zerschlagen?

    Sirakov: Ja, ich bin da zumindest skeptisch. Wenn ich mir den letzten, den 112. Kongress anschaue und dort auch das Abstimmungsverhalten, so muss man ja auch darauf hinweisen, dass nicht nur die Republikaner in sich eine sehr, sehr geschlossene, ich will mal sagen, Fraktion, Partei innerhalb des Kongresses, insbesondere des Repräsentantenhauses darstellt, sondern eben auch die Demokraten. Und sicherlich wird dies, so zumindest meine Prognose, im 113. Kongress nicht großartig anders sei. Wir stellen das einerseits an einer sehr ideologischen Verhaftung, einem sehr ideologischen Twist innerhalb der Fraktionen oder der Parteien fest, insbesondere bei den Republikanern, auf der anderen Seite sehen wir aber gerade jetzt in der Aushandlung dieses Kompromisses, dass die Republikaner durchaus auch Risse aufzeigen. Man betrachte beispielsweise den Speaker of the House, also den Präsidenten, wenn man so möchte, oder den Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, der für diesen Kompromiss gestimmt hat, während sein Stellvertreter und Mehrheitsführer Eric Cantor dagegengestimmt hat, wie auch sein Stellvertreter dagegengestimmt hat. Also, man sieht dort schon auch einen Riss innerhalb der Republikaner, aber ich würde die Macht und die Stärke, auch ideologische Stärke dieser fiskalkonservativen, aber auch der Tea-Party-Unterstützer, die ja im großen Teil überlappend sind, würde ich nicht unterschätzen.

    Ensminger: Und da ziehen und zerren ja sowohl Republikaner als auch Demokraten, ein ideologisch motivierter Kampf, der auch auf Kosten des Ansehens der US-amerikanischen Politik insgesamt geht?

    Sirakov: Ja, sicherlich. Zumindest so weit, als man nun natürlich der Politik in den USA und insbesondere im Kongress nicht wirklich Lösungsfindungs- oder Problemlösungskompetenz zuweisen würde. Insbesondere mit Blick auf den letzten Kongress. Denn das zeigen alle Daten, es ist der unproduktivste Kongress aller Zeiten in der amerikanischen Geschichte. Das heißt, so wenige Gesetze wurden noch nie verabschiedet, und das gerade in Zeiten, in denen Lösungen gefunden werden müssten, gerade mit Blick auch auf die Haushaltslage der USA mit 16,4 Billionen US-Dollar Schulden. Aber auch mit Blick auf andere Aspekte innenpolitischer wie außenpolitischer Natur.

    Ensminger: Viele Amerikaner sind nicht begeistert, Sie haben es auch schon angedeutet. Politikverdrossenheit möglicherweise die Konsequenz?

    Sirakov: Vielleicht nicht Politikverdrossenheit, da bin ich auch in der deutschen Debatte immer vorsichtig, ich würde vielleicht eher sagen Politikerverdrossenheit. Es ist eben eine Verdrossenheit auch mit diesen zwei großen und insbesondere mit den Republikanern, also den zwei großen Parteien, aber vor allen Dingen der Republikanischen Partei, die im Moment - und das ist vielleicht auch eine Folge der verlorenen Präsidentschaftswahl -, die so ein wenig ihren Punkt verloren hat, ihr zentrales Ziel verloren hat und sich wahrscheinlich spätestens nach diesem Kompromiss in einigen Grabenkämpfen verlieren wird und natürlich aufgrund dieses Systems der Checks and Balances im amerikanischen politischen System die Möglichkeit haben, nun Politik zu blockieren.

    Ensminger: Vielleicht erklären Sie das noch mal genauer, dieses System!

    Sirakov: Ja, das System der Checks and Balances bedeutet, dass verschiedene Kompetenzen, die beispielsweise der Kongress hat, eben auf der anderen Seite auch Kompetenzen in der Exekutive, also beim Präsidenten gegenüberstehen. Denken Sie an die Vetomacht des Präsidenten gegenüber Gesetzen. Aber auf der anderen Seite haben Sie es eben auch innerhalb der gesetzgebenden Macht, nämlich dem Kongress, dass Sie das Repräsentantenhaus auf der einen, den Senat auf der anderen Seite haben. Und diese beiden müssen wortgleiche Gesetze verabschieden. Und das ist natürlich vor dem Hintergrund, dass beide Häuser oder beide Teile der Legislative in den USA mit unterschiedlichen Parteien in der Mehrheit vertreten sind, sehr, sehr schwierig. Also, die Demokraten haben ihre Mehrheit im Senat behalten, die Republikaner dafür im Repräsentantenhaus. Und dort stehen natürlich dann zwei Mehrheiten gegenüber, die sich eben in gewissen ideologischen Kämpfen befinden und dann natürlich auch Politik ein wenig zur Geisel machen.

    Kapern: Der Amerika-Experte David Sirakov im Gespräch mit meiner Kollegin Petra Ensminger.

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